„In einem Studio, das 22 Jahre von Frank Plasberg mit Leben gefüllt wurde, ist es als junger Mensch nicht selbstverständlich, sich zu etablieren. Da wird es schon als radikaler Schritt verstanden, das Jackett abzulegen. Zugleich verstehe ich, dass es womöglich zu viel auf einmal gewesen wäre, den Moderator auszutauschen und die Sendung zu schnell zu verändern“, erklärte Louis Klamroth zuletzt in einem Interview mit der ‚Zeit‘. Der Moderator von «Hart aber fair» meinte damit den erfolgten Wechsel vor der Kamera, dem in diesem Winter der Wechsel auf Produzenten-Seite folgte. Die ARD, nicht zwangsläufig für Reformgeschwindigkeit bekannt, setzte den Umbruch behutsam um, dafür in diesem Jahr gleich an doppelter Stelle.
Denn nicht nur «Hart aber fair» zeigte sich in einem neuen Gewand, auch der Sendeplatz am Sonntagabend wurde mit «Caren Miosga» neu besetzt. Die ehemalige «Tagesthemen»-Moderatorin folgte auf Anne Will, die ihren Platz nach 16 Jahren abgab. Die ersten Wochen mit der neuen Be- bzw. Um-Setzung sind nun vollbracht. Obwohl die Probengröße noch klein ist, lässt sich bereits ein kleiner Trend erkennen.
Am Sonntagabend verlief der Start des Miosga-Talks vielversprechend, denn die Neugierde auf das Debüt als Polittalkerin war groß. Die erste Sendung, in der Friedrich Merz zu Gast war, verzeichnete 4,40 Millionen Zuschauer ab drei Jahren. Damit lag «Caren Miosga» deutlich über dem Niveau des Vorjahres und auch die Reichweite des «Tatorts» im Vorlauf schrumpfte nicht so stark wie üblich. «Zerrissen» sahen zuvor 8,39 Millionen Zuschauer. Mit einem Marktanteil von 18,4 Prozent schlug Miosga sämtliche Will-Sendungen von 2023 des Regelsendeplatzes um 21:45 Uhr. «Anne Will» lief nur einmal besser, dafür war am 15. Oktober allerdings auch eine spätere Sendezeit nötig. Damals wurden um 22:00 Uhr 3,92 Millionen und 18,7 Prozent gemessen, was auch mit dem auflodernden Krisenherd in Nahost in Verbindung stand.
Zurück zu «Caren Miosga»: An der ersten Sendung war auch das jüngere Publikum zwischen 14 und 49 Jahren sehr interessiert, denn es wurden 0,61 Millionen Zuschauer und 11,1 Prozent Marktanteil gemessen. Nachträglich wurde die Premieren-Sendung sogar auf 4,55 Millionen Zuschauer nachgewichtet, die Quote stieg leicht auf 18,6 Prozent. Beim jungen Publikum kamen 40.000 Seher hinzu, die die Quote auf 11,6 Prozent ansteigen ließen. Der Auftakt war also mehr als geglückt, interessant war daher das Ergebnis in Woche zwei und die Frage, ob Miosga das Niveau dauerhaft halt könne.
Die Antwortet lautete: Nein. Die Reichweite ging auf 3,67 Millionen zurück, was den Marktanteil auf 15,9 Prozent drückte. Teil des Publikums waren 0,40 Millionen 14- bis 49-Jährige, die für 7,5 Prozent Marktanteil standen. Was zunächst wie ein deutlicher Rückgang anmutet, ist in Wahrheit aber eine klare Verbesserung zur Ära «Anne Will». Miosgas Vorgängerin kam im Januar 2023 durchschnittlich nur auf eine Reichweite von 3,28 Millionen, in der Spitze waren 3,46 Millionen Zuschauer drin. Der Jahresschnitt belief sich gar auf weniger als drei Millionen Interessierte. Der Jahresmarktanteil von «Anne Will» wurde auf 13,3 Prozent beziffert. Hier hat «Caren Miosga» derzeit deutlich die Nase vorn.
