Die Karriere des Nicholas Cage ist schon wirklich eine spezielle: vom Action-Star der 90er («The Rock», «Con-Air», «Face/Off») und Oscar-Gewinner («Leaving Las Vegas») bis zur Lachnummer der Entertainmentindustrie, während er sich mit Direct-to-DVD-Filmen der schlechteren Sorte über Wasser halten musste. Doch ganz zum Ende seiner Karriere gelang ihm noch einmal eine Renaissance als angesehener Charakterdarsteller in Indie-Produktionen. Mit «Pig», «Unbearable Weight of Massive Talent» und nun «Dream Scenario» des A24-Studios beendet er eine lange Karriere auf einem überraschenden Höhepunkt.
Und in gewisser Weise behandelt Dream Scenario diese Wechselhaftigkeit des Lebens: der biedere Universitätsprofessor Paul Matthews lebt sein graues Leben als Familienvater und "unter seinen Möglichkeiten Gebliebener". Sein Buch, das er zudem noch nicht einmal geschrieben hat, findet keinen Verleger, seine beste Idee wurde ihm von einer Kollegin gestohlen und die Ehebeziehung ist erkaltet. So weit, so Walter White. Doch sein Leben ändert sich schlagartig, als er plötzlich willkürlich fremden Menschen im Traum erscheint - zunächst nur als passiver Statist im Hintergrund. Paul steuert dies nicht aktiv und hat damit auch eigentlich gar nichts zu tun, aber nach und nach entwickelt sich ein Kult um seine Person und heutzutage würde man sagen, er "geht viral". Man muss hier natürlich nicht weit um die Ecke denken, um Parallelen zu Cages echtem Aufstieg in den 90ern zu sehen. Und wenn seine Studenten sich mit Paul ablichten und Selfies machen wollen, sind das natürlich junge Schauspieler, die vermutlich hinter den Kulissen ebenfalls um Selfie-Audienz mit Hollywood-Legende Nicholas Cage gebeten haben. Diese doppelte Ebene wird sogar noch mehr auf die Spitze getrieben, als Pauls Viralität plötzlich ins Gegenteil umschlägt, als nämlich Traum-Paul anfängt, in den Träumen die Träumer anzugreifen. Plötzlich haben die Menschen Angst vor dem Mann, der ihnen nachts als eine Art Freddy Krueger erscheint und sie im Traum brutal angeht. Paul wird gecancelt, Werbedeals werden gestoppt und auch Ex-Präsident Obama ist plötzlich nicht mehr an einem Treffen interessiert...
Man sieht schon, dass der Film mit vielen Themen und Meta-Ebenen jongliert - und meistens hält Regisseur Kristoffer Borgli diese Storybälle gut in der Luft. Ganz am Ende zieht er diese Zirkusnummer vielleicht etwas zu sehr in die Länge, anstatt sich an einer besseren Stelle einfach zu verbeugen und die Bühne mit Applaus zu verlassen - aber das schmälert den Gesamteindruck nur leicht. Vor allem die Besetzung von Cage war, man muss es so sagen, ein echter Coup. Zwar gibt es bestimmt Darsteller, die aus der Tragik des Paul Matthews schauspielerisch mehr rausgeholt hätten als Cage, aber sie hätten eben nicht diese Vita, die sich im Film so merkwürdig passend spiegelt, mitgebracht.
Außerdem wird Cage schon seit Langem für sein Slapsticktalent unterschätzt. Wenn er in den Träumen stumm nur mit dem Körper spielen darf, brilliert er mit komödiantischem Timing. Cage hat nun angekündigt, seine Karriere nach diesem Indie-Dreierpack zu beenden. Der Traum ist ausgeträumt. Aber uns Zuschauern war es eine Ehre, mitträumen zu dürfen.
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