Das neue digitale Zeitalter hat uns alle fest im Griff. Seit dem Siegeszug des digitalen Netzes, welches sowohl in seinen Inhalten als auch in seinem Habitus maßlos ist, hat sich die Kommunikation in der Digitalmoderne grundlegend geändert. Dabei hat die Massenkommunikation, das allumfassende Vernetzt- und das stetige Überinformiertsein sich verheerend auf die zwischenmenschlichen Beziehungen ausgewirkt. Das, und noch einiges mehr, sagt Eva Menasse in ihrem Buch "Alles und nichts sagen". Ihr Essay handelt vom Zustand der Debatte in der Digitalmoderne und nimmt die Veränderungen und Auswirkungen der digitalen Massenkommunikation kritisch auseinander.
"Zieht sich die liberale Gesellschaft gerade den Boden weg, auf dem sie fest stehen sollte?", heißt es im Klappentext des Buches, welches bei Kiepenheuer & Witsch erschienen ist. Eva Menasse zeigt auf, dass die Auswirkungen der neuen digitalen Debattenkultur sich bei allen Menschen zeigen, egal, wie stark die Einzelnen die neuen Medien selbst nutzen. Die Autorin sieht die grundlegenden Probleme der digitalen Diskussionskultur in der Masse der Informationen, des grenzenlosen Wissens, der ständigen Verfügbarkeit dieser und der enormen Geschwindigkeit. Menasse sieht die neue Gesprächskultur in den sozialen und neuen Medien als aggressiver, rücksichtsloser, böser, kompromissunfähiger und hemmungsloser als in der analogen Welt.
Und doch färbt genau diese digitale Debattenkultur in der virtuellen Welt auf die analoge Welt ab. Journalismus und Politik haben die neuen Regeln und Umgangsformen längst aufgegriffen, arbeiten nach dem Prinzip des Fängers des Publikums, des Fesselns an die Informationen, der Gefangennahme, immer alles wissen zu wollen und Informationen wie ein Schwamm aufzusaugen. War früher die öffentliche Meinungsbildung ein Prozess des durchdachten Argumentierens und Abwägens von Informationen und Ereignissen, ist sie heute lediglich ein Buhlen um Lesende, Hörende und Zuschauende mit allen Mitteln. Das Internet als eine böse, unkontrollierte technische Neuerung, die den Menschen in seiner Kommunikationsfähigkeit grundsätzlich überfordere, sie aber dennoch immer wieder triggert, um dranzubleiben und die natürliche Neugierde zu befriedigen. Menasse vergleicht die sozialen Medien wie X, früher Twitter, als Wutverstärkungsmaschinen. Es geht nicht darum, um gemeinsam Politik zu machen oder zu einem Kompromiss zu finden, wie das in kleineren Diskussionsrunden, für die der Mensch eher gemacht ist, der Fall ist.
Die Schriftstellerin selbst will dieses Spiel persönlich nicht mitspielen, sieht die Lösung dieses aufgeworfenen Kommunikationsproblems aber nicht in der individuellen Verweigerung, sondern nur in einer globalen Handlung, zum Beispiel in Form von Beschränkungen. Ihre Rolle sieht sie aber als Analytikern, nicht als Problemlöserin. Was Eva Menasse mit ihrem 189-seitigem Essay "Alles und nichts sagen" schafft, ist zumindest eine Diskussion in einem kleineren Kreis, dem der Lesenden.
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