«Der Millionen Raub»
- Regie und Drehbuch: Lars Becker
- Besetzung: Inaam Al Battat, Karim Den Mansur, Sabrina Amali, Anica Dobra, Slavko Popadić, Anja Kling, Sina Tkotsch, Murathan Muslu, Lasse Myhr, Raymond Tarabay
- Szenenbild: Birgit Bebe Dirken
- Musik: Hinrich Dageför, Stefan Wulff
- Schnitt: Sanjeev Hathiramani
- Produzent: Reinhold
Omar und Zlatko sind Freunde. Seit Jugendtagen. Obwohl beide wegen kleinerer Gaunereien in Jugendtagen Ärger mit der Justiz hatten, arbeiten sie als Geldtransportfahrer. Die Sünden der Vergangenheit haben sie offenbar hinter sich gelassen. Omar ist verheiratet, hat einen kleinen Sohn und lebt mit der Familie, zu der auch seine Mutter Haifa gehört, ein ganz normales Durchschnittsleben. Denken zumindest seine Frau und seine Mutter. Daher sind die beiden am Boden zerstört, als die Polizei in der Wäscherei, in der sie arbeiten, auftaucht und das Geschäft durchsucht. Omar hat acht Millionen Euro gestohlen und ist auf der Flucht. Seinen Freund und Kollegen Zlatko hat er zusammengeschlagen und alleine im abgeschlossenen Geldtransport im Wald zurückgelassen. Ganz so ist es nicht gewesen, tatsächlich haben Zlatko und Omar den Coup gemeinsam durchgezogen. Als es jedoch darum geht, das Geld verschwinden zu lassen, um ohne Aufsehen unterzutauchen, will Zlatko davon nichts mehr wissen. Er will das Geld sofort, auch, da er kokainabhängig ist und das Geld braucht. Es ist Zlatko, der Omar angreift, Omar ist jedoch der Stärkere. Daher taucht er alleine unter – und hinterlässt nicht nur eine verdutzte Mutter und eine fassungslose Ehefrau. Er lässt auch Chantal zurück. Die hat in der Filiale eines Modehauses gearbeitet, aus dem Omar und Zlatko regelmäßig die Einnahmen abgeholt haben. Sie hat Omar auch den Tipp gegeben, wann besonders viel Geld einzusacken ist. Und sie ist seine Freundin. Schwangere Freundin, um genau zu.
Der Film bricht nach dieser Einführung mit den Erwartungen. Es geht nicht um die Suche nach Omar – bald geht es um die Suche nach dem Geld, denn Omar wird in Brasilien (bei seiner neuen Freundin) verhaftet. Zurück in Deutschland hält er seinen Mund. Weder zieht er seinen alten Freund Zlatko in die Geschichte mit hinein, auch wenn der es vielleicht verdient hätte – noch verrät er den Ermittlern, wo er das Geld versteckt hat. Ihm drohen acht Jahre Haft. Das wäre eine Million für jedes Jahr. Das Problem: Da gibt es noch Artur, einen zwielichtigen Typen, der ihm den Pass besorgt hat, mit dem er Deutschland verlassen konnte.
Was hätte ein Guy Ritchie aus solch einem Stoff gemacht? Eine vermutlich ziemlich blutige Komödie. Acht Millionen Euro sind acht Millionen Gründe, um die eigene Familie ans Messer zu liefern. Der Stoff in den Händen eines Detlev Bucks? Wäre vermutlich eine eher lakonische Komödie geworden. Tatsächlich steckt in einer Geschichte wie dieser ein komödiantisches Element. Der Kern der Gier ist immer von einem Mantel der Lächerlichkeit umhüllt. Selbst der alte Shakespeare hat die Gier stets als etwas Absurdes dargestellt, was der vernunftbegabte Mensch eigentlich überhaupt nicht ernst nehmen kann. Allein endet die Vernunft, wenn es um solche Reichtümer geht.
Eine Komödie ist «Der Millionen Raub» nicht. Ein Thriller aber auch nicht. Was er sein möchte, das bleibt Beckers Geheimnis.