Bestätigt wir der Positiv-Trend von der dritten Sendung des Jahres, die erneut 3,67 Millionen Zuschauer erreichte und 15,2 Prozent Marktanteil markierte. Am vorvergangenen Sonntag wurden in der klassischen Zielgruppe sehr gute 9,2 Prozent gemessen. Nur die zweite Folge hatte mit 7,5 Prozent einen schwereren Stand bei den 14- bis 49-Jährigen. Die Werte sind angesichts des fantastischen Vorlaufs der «Tatort»-Krimis, die regelmäßig an der 30-Prozent-Marke kratzen oder darüber liegen, weiterhin kein Grund zur überschwänglichen Freude, denn die Verluste sind weiterhin beträchtlich. Aber «Caren Miosga» lag bislang klar über dem Niveau von «Anne Will» und auch das gestrige Programm, der Krimi «Brokenwood - Mord in Neuseeland» zeigte, dass Miosga eine gute Figur macht. Die Folgen der sechsten Staffel – die erste Episode lief bereits Mitte Januar – sorgten jeweils für etwas mehr als 2,60 Millionen Zuschauer und solide Marktanteile zwischen 12,2 und 12,5 Prozent. Daher dürfte der Blick auf die kommenden Quoten spannend werden, wenn Miosga ohne anfängliche Euphorie am 25. Februar aus der mehrwöchigen Pause zurückkehrt. Besser als ein zweiter Krimi am Abend ist die ehemalige Nachrichten-Moderatorin allemal.
Wie sieht es dagegen mit Klamroths «Hart aber fair» aus? Der Moderator wollte im erwähnten ‚Zeit‘-Interview nichts von einem Quervergleich mit den Ergebnissen von 2022 und 2023 wissen, denn seiner Lesart nach hätten schließlich alle Talkshows im Vergleich zur Pandemie-Zeit an Anziehungskraft verloren, warum dann nicht auch seine. Klamroth weilte etwas länger in der Winterpause als der Sonntags-Talk, weswegen erst zwei Sendungen in diesem Jahr produziert wurden, ehe der Karneval der Ausstrahlung in die Quere kam. Im vergangenen Jahr kamen die «Hart aber fair»-Sendungen, die um 21:00 Uhr oder kurz danach begannen, auf durchschnittlich 2,15 Millionen Zuschauer und einen mäßigen Marktanteil von 8,5 Prozent. Auch beim jüngeren Publikum lagen die 31 ausgewerteten Ausgaben mit 0,36 Millionen und 6,5 Prozent unter dem Schnitt von Das Erste.
Die neue Ausrichtung der Show soll vor allem ein jüngeres Publikum für den Polittalk begeistern und sie in die ARD Mediathek locken. Dafür produziert man auch eine gesonderte «To Go»-Ausgabe, über deren Abrufzahlen nichts bekannt ist. Im linearen Fernsehen verbesserte sich «Hart aber fair» zunächst klar im Vergleich zum Vorjahr, doch auch hier gilt selbstverständlich eine gewisse Neugier für den Relaunch mit einzurechnen. Die Reichweite der ersten Sendung am 29. Januar lag bei 2,43 Millionen, der Marktanteil wurde auf 9,3 Prozent beziffert. Der Sprung war nicht immens, aber spürbar, denn zuletzt schalteten im September so viele Menschen am Montagabend ein. Hinzu kam, dass «Hart aber fair» mit einem sehr schwachen Vorlauf zu kämpfen hatte, dessen Werte man klar steigern konnte – keine Selbstverständlichkeit für Klamroth.
Auch in der bislang letzten Folge gelang dies, wobei man in der klassischen Zielgruppe gegenüber der 20:15-Uhr-Naturdoku klar an Boden verlor. Auch die Reichweite war mit 2,26 Millionen Zuschauer wieder auf dem Niveau von vor der Winterpause als am 11. Dezember 2,28 Millionen Menschen gemessen wurden. Allemal unglücklich ist die Programmplanung der blauen Eins, die nach nur zwei Wochen direkt eine Pause für «Hart aber fair» vorsieht. Im Unterschied zu «Caren Miosga» fehlt der „Politik trifft auf Wirklichkeit“-Talk aber nur eine Woche. Louis Klamroth drückt der langjährigen Talkshow zwar nun stärker seinen Stempel auf, doch der Unterschied zum Vorjahr schlägt sich noch nicht wirklich auf die Quoten nieder. Zwei Folgen als Vergleichspunkte sind indes aber noch deutlich zu wenig, um zu einem Urteil zu kommen. Die Marschrichtung stimmt und für Klamroth dürfte es mindestens ein Halbmarathon werden, liefern muss er dessen ungeachtet, denn die Verantwortung liegt ausschließlich in seiner Hand – Vergleiche zum Vorjahr sind mehr denn je zugelassen.
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