Mit Geschichten von der Hamburger Reeperbahn, von alltäglichen Brennpunkten, von Polizei und Rettungskräften und mit Putzteufel-Experimenten versuchte RTLZWEI in den vergangenen Jahren, das Publikum am Donnerstag zu unterhalten. Doch der Erfolg ließ immer mehr nach, so dass Anfang des Jahres auch der Dauerbrenner «Hartes Deutschland» an seine Grenzen stieß. Ende Februar rief der Grünwalder Sender dann die Revolution aus. Statt mit Sozialreportagen wollte man mit Unterhaltungsshows punkten, die zudem als einstündige Sendungen produziert wurden.
Kurze Showformate in der Primetime waren - abgesehen vom RTL-Lückenfüller «Blamieren oder Kassieren» - in den letzten Jahren so selten wie die Blaue Mauritius im Briefkasten um die Ecke. Um den Marktanteil in die Höhe zu treiben, dauern Sendungen heute nicht selten bis Mitternacht oder sogar noch später. Auch unter der Woche gehört es zum guten Ton, bis nach 23:00 Uhr auf Sendung zu bleiben. Damit ist RTLZWEI geradezu ein Einhorn in der deutschen Fernsehlandschaft, wenngleich auch Sat.1 zuletzt nicht mehr ganz so lange sendete und manche Quizsendungen am Donnerstag um kurz nach 22:00 Uhr endeten.
Das Prunkstück von RTLZWEI bildete die Neuauflage der einstigen Sat.1-Show «Genial daneben», die um 20:15 Uhr bis in den April hinein stets solide bis gut funktionierte. In den vergangenen beiden Wochen rutschte das Ergebnis aber unter den Senderschnitt und erreichte nur noch 3,3 und 3,7 Prozent in der werberelevanten Zielgruppe. Im Vergleich zu den zweistündigen Sozialreportagen zu Beginn des Jahres lag aber die Sehbeteiligung etwas höher. «Hartes Deutschland» verzeichnete durchschnittlich 0,46 Millionen Zuschauer, während das von Hugo Egon Balder präsentierte Comedy-Format 0,59 Millionen Zuschauer einfuhr. Die Zielgruppen-Marktanteile bewegten sich bei 4,3 Prozent («Hartes Deutschland») und 4,0 Prozent («Genial daneben»).
Während zu Beginn der Primetime der Plan aufzugehen scheint, liegt das Problem aber in der 21-Uhr-Stunde. Dort liefen zuletzt die Spielshows «Ein Haus voller Geld» und die zweite «Glücksrad»-Staffel mit Guido Cantz und Sonya Kraus. Die von Oliver Pocher präsentierte Geld-Such-Show erwischte am 29. Februar mit 4,3 Prozent einen guten Start. Dafür wählte RTLZWEI einen Tag aus, an dem RTL keine Fußball-Übertragung im Programm hatte. Am 7. März, als der SC Freiburg auf West Ham United traf. Bei RTLZWEI rutschte die Quote von annehmbaren 3,7 auf 2,5 Prozent. Auch die Sendung von Mitte März blieb mit 3,0 Prozent hinter den Erwartungen zurück. Die vorerst letzte Folge konnte dann auch nichts mehr anrichten, obwohl im Gegenprogramm kein König Fußball lief. Mit 2,4 Prozent setzte es sogar einen neuen Tiefstwert.
Eine ähnliche Reise machte auch «Glücksrad» ab dem 28. März durch. Der Staffelauftakt lief gegen die RTL-Doku-Soap «Bushido & Anna-Maria – Alles auf Familie», die mit 6,6 Prozent unterging. RTLZWEI holte mit der Spielshow für Senderverhältnisse tolle 5,1 Prozent bei den 14- bis 49-Jährigen. Schon gegen «Team Wallraff» lief es mit nur noch 3,4 Prozent deutlich schwächer. Am 11. und 18. April war „Land unter“ angesagt, als die Einschaltquote auf mickrige 1,7 und 1,8 Prozent schrumpfte.
Während «Ein Haus voller Geld» und «Glücksrad» sich jeweils mit den ersten Halbzeiten der UEFA Europa League messen mussten, ging es für «Genial daneben» und «NightWash» ab 22:20 Uhr gegen die zweiten Spielabschnitte. Die Wiederholungen des lustigen Frage-Antwort-Spiels waren mäßig erfolgreich, die Marktanteile bewegten sich zwischen 3,6 und 2,4 Prozent. «NightWash», ebenfalls eine ehemalige Sat.1-Show war zum Auftakt mit 4,4 noch ein Erfolg, mit 2,6 Prozent in Woche zwei – ohne Fußball als Konkurrent – aber bereits schwächer unterwegs. Gegen den designierten Deutschen Meister Bayer Leverkusen Mitte des Monats sanken die Werte auf 1,8 und 1,7 Prozent. Vergangene Woche holte man immerhin 4,5 Prozent, aber es lief eben auch kein Fußball.
RTL setzt seit Jahren am Donnerstag auf die UEFA Europa League oder die UEFA Europa Conference League. Der Sendeplatz hat sich inzwischen etabliert, und je weiter der Wettbewerb vorangeschritten ist, desto höher fallen die Reichweiten und Marktanteile aus. Die zweite Halbzeit des Viertelfinal-Rückspiels zwischen West Ham United und Bayer Leverkusen verfolgten zuletzt fast sechs Millionen Zuschauer, sodass RTL auf Marktanteile jenseits der 30 Prozent bei den Umworbenen kam. Die Revanche mit der AS Rom im Halbfinale wird also wieder ein voller Erfolg.
RTLZWEI dagegen wird an den kommenden beiden Donnerstagen höchstwahrscheinlich wieder leiden müssen. Damit dürfte der gelungen Einstand von «Genial witzig» mit 4,3 Prozent ohne Effekt bleiben. Auch die neue von Oliver Pocher moderierte Show «Dinge gibt’s…!» wird es am 9. Mai nicht einfach haben. Da das Europa-League-Finale am Mittwoch, den 22. Mai, ausgetragen wird, hätte sich RTLZWEI in Geduld üben sollen, um den Donnerstag-Neustart auf die Bildschirme zu bringen. So wird das «Dinge gibt’s..:!»-Debüt unter dem Radar fliegen, sodass man Gefahr läuft auch in Woche zwei im Nirgendwo zu versanden. Spannend wird derweil, was RTL abseits der Europapokal-Übertragungen am Donnerstag bis zum Start der Europameisterschaft plant. Sämtliche Reportage-Sendungen waren nur selten von Erfolg gekrönt.
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