Im Mittelpunkt der Geschichte steht denn auch eigentlich gar nicht Omar. Er ist im ersten Akt wichtig, danach wird er zur Nebenfigur, denn fortan geht es um seine Mutter Haifa, seine Frau Malaika, Chantal und seine Anwältin Alice König. Und ein bisschen geht es noch um die Kommissare Özbek und Römer, die Omar verfolgt haben und versuchen, ihn zu einer Aussage zu bewegen. Unter anderem schlagen sie ihm einen Deal in Absprache mit der Staatsanwaltschaft vor. Für ein vollumfängliches Geständnis inklusive Aufklärung aller Hintergründe – gibt es vier Jahre Knast, drei bei guter Führung.
Solch ein Angebot könnte dramaturgisch dazu geeignet sein, den Dieb zum Nachdenken zu bringen. Drei Jahre? Omar ist noch vergleichsweise jung. Drei Jahre sind fünf Jahre weniger als acht. Acht Jahre? Acht Millionen? Doch bevor auch nur ein Hauch Spannung aufkommt – passiert einfach nichts. Und die Frauen reden. «Der Millionen Raub» ist ein Frauenfilm. Zu den bereits genannten Frauen kommt noch Dunja, Haifas beste Freundin, Arbeitskollegin und Mutter von Zlatko. Die sind zunächst nicht gut aufeinander zu sprechen, dann aber kommen sie sich wieder näher, weiß Dunja doch, dass ihr Sohn nicht das Unschuldslamm ist, das er behauptet zu sein. Das alles wäre ja schön und gut, wenn einfach etwas passieren würde. Es geschieht aber ganz einfach nichts. «Der Millionen Raub» entwickelt sich mit fortlaufender Spielzeit zum Lebenszeitraub. Die Dialoge wirken hölzern. Die Szenerie gestelzt. Und die Hauptfiguren sind größtenteils unsympathisch.
Chantal ist dumm wie ein wackelnder Stuhl. Malaika soll stark und selbstbewusst sein, allein wirkt ihr Selbstbewusstsein arrogant und kühl. Dunja bleibt farblos und die Anwältin ist halt die coole TV-Anwältin. Ob sympathisch oder nicht, jede der Frauen hätte 1000 Gründe, fies, gemein, hinterfotzig zur Freude des Publikums zu agieren, um an die Millionen zu gelangen. Da sind die betrogene Ehefrau und die sitzengelassene Freundin. Oder auch die Anwältin, die von ihren Klienten, egal, wie gut sie arbeiten mag, doch nie ein Dankeschön hört und die nun … Nein, träumen wir nicht davon, was dieser Film hätte werden können. Es schmerzt stattdessen regelrecht mitansehen zu müssen, wie es Becker gelingt, aus diesem Figurenensemble genau gar nichts herauszuholen. Bleibt Mutter Haifa… Haifa ist tatsächlich die eine Figur, die Sympathie für sich einnehmen könnte, wäre sie nicht im Herzen ein Naivchen. Haifa ist die liebe Mutti, die ihrem Sohn alles durchgehen lässt. Sie wirkt nett, sie taugt aber nichts als Dreh- und Angelpunkt der Geschichte. Was wiederum die auf allen Ebenen fehlende Fokussierung der Story erklärt.
Im letzten Akt der Geschichte gelingt es Becker durch ein vollkommen unerwartetes Momentum für einen kurzen Moment echte Spannung zu erzeugen. Allein bleibt es bei diesem einen, wirklich packenden Moment, fehlt es Becker doch im Anschluss an Zeit, aus diesem Momentum heraus etwas Großes aufbauen zu können – denn leider befindet sich die Laufzeit von 90 Minuten bereits auf der Zielgeraden. So hetzt die Geschichte durch die letzten Meter und bringt den Film irgendwie zu einem Ende. Irgendwie ist allerdings stets die schlechteste aller Möglichkeiten, eine Geschichte zum Ende zu bringen.
Am Montag, 8. April 2024, 20.15 Uhr im ZDF
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