Serientäter

«Inspector Rishi»: Tamilische Serie agiert zwischen Thriller und Horror

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Der Tod eines bekannten Naturfotografen in einem geschützten Waldgebiet gibt Rätsel auf. Aus diesem Grund entsendet die oberste Polizeibehörde von Chennai den wortkargen Inspector Rishi in die Provinz von Tamil Nadu, um den dortigen Polizeikräften bei den Ermittlungen zu helfen. Der Fotograf bleibt jedoch nicht das einzige Opfer eines Täters, der möglicherweise vieles sein mag, eines aber offenbar nicht: menschlich!

«Inspector Rishi»

  • Ot: இன்ஸ்பெக்டர் ரிஷி
  • Indien 2023
  • Showrunner, Drehbuch und Regie: J. S. Nandhini
  • Besetzung: Naveen Chandra, Sunaina Yella, Kanna Ravi, Kumaravel, Malini Jeevarathnam, Srikrishna Dayal
  • Musik: Ashwath
  • Kamera: Bargav Srindhar
  • Produkionsfirma: Make Believe Productions
«Inspector Rishi» ist eine indische Prime-Originalproduktion. Und es ist erfrischend, dass Prime seine Eigenproduktionen ebenso international verwertet wie Netflix und damit dessen Motto „make local global“ kopiert. Dafür muss das Publikum in diesem Fall jedoch einige Entbehrungen in Kauf nehmen. Zum Beispiel eine deutsche Synchronisation. Wer nicht gerade Tamilisch spricht, braucht zumindest Englischkenntnisse, um der Serie folgen zu können. So ist sie zumindest untertitelt.

Der fiktive Thaenkaadu Forests in Tamil Nadu – vor 20 Jahren: In einem kleinen Dorf ohne jegliche moderne Infrastruktur gehen die Menschen ihrem Tageswerk nach. Sie lachen, sie feixen, die Atmosphäre wirkt entspannt. Ein Fest steht an und festlich gewandet, singend, mit Blumen geschmückt, ziehen die Dorfbewohner am Abend in eine Höhle, um dort ein Ritual zu vollziehen: Die Anrufung des Vanaratchi, einem mystischen, weiblichen Wesen, das den Wald beschützen soll. Dieses Ritual lässt sich allerdings nur dadurch vollziehen, dass die Menschen aus dem Dorf einen gemeinschaftlichen Suizid begehen und sich allesamt in ein zuvor entzündetes Feuer stürzen …

20 Jahre später. Die selbstbewusste Polizistin Chitra und ihr Kollege Ayyanar sind nicht gerade begeistert, als ihnen zu Beginn ihrer Ermittlungen in dem Mordfall an einem Naturfotografen ein Kollege aus der Provinzhauptstadt Chennai zugeteilt wird, der die weiteren Ermittlungen leiten soll. Inspector Rishi Nandhan ist ein wortkarger Kommissar, der offenbar nicht ganz freiwillig in die Provinz versetzt worden ist. Schnell stellen Chitra und Ayyanar jedoch fest, dass Rishi kein arroganter Großstädter ist, der seine Kollegen von oben herab betrachtet, sondern eher ein in sich gekehrt Grübler, der sich von den äußeren Umständen des Leichenfundes nicht irritieren lässt. Umstände, die durchaus als irritierend betrachtet werden dürfen. Die Leiche des Fotografen nämlich ist in einen Kokon eingewickelt, von dem niemand erklären kann, wie er entstanden ist. Der Mann, das ergibt die Obduktion, hat einen Herzstillstand erlitten. Wie es zu diesem gekommen ist, stellt die Gerichtsmedizin jedoch vor ein nicht weniger irritierendes Rätsel. Die einzigen verwertbaren Spuren stammen denn auch aus dem Wald. Auf der Suche nach weiteren Spuren kommt es zu einem Zwischenfall, bei dem eine Angehörige der Forest Police glaubt, ein Wesen zu sehen, das menschliche Züge aufweisen mag, aber definitiv kein Mensch ist.

«Inspector Rishi» ist ein interessanter Genremix, der seine Vorbilder keinesfalls im Horrorfilmgenre sucht, sondern eher im britischen Kriminalfernsehen. Rishi ist ein Mann, dessen Stille aus einer Verletzung resultiert. Er ist auf einem Auge blind. Die Verletzung aber, die zu dieser Blindheit geführt hat, geht deutlich tiefer. Etwas Fürchterliches ist in Chennai geschehen, womit dieser Mann noch längst nicht abgeschlossen hat – und was mit den Geschehnissen rund um den Wald korrespondiert, wo es nicht bei einem Leichenfund bleibt. