Interview

Patrick Stegemann: ‚Die Strategie von Red Bull insgesamt geht auf‘

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Inzwischen haben MDR und Undone alle Folgen von «Rasenball» veröffentlicht. Wie blickt man auf die Welt von Red Bull?

«Rasenball: Red Bull und der moderne Fußball» ist der neue Podcast der Produktionsfirma Undone. Warum haben Sie sich für Red Bull entschieden?
Wir wollten eine Geschichte über den Fußball erzählen, wie er heute ist. Über den modernen Fußball. RB ist ein Schlüsselloch in diese Welt, ein Sinnbild. Die Abwehr, die RB auslöst, bezieht sich häufig auf den Club, aber eben auch auf all das, wofür er steht. Und viele Fans finden: Er steht für den modernen Fußball.

Außerdem: Wir sind Geschichtenerzähler. Und die Geschichte, wie einer der reichsten Männer der Welt sich 2005 ziemlich plötzlich entscheidet „So, ich mach jetzt Fußball“ - das ist eben eine sehr gute, auch unwirkliche Geschichte.

In der Vergangenheit sind immer mal wieder Hintergrund-Dokumentationen zum Thema Red Bull und dem Sport erschienen. Waren Sie bei vielen Produktionen so enttäuscht wie unsere Redaktion?
Wir haben keine Marktanalyse gemacht, als wir die Geschichte entwickelt haben. Red Bull hat schon viele Kolleg*innen fasziniert und viele haben auch schon gute Arbeit dazu gemacht, z.B. die Kolleg*innen vom Dossier in Österreich.

Ich glaube, unsere größte Stärke besteht darin, dass wir keine Sportjournalist*innen sind. Wir müssen niemanden gefallen, wir schauen ganz anders auf Fußball und die Welt, die dahinter steht. Deswegen können wir so eine Fußballgeschichte, die «Rasenball» eben ist, auch ganz anders erzählen.

Red Bull investiert Millionen in Sport-Marketing. Das ist doch eigentlich nichts Schlechtes?
Nein, gar nicht. Wir sagen im übrigen auch nicht, dass Red Bulls Engagement im Fußball etwas Schlechtes ist. Wir sprechen mit Weggefährten von Red-Bull-Gründer Mateschitz, mit aktuell Verantwortlichen etc., um zu verstehen: Was treibt die an, was wollen die?

Red Bull hat die Art und Weise von Sportmarketing radikal verändert. Sie sind an traditionellen Formen nicht interessiert, sie wollen nicht nur irgendwo ihr Logo drauf kleben. Sie wollen für Sportereignisse sorgen, die zu ihrer Marke passen. Also z.B. Fußballteams aufbauen, die spielen, wie sie sich selbst sehen. Die Abwehr, die das auslöst, muss man aber eben auch erzählen und ergründen. Das machen wir.

Doch der Getränkehersteller hat immer wieder fragwürdige Aktionen abgeliefert. Beispielsweise das Aussperren der Fans bei der Austria Wien oder die 1.000 Euro-Mitgliedschaft in Leipzig. Warum schauen die Verbände bei so etwas oftmals weg?
Für Sachsen kann man sagen: Die Verbände haben nicht weggeschaut, die haben hingeschaut und wohlwollend genickt. Wir sprechen in unserem Podcast z.B. mit dem ehemaligen Vorsitzendenden des sächsischen Fußballverbandes. Und der sagt: Leckt mich doch am Arsch, wir wollten, dass Red Bull hierher kommt und wir haben alles in unserer Kraft stehende getan, dass es irgendwie geht. Die waren nicht die überrumpelten Funktionäre, als die sie manchmal dargestellt werden.

