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Tatsächlich spielt sich die Verwertung von «Big Brother» vor allem bei Joyn ab, Sat.1 nimmt die Sendung jeweils am späten Montag gegen 22:30 Uhr ins Programm. Für den ProSiebenSat.1-Streamingdienst scheint das Format aber tatsächlich gut zu performen. Eine Woche nach dem Sendestart teilte die Plattform mit, dass es sich um den „erfolgreichsten Start eines Reality-Programms im kostenfreien Bereich von Joyn seit Bestehen“ handele. Bei Konkurrenten wie «Die Obert-Connection» oder «Calvin am Goldstrand» muss die Frage erlaub sein, wie viel das wirklich wert ist. Zu Beginn habe die Verweildauer im «Big Brother – 24 Stunden Livestream» auf Niveau des erfolgreichen 24/7-Livestreams von «Promi Big Brother» Ende vergangenen Jahres gelegen. Konkrete Zahlen nannte das Unternehmen aus dem Münchner Umland natürlich nicht, das gehört im Streamingbereich zur Tagesordnung. Doch zahlreiche Player weißen inzwischen zumindest konkrete Nutzerzahlen aus, Netflix gibt im Wochentakt sogar Abrufzahlen seiner Formate aus. Selbst DAZN arbeitet mit der AGF Videoforschung zusammen, um Reichweiten unabhängig zu messen.
Joyn ist mit seinen Informationen deutlich sparsamer. Thomas Münzner, Vice President Content Joyn, gab im März an, dass der Start von «Big Brother» auf Joyn „gelungen“ sei und die „anvisierten Ziele“ übertroffen habe. Welche Ziele das genau sind, ist nirgends einsehbar. „Die Zahl der neuen Abonnentinnen und Abonnenten, die sich durch «Big Brother» für Joyn PLUS+ entschieden haben, liegt ebenfalls über unseren Erwartungen. Gleiches gilt für unsere «Big Brother»-Inhalte im AVoD-Bereich“, ließ sich Münzner in der am 11. März verschickten Pressemitteilung zitieren.
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Auch die am 23. März eingeführten Livestreams am Samstagmorgen sind quotentechnisch ein Totalausfall. Die rund dreistündigen Sendestrecken zwischen 8:00 und 11:00 Uhr sorgten in den vergangenen drei Wochen für 4,0, 3,8 und zuletzt miserable 1,7 Prozent. Wie zufrieden Sat.1 mit der Performance des Formates ist, bleibt aber unklar. Eine Anfrage dieser Redaktion blieb vielsagend unbeantwortet. Auch zu konkreten Nachfragen zur Performance bei Joyn äußerte man sich nicht.
Ein Lebenszeichen veröffentlichte Joyn am Montag in Form einer Zusammenfassung des ersten Quartals 2024. Man machte nichtssagende Angaben wie „6 Prozent Plus bei den Video-Nutzer:innen. 13 Prozent Plus bei der Watchtime“, verglich die Werte aber nun mit dem Vorjahresquartal. „Joyn bricht im ersten Quartal 2024 alle Rekorde und legt das stärkste Quartal aller Zeiten hin. Insgesamt brillierten die Top-25-VoD-Programme der Streaming-Plattform der ProSiebenSat.1 Media mit 37,4 Millionen Stunden Watchtime“, ließ die Plattform wissen. Weitere Angaben sind Fehlanzeige. Zwar nannte man «Big Brother» als einen der stärksten Wachstumstreiber bei „Nutzer:innenzahl sowie Watchtime“, harte Zahlen ließ man vermissen. Wird der Livestream weiterhin so gut angenommen wie zu Beginn? Konnte «Big Brother» die Leistung der ersten Woche bestätigen oder gar verbessern?
Zumindest in einem Punkt muss man der eingeschlagenen Joyn-Strategie einen Erfolg beimessen: Bert Habets, CEO der ProSiebenSat.1 Media SE, forderte zuletzt „die Nutzung und Nutzerbasis von Joyn mit zweistelligen Wachstumsraten pro Jahr weiter zu steigern“. Diese Vorgabe könnte man zunächst als erfüllt ansehen, doch Joyn veröffentlicht auch erst seit etwas mehr als einem halben Jahr regelmäßig eigenproduzierte Inhalte. Zuvor wurden gefühlt nur alle paar Monate neue Inhalte präsentiert. Wirklich nachhaltig war die Strategie zahlreiche Content Creator für einzelne Events zusammenzutrommeln nicht.
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Der gefragteste Titel war die achtteilige Mystery-Serie «Oderbruch», die laut ARD-Angaben 10,5 Millionen Streamviews generierte. Selbstverständlich gilt auch hier: Die Daten sind mit Vorsicht zu genießen, schließlich kommen sie vom Anbieter selbst. Im linearen Fernsehen war «Oderbruch» immerhin kein Erfolg. Dies gilt auch für «Haus aus Glas», die Miniserie wurde durchschnittlich von 3,27 Millionen Zuschauern im Ersten gesehen, die sechs Folgen kam in der Mediathek auf 7,8 Millionen Views. „Die ARD Mediathek erreicht täglich 2,8 Millionen Menschen und ist damit das reichweitenstärkste Streaming-Portal der deutschen Fernsehsender“, wie die ARD in ihrer Pressemitteilung betont. Wie weit man damit vor Joyn liegt, wird man vorerst nicht erfahren.
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