Interview

Thomas Horch: ‚In Zeiten knapperer Budgets sind Koproduktionen immer wichtiger‘

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Der Produzent von «Wien-Krimi: Blind ermittelt» erklärt, warum Philipp Hochmair für die Serie so wichtig ist. Außerdem kontert er die Kritik, Blinde müssten die Rolle verkörpern.

Wie wichtig sind Philipp Hochmair und Andreas Guenther als Hauptdarsteller von «Der Wien-Krimi»?
Extrem wichtig. Philipp Hochmair war von Anfang an unsere erste Wahl für die Rolle des blinden Ermittlers. Er ist ein fantastischer Schauspieler, der sich mit großer Sensibilität, Akribie und Leidenschaft vorbereitet. Zu unserer großen Freude hat er auch sofort zugesagt. Sehr schnell entstand dann die Idee eines österreichisch-deutschen Teams. Andreas Guenther, der ja eigentlich aus Graz stammt, aber in Deutschland sozialisiert wurde, erwies sich mit seiner „Berliner Schnauze“ als ideales Pendant. Die Beziehung der beiden hat über die Zeit eine sehr schöne Entwicklung erfahren und ist noch lange nicht auserzählt.

Die Produktion ist eine Zusammenarbeit zwischen ORF und der ARD. Wäre eine alleinige Umsetzung auch ohne Deutschland möglich?
Grundsätzlich wäre das denkbar gewesen. Allerdings werden in Zeiten knapperer Budgets Koproduktionen immer wichtiger. In Österreich haben wir ein sehr gutes Fördersystem. Dadurch verringert sich der Finanzierungsanteil der Sender deutlich und sie profitieren von einem tollen Preis-Leistungsverhältnis.

ORF und Das Erste strahlen die Filme meist zwischen Ostern und Pfingsten aus. Sind solche groben Termine wichtig, um Filmreihen zu etablieren?
Nicht unbedingt. Bei den ersten Filmen gab es noch keinen definierten Ausstrahlungsrhythmus und die Reihe hat sich trotz wechselnder Sendetermine erfolgreich etabliert. Glücklicherweise konnten wir über die Jahre eine verlässliche Fanbase aufbauen, die uns die Treue hält und immer noch wächst. Die letzten beiden Filme „Tod im Weinberg“ und „Tod an der Donau“ haben mit bis zu 22,4 Prozent Marktanteil im Ersten Bestwerte erzielt. Einige Wiederholungen im vergangenen Sommer haben sogar höhere Marktanteile erzielt als bei der Erstausstrahlung.

Immer wieder beschweren sich vereinzelt Menschen, weil Philipp Hochmair als Sehender einen blinden Kommissar verkörpert. Können Sie die Kritik nachvollziehen?
Es liegt im Wesen des Berufs eines Schauspielers/einer Schauspielerin, sich in die Psyche und auch Physis einer Rolle im Sinne größtmöglicher Authentizität einzufühlen. Wenn wir bei der Besetzung künftig aber in erster Linie bestimmte körperliche Dispositionen zugrunde legen, beschränken wir uns auf eine Weise, die dem kreativen Prozess nicht guttut. Ganz klar ist aber auch, dass wir im Hinblick auf Diversität und Inklusion noch besser werden können, um gesellschaftliche Realitäten adäquat abzubilden. Im Fall von Alex Haller hat sich Philipp Hochmair der Rolle von Anfang an mit großer Ernsthaftigkeit und Empathie genähert. Um sein Spiel weiter zu verfeinern, hat er im vergangenen Herbst erneut ein Training beim Blinden- und Sehbehindertenverband Wien absolviert, dessen Anregungen wir aufnehmen und der es im Übrigen sehr unterstützt, dass dem Thema Blindheit mit der Rolle eines blinden Ermittlers in der Primetime Sichtbarkeit verschafft wird.

Aber Sie würden vermutlich Hochmair auch wieder als Alex Haller besetzen?
Selbstverständlich. Aus den besagten Gründen.

„Tod im Kaffeehaus“ ist der erste neue Fall, den die Zuschauer zu sehen bekommen, der fängt dramatisch an. Hallers Freund wurde angeschossen. Was ist denn da passiert?
Alex wird von seiner Vergangenheit als Kommissar eingeholt. Ein ehemaliger Kollege und Freund, der wegen Mordes an seiner Frau im Gefängnis saß, wird nach seiner Entlassung angeschossen und bittet ihn um Hilfe. Das ruft in Alex alte Zweifel hervor und das ungute Gefühl, seinen Freund damals im Stich gelassen zu haben, als er den Fall aus Befangenheit abgegeben hatte. Umso mehr stürzt er sich jetzt in die Ermittlungen und bringt dabei nicht nur sich selbst in Gefahr, sondern setzt auch die Freundschaft mit Niko aufs Spiel.

Sie haben den Kabarettisten Wolfgang „Fifi“ Pissecker in die Folge eingebaut. Hat sich das gelohnt?
Wolfgang „Fifi“ Pissecker ist ein Wiener Original, der als Kabarettist und Schauspieler große Sympathien genießt. Bei der Rolle des Harald Nusser hatten wir einen klassischen Wiener Strizzi vor Augen, den Wolfgang mit einer unwiderstehlichen Mischung aus Wiener Schmäh und charmanter Durchtriebenheit perfekt verkörpert.

In der Folge „Tod im Palais“ wird über den Dächern von Wien eine Leiche eines Priester-Anwärters gefunden. Was passiert in diesem Film?
Ein Bekannter von Alex, der Leiter des Wiener Priesterseminars, bittet ihn um Hilfe, da einer seiner Seminaristen vermisst wird. Als dieser kurz darauf tot aufgefunden wird, führt die Spur zu einer angesehenen Wiener Adelsfamilie – den Brohnsteins. Neben einem spannenden Plot bieten wir immer gerne gewisse Schauwerte – den unverwechselbaren Wiener Flair. Die Szenen, die im Palais der Brohnsteins spielen, wurden im Palais Rasumofsky gedreht – ein Paradebeispiel für die Pracht klassizistischer Wiener Architektur, die eine gewisse Grandezza ausstrahlt.

Drehschluss der neuen Filme war erst Mitte Dezember. Hat die Post-Production-Crew aufs Eiltempo gedrückt?
Dieses „Eiltempo“ ist seit drei Jahren gelernt. Der Rhythmus „Dreh im Herbst/Winter – Ausstrahlung im darauffolgenden Frühjahr“ funktioniert dank der Profis in der Postproduktion bestens. Großen Anteil daran, dass der ambitionierte Zeitplan eingehalten werden kann, hat nicht zuletzt auch die vertrauensvolle und langjährige Zusammenarbeit mit den beiden Redaktionen – Andrea Bogad-Radatz und Nina Fehrmann-Trautz beim ORF sowie Sascha Mürl und Katja Kirchen auf Seiten der ARD Degeto. Alle zusammen bilden ein eingespieltes Team, das sich aufeinander verlassen kann.

Werden neue Episoden produziert? Welche Sehenswürdigkeiten von Wien würden Sie gerne in die Reihe einbauen?
Ja, es geht weiter! Wir sind in der Vorbereitung für die Folgen 12 und 13, die im Herbst 2024 gedreht werden. Auch dieses Mal haben wir wieder klassische Wiener Sujets gefunden. Folge 12 ist im Tiergarten Schönbrunn angesiedelt, dem ältesten Zoo der Welt. Und in Folge 13 befassen wir uns mit einem der bekanntesten österreichischen Geistesgrößen – Sigmund Freud.

Vielen Dank für Ihre Zeit!

«Der Wien-Krimi: Blind ermittelt» geht weiter. Folge „Tod im Kaffeehaus“ am 2. Mai und Folge „Tod im Palais“ am 9. Mai um 20.15 Uhr im Ersten und ab dem Vortag in der ARD Mediathek.

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