Inzwischen ist Red Bull in der Formel1 gut unterwegs, Leipzig spielt in der Bundesliga auf den vorderen Plätzen mit. Ist man angekommen?
Die Strategie von Red Bull insgesamt geht auf. Aber im Fußball stellen wir in der letzten Episode unseres Podcasts schon die Frage: Reicht das? Red Bull will immer und überall den maximalen Erfolg, Durchschnitt ist nicht deren Ding. Maximaler Erfolg würde aber wirkliche Titel bedeuten: Champions League, deutscher Meister. Das sieht aber grade gar nicht so aus. Deswegen wagen wir schon die These: Ob es in zehn Jahren von RB Leipzig gibt, ist völlig offen. Red Bull könnte auch sehr schnell einfach aussteigen.

Was könnten die nächsten Schritte von Red Bull sein?
Vieles ist denkbar: Red Bull könnte sein Engagement im Fußball auch aufhören. Einfach gehen. Das ist nicht undenkbar und wird von einigen Akteuren, mit denen wir gesprochen haben, als realistischen Szenario gesehen.

Denkbar wäre aber auch die andere Richtung: Ein Engagement in einer anderen Top-Liga, England zum Beispiel. Darüber wurde immer mal spekuliert, Leipzig würde dann zu einem Ausbildungsclub degradiert.

Grundsätzlich sehe ich es aber so: Red Bull wurde von seiner eigenen Idee eingeholt: Sie haben eine Art des Sportmarketings in die Welt gebracht, die jetzt viele imitieren: Staatsfonds und große Konzerne kaufen Clubs in aller Welt und geben sehr, sehr viel Geld aus. Ob Red Bull unter ökonomisch sinnvollen Bedingungen da mithalten kann, mag ich zumindest bezweifeln.

Wie begann die Zusammenarbeit mit dem Mitteldeutschen Rundfunk zu diesem Projekt?
Wir haben mit verschiedenen Partner*innen gesprochen. Das machen wir meist so, wenn wir eine Idee haben. Am Ende schien uns eine Zusammenarbeit mit dem MDR am glaubhaftesten. Die Kolleg*innen kennen sich vor Ort aus, beschäftigen sich seit Jahren auch mit dem Club. Das war insgesamt sehr hilfreich und eine wirklich gute Zusammenarbeit.

Gab es bei der Produktion auch Probleme mit RB Leipzig oder dem Getränkeproduzent aus Österreich?
Wir haben vom Club in Leipzig sehr seltene und in diesem Form auch einmalige Einblicke und Gespräche bekommen. Wir waren mehrere Tage im Leistungszentrum, haben Spieler und Trainer für lange Gespräche getroffen. Der Club ist uns und unserem Vorhaben offen begegnet, wenngleich ihnen natürlich klar war, das wir als Journalist*innen kritisch und unabhängig diese Einblicke einbinden werden.

Ganz anders war das in Salzburg, sowohl beim dortigen Club als auch beim Konzern - kein Zugang, kein Kommentar, keine Transparenz.

Khesrau Behroz hat mit Drachenland, Mesut Özil und Ken Jebsen drei bekannte Podcast-Serien produziert. Öffnen diese Projekte Türen wie zum Red-Bull-Thema?
Hier war es ganz konkret so, dass sowohl unser Partner MDR das Zutrauen in uns hatte, eine ambivalent Geschichte in einem schwierigen, umkämpften Thema zu erzählen. Weil sie wissen, dass das unser Interesse ist und wir das schon häufig gemacht haben. Und tatsächlich war es auch so, dass bei RB Leipzig-Akteure unsere Arbeit kannten und um unser Bemühen wussten, eine Geschichte zu erzählen, die sehr viele Grauschattierungen zulässt. Wir sind keine Hau-Drauf-Journalist*innen.

Können Sie uns schon verraten, welche Projekte als nächstes anstehen?
Ich fürchte, unser Fußballjahr mit gleich zwei großen Fußballgeschichten (Mesut Özil zu Gast bei Freunden und Rasenball) ist leider vorbei. Ganz lebensweltlich hat mir das gut gefallen. Aber wir arbeiten an großen Geschichten dieses Jahr, werden auch als Firma unseren ersten größeren Film produzieren. Dabei bleiben wir unserer Grundhaltung treu: Geschichten erzählen, die uns auch helfen, einen Ausschnitt Welt zu verstehen.

Vielen Dank!

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