Die Kino-Kritiker

«Bliss»: Ich möchte so gern ein Science-Fiction-Film sein

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Der Film ist eine Liebesgeschichte, in der Greg - kürzlich geschieden und gerade gefeuert - auf die geheimnisvolle Isabel trifft, die auf der Straße lebt

Was ist real, was ist simuliert, was entspringt einfach nur unserer Einbildung? Fragen, mit denen sich Science-Fiction-Filme immer wieder auseinandergesetzt haben und damit auch immer wieder die Vorstellungskräfte der Rezipienten aktivieren. So beginnt auch die neue Amazon Studios-Produktion «Bliss» noch ganz vielversprechend, wenn anfangs daran gezweifelt wird, ob die graue, trostlose Welt, die die beiden Protagonisten umgibt, wirklich real ist. Müsste sie nicht viel farbenfroher und fröhlicher sein so wie sich das ein Mensch wünschen würde?

Aber wer sich gelbe Kristalle einpfeift, durchschaut alles, kann die simulierte Welt sogar beherrschen und findet Eintritt in die scheinbar so viel schönere Welt. Das klingt verdächtig nach «Matrix», jenem Science-Fiction-Meisterwerk von 1999, wo Keanu Reeves die Wahl zwischen der blauen und der roten Pille hat. Aber nur die rote Pille offenbart ihm die Realität, die jedoch die trostlosere ist. Regisseur Mike Cahill («Another Earth») hat also einiges abgeguckt, will aber ganz woanders hin, was mit Science-Fiction dann gar nicht mehr viel zu tun hat.

Rettung für einen niedergebeutelten Mann
Greg (Owen Wilson) steht vor den Scherbenhauen seines Lebens. Seine Frau hat ihn verlassen, und im Büro seines Chefs bekommt er auch noch seine sofortige Kündigung. Sein Chef erleidet dabei jedoch einen tödlichen Unfall, den man ebenso als Mord auslegen könnte. Greg flüchtet in eine Bar und trifft dort Isabel (Salma Hayek), die von seiner Bredouille weiß und ihm einen Ausweg anbietet. Mit übernatürlichen Kräften sorgt sie dafür, dass der Leichnam aus dem Fenster fällt und alles nach Selbstmord aussieht.

Greg ist ihr dankbar, zweifelt aber als ihn Isabel weißmachen will, dass alles um sie herum sowieso nur einer Computersimulation entspringt. Nur sie und er sind real. Die Einnahme von gelben Kristallen würde Greg helfen, die Wahrheit zu erkennen. Der Skeptiker zögert nicht lange und tatsächlich verfügt auch er anschließend über Kräfte, die alles möglich machen. Damit nicht genug, nimmt Isabel ihn in die echte Welt mit, in der alles so ist wie es sich Greg in seinen Träumen stets ausgemalt hatte. In dieser Welt ist Greg ein berühmter Erfinder und Isabel eine erfolgreiche Wissenschaftlerin. Aber auch hier gibt es Probleme, mit denen sich die beiden herumschlagen müssen.

Realität oder Utopie?
Wobei diese Probleme so gar nichts zur Sache beitragen und schlichtweg ins Leere führen. Denn ab diesem Punkt hat man längst durchschaut, dass sowohl Isabel als auch Greg den Bezug zum echten Leben gänzlich verloren haben. Ja, es geht hier auch gar nicht mehr darum, ob und wie die beiden die Schwelle zwischen Realität und Utopie überschreiten, weil es diese auch gar nicht mehr zu geben scheint. Regisseur Mike Cahill lässt nur hin und wieder durchblitzen, wo die Realität zu sitzen scheint, wenn wir seine Protagonisten im verwahrlosten Zustand wahrnehmen. Spätestens hier wird klar, dass wir es hier im Grunde genommen mit einem hoffnungslosen Drogendrama zu tun haben.

Wir erleben zwei Menschen, die ihre Lage nicht mehr beherrschen und sich in einem Labyrinth aus Tagträumen und Trugbildern verloren haben. Wir Zuschauende wurden also anfangs auf eine falsche Fährte gesetzt, um selbst in dieses Labyrinth einzutreten. Insofern manipulieren Greg und Isabel dann doch uns, weil wir in den ersten 30 Minuten noch bereit sind, ihnen zu folgen.



Große Namen statt großer Effekte
Womöglich wäre daraus ein spannender Film geworden, wenn das Publikum noch weiter in dieses Spiel der Illusionen verstrickt geworden wäre. Stattdessen entscheidet sich Cahill dann aber doch schnell dazu, uns mit den Tatsachen seiner Geschichte konfrontieren zu wollen. Sobald das klar ist, fühlt man sich auf billigste Weise umso mehr manipuliert, wenn die anfängliche düstere Stimmung eigentlich nur damit erzeugt wurde, dass die Farbe wohl mit dem Schieberegler auf ein Minimum heruntergesetzt wurde. Dass die von Greg und Isabel favorisierte Welt ein Fake ist, zeigt sich, weil in diesem sonnendurchfluteten Wunderland geisterhaft erscheinende Figuren durchschwirren, die erkennbar computersimuliert sind.

Billige Tricks, die auch gar keinen Sinn machen, weil das Spiel mit den Illusionen schon früher aufgehört hat - und das Publikum lässt sich davon schon gar nicht mehr beeindrucken. Um überhaupt zu beeindrucken, wurden zwei gestandene Schauspieler engagiert: Owen Wilson, der sich vor über 20 Jahren mit «Meine Braut, ihr Vater und ich» oder «Zoolander» als Komiker empfohlen hat, sich seit «Wunder» aber auch in ernsteren Rollen zeigt, und Salma Hayek, die sich hier mal schräg, mal sexy zeigt – ein Repertoire, dass sie von «From Dusk Till Dawn» bis «Frida» gekonnt ausspielt.

Fazit: In den ersten 30 Minuten erinnert der Plot noch an «Matrix». Doch statt cleverer Science-Fiction-Story kristallisiert sich ein tragisches Suchtdrama heraus, das zu keinen neuen Erkenntnissen führt.

«Bliss» ist im Prime Video-Abo enthalten.

Dieser Artikel ist in ähnlicher Form schon bei Quotenmeter erschienen.

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