Die Kino-Kritiker

Eine gefährliche Zugreise: «Bullet Train»

von

David Leitch hat Brad Pitt in einen japanischen Zug gepackt, der mit Vollgas durchs Land rast. Kommen alle unbeschadet an?

Filme, die in einem Zug spielen, sind per se schon mal spannend! Die Kulisse ist klar, das Personal überschaubar und die Story zielführend, weil es meist um die Aufklärung eines Verbrechens geht. Alfred Hitchcock («Eine Dame verschwindet») war darin ebenso ein Meister wie Agatha Christie («Mord im Orient-Express»). Mittlerweile ist das Bahnfahren aber so viel schneller geworden, dass auch eine Fahrt in Hochgeschwindigkeitszüge immer mehr Erzähltempo verlangen. In Japan rasen sogenannte Schinkansen-Züge mit 320 Stundenkilometer von Tokio bis nach Kyoto. Man nennt sie auch „Bullet Train“, und so lautet auch der neue Actionkracher nach dem gleichnamigen Roman von Kotaro Isaka. Ein Zug, fünf Killer und ein Koffer voller Geld, heißt es dazu. Genau die richtigen Zutaten für einen starbesetzten Blockbuster, der seinem Publikum einen ordentlichen Adrenalinstoß verabreichen will - und das mit einem Plot im Zickzackkurs, der rasant runtergerasselt wird.

Höllenfahrt nach Kyoto
Ladybug (Brad Pitt) ist nur ein Kosename, unter dem der routinierte Auftragskiller einen neuen Job übernimmt. Eigentlich ist er nur für einen krank gewordenen Kollegen eingesprungen, aber nach einem kürzlich absolvierten Anti-Aggressionstraining sehnt er sich eigentlich nur nach Ruhe und Frieden und will nur noch das Gute im Menschen sehen. Seine Auftraggeberin (Sandra Bullock) muss ihn da schnell noch erinnern, dass das kontraproduktiv zu seinem Beruf wäre, und schon sitzt Lovebug im ‚Bullet Train‘, um auf der Fahrt von Tokio nach Kyoto einen silbernen Aktenkoffer zu klauen. Der ist voller Geld und wird von den beiden Killern Tangerine (Aaron Taylor-Johnson) und Lemon (Brian Tyree Henry) bewacht, die aber gerade vom Sohn (Logan Lerman) ihres Auftraggebers White Death (Michael Shannon) abgelenkt sind, den sie aus den Fängen von Kidnappern befreit haben. Koffer und Sohn sollen in Kyoto abgeliefert werden. Doch das Gepäck ist geklaut und der Sohn ist plötzlich auch noch tot. Er wurde von Prince (Joey King) eliminiert, als Tangerine und Lemon nach dem Koffer suchten. Mit Wolf (Bad Bunny) steigt an der nächsten Station noch ein weiterer Gunman ein, der es wiederum auf Lovebug abgesehen hat. Ihm sinnt es genauso nach Rache wie Hornet (Zazie Beetz), die sich längst versteckt an Bord befindet, im Lovebug im passenden Moment abzumurksen.

Brad is Bad
Alle Auftragsmörder verfolgen ihren eigenen Plan, aber natürlich ist Brad Pitt das Aushängeschild dieses Films. Als großer Star wird ihm daher die meiste Leinwandzeit zugestanden, was ihm auch vergönnt ist. Brad gehört als Attentäter zwar zu den Baddys, aber schon in «Mr. & Mrs. Smith» und «Killing Them Softely» war es ihm ein Anliegen, das coole Image dieser ‚Berufssparte‘ spitzbübisch zu unterlaufen. Auch Lovebug verkörpert Pitt mit einer gehörigen Portion Ironie, aber auch mit Charme, weshalb er in «Bullet Train» alle Sympathien des Publikums bekommt und von den sich immer weiter zuspitzenden Ereignissen genauso überrascht wird wie wir. Aaron Taylor-Johnson («Kickass»), Brian Tyree Henry («Eternals») und Joey King («White House Down») haben natürlich auch ihre Szenen, in denen sie auf Hochtouren kommen dürfen, während die Figuren von Zazie Beetz («Joker») und Bad Bunny («Narcos: Mexiko») ein bisschen zu schnell abgehandelt werden. Aber die Zeit drängt nun mal, und zwei Stunden reichen nicht aus, allen Figuren das gleiche Gewicht zu geben, zumal nicht nur die fünf Killer ins Zentrum geraten, sondern noch etliche Randfiguren hinzukommen, die im Laufe der Handlung an Bedeutung gewinnen.



Bitte nicht aussteigen!
Aus Spannungsgründen sollte darauf jetzt aber nicht näher eingegangen werden. Denn die Story hält etliche Twists und Turns bereit, die das Publikum hin und wieder auf eine falsche Fährte locken sollen, dann aber auch Erklärungen schaffen, wie die verschiedenen Aufträge der fünf Attentäter nun eigentlich zusammenhängen, um am Schluss ein großes Ganzes zu ergeben. Also bitte nicht aussteigen, wenn anfangs noch alle Fäden scheinbar lose nebeneinander laufen. Wobei über allen der Spaßfaktor dominiert. Denn «Bullet Train» ist in erster Linie eine Actionkomödie, die sich mit dem Stil von Quentin Tarantino («Inglourious Basterds») oder Guy Ritchie («Snatch») vergleichen lässt, eine Mischung aus rabiaten Gewaltszenen und sarkastischem Humor. Mit beiden Regisseuren hatte es übrigens auch schon Brad Pitt zu tun gehabt, weshalb es ihm nicht schwergefallen sein dürfte, diesmal den Regieanweisungen von David Leitch zu folgen. Leitch hat 20 Jahre lang als Stuntman gearbeitet und doubelte auch immer wieder Brad Pitt, u.a. in «Fight Club» und «Ocean‘s 11», bevor er sich 2014 für «John Wick» erstmals in den Regiestuhl setzte. Leitch weiß also, worauf es bei einem Actionfilm ankommt, der nicht mehr als unterhalten will.

Fazit: Ein Spaß mit handfesten Kampfszenen und blutigen Schiessereien, der manchmal aber übers Ziel hinausschießt. Denn hin und wieder stockt einem schon mal der Atem, mit welcher Geschwindigkeit sich hier auch die Toten stapeln.

«Bullet Train» gibt es derzeit bei Netflix.

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