Die Kritiker

«Der Amsterdam-Krimi: Der Dreck der anderen» – Verklappt die eigene Geschichte

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Ein Video wird der Amsterdamer Polizei zugespielt. Es zeigt illegale Müllentsorgung im Ausland, inklusive dessen Verbrennung. Dadurch kommt ein Kind zu Tode. Möglicherweise ist die Verschiffung des Mülls von Amsterdam ausgegangen und damit wäre es ein Fall für die niederländischen Behörden.

Der Amsterdam-Krimi: Der Dreck der anderen

  • REGIE: Almut Getto
  • DREHBUCH Britta Stöckle
  • MUSIK: Andreas Helmle
  • SCHNITT: Oliver Held
  • KAMERA: Felix Beßner
  • BESETZUNG: Hannes Jaenicke, Fedja van Huèt, Birgit Welink, Arent Jan Linde, Shahine El-Hamus, Omar Alwan, Jobst Schnibbe, Peter Post
Hannes Jaenicke ist als Umweltschützer nicht ganz unbekannt. Wer seine Website besucht, wird denn auch nicht etwa mit filmischen Themen begrüßt. Die laufen auf seiner Seite quasi nebenbei. Nein, im Mittelpunkt seines Internetauftrittes stehen der Umweltschutz und die Menschenrechte. Da Jaenicke nebenbei aber nach wie vor als Schauspieler agiert und mit den «Amsterdam-Krimi»s höchst erfolgreich mit durchschnittlich sechs Millionen Zuschauern pro Episode im Ersten unterwegs ist, verwundert es nicht, dass die Thematik schließlich und endlich auch in einem Film der Reihe, nämlich diesem, auf das Handlungstablett gelegt wird. Einen Film, der dramatisch beginnt. Ein Auto rast durch das nächtliche Amsterdam zu einem Krankenhaus. Schließlich schmeißt der unbekannte Fahrer einen bewusstlosen Mann vor der Notaufnahme aus dem Volvo. Der Mann ist der Polizist Alex Pollack (Hannes Jaenicke).

Schnitt – drei Monate früher.


Es ist das Video, das bereits im Anreißer zu dieser Rezension Erwähnung findet, das die Polizei auf die Spur der Golden Wings Logistic führt, einem Entsorgungsunternehmen, welches im Hafen von Amsterdam daheim ist. Der einzige Hinweis auf dieses Unternehmen als Urheber der Sauerei ist allerdings so dünn, dass er vor jedem Gericht dieser Welt in der Luft zerrissen würde. Abgesehen davon hat das Unternehmen dank ihrer Besitzerin Laura Lee einen blendenden Ruf. Die Unternehmerin hat das Entsorgungs- zu einem hochmodernen Recyclingunternehmen transformiert, das Wohlstandsmüll in die unterschiedlichsten Rohstoffe verwandelt, die dann zum Beispiel in Mode neue Verwendung finden. Außerdem ist sie als sozial engagierte Wohltäterin bekannt. Mit den dünnen Indizien gegen eine solch engagierte, beliebte Unternehmerin vorzugehen, ist kaum möglich. Es braucht einen handfesten Beweis, etwas Greifbares. Das ruft Pollack auf den Plan. Sein Teamleiter Bram de Groot gibt Pollack Grünes Licht für eine Undercover-Ermittlung. So arbeitet Pollack bald auf dem Hof mit der Identität eines deutschen Ex-Knackis. Er gibt sich arbeitsam, fleißig, loyal. So loyal, dass er eines Tages in die Nachtschicht versetzt wird, in der nicht immer direkt nach geltendem Arbeitsrecht gearbeitet wird. In dieser Schicht wird die Polizei einen Beweis dafür finden, dass Laura Lee keinesfalls die Lichtgestalt ist, als die sie dargestellt wird. Pollack hat einen Beweis. Die von ihm initiierte Razzia aber verläuft erfolglos. Irgendjemand aus dem Umfeld der Ermittler muss dem Unternehmen einen Tipp gegeben haben. Die drei Monate sind um – und Alex Pollack wacht im Krankenhaus auf …

Das alles klingt recht spannend und nach einem geradlinigen Thriller. Das ist dieser «Amsterdam-Krimi» aber leider nicht. Es fängt schon damit an, dass Pollack nach seinem Erwachen im Krankenhaus erst einmal eine schöne Amnesie braucht, um sich an nichts, was geschehen ist, erinnern zu können. Nichts gegen einen ordentlichen Gedächtnisverlust als dramaturgisches Spannungsmittel. Der März-Episode der ZDF-Thrillerreihe «Sarah Kohr» hat die Protagonistin gleichfalls auf die Suche nach ihren verloren gegangenen Erinnerungen geschickt – zufälligerweise auch im Rahmen eines Öko-Thrillers. Der Unterschied zwischen den beiden Filmen – besagter «Sarah Kohr»-Thriller ist ein ganz klar in eine Richtung fokussierter Film. Da ist die Hauptfigur, die beschuldigt wird, einen unschuldigen Mann erschossen zu haben; an das Geschehen kann sie sich nicht erinnern, folglich ist das gesamte Geschehen auf die eine Frage fokussiert: Was ist in der verhängnisvollen Nacht geschehen. An der Beantwortung dieser Frage hängt nicht mehr und nicht weniger als das Schicksal der Protagonistin.

Solch eine Fokussierung fehlt diesem Krimi aus der niederländischen Hofstadt vollkommen. Statt das Augenmerk ganz auf das Recyclingunternehmen und das eine Thema – Müllbeseitigung – zu richten, geht es bald auch um möglichen Drogenschmuggel. Okay, das kann man machen, sowohl für die (illegale) Müllentsorgung als auch den Drogenhandel ist eine ausgefeilte Logistik vonnöten, beide zu vereinen spart administrative Ressourcen und bringt doppelt Geld ein. Dann aber gibt es noch einen Nebenstrang, in den de Groots Ehefrau eine Rolle spielt – und das Thema Migration in den Mittelpunkt rückt. Natürlich in Form von Problemen – denn ist ein Thema gesellschaftlich relevant, muss es in Deutschland in einem Kriminalfilm verarbeitet werden! Das will das Gesetz. Also gibt es da einen Jungen, Sami, der seiner hart arbeitenden, alleinerziehenden Mutter helfen möchte, besser über die Runden zu kommen (während die Frau Mama will, dass er sich auf die Schule konzentriert, ist er doch ein sehr guter Schüler). Natürlich hört er nicht auf die Frau Mutter und da Jugendliche mit Migrationshintergrund natürlich alle einen Kamil kennen, der Jobs vermitteln kann, die schnelles Geld ohne lästige Steuerklärungen versprechen, gerät der eigentlich ganz sympathische Jüngling in krumme Müllmachenschaften, während Mevrouw de Groot ein Fußballturnier für junge Menschen wie Sami organisiert, das natürlich von wem unterstützt wird? Laura Lee. Daher ist Antje de Groot auch ein Fan der smarten Unternehmerin.

«Der Amsterdam-Krimi: Der Dreck der anderen» gelingt es, aus einer anfangs interessanten Geschichte sämtliche Originalität zu entfernen und bedient sich stattdessen gängiger Handlungmuster aus dem Kriminalfilmbausteinkasten „wie füge ich gesellschaftlich relevante Themen in einem Krimi zusammen“, ohne dabei tiefergehende Spannung zu erzeugen. Selbst die eingeführten Gedächtnisprobleme der Hauptfigur dienen lediglich als dramaturgischer Kniff, etwas Sendezeit zu strecken und verfehlen es, so etwas wie eine emotionale Ausnahmesituation zu erschaffen. Die Charaktere bleiben flach und stereotyp, befreit von echten Ecken und Kanten. So fehlt es dem ARD-Thriller am Ende auf allen Ebenen an Tiefe und Originalität.

Am Donnerstag, 18. April 2024, um 20.15 Uhr im Ersten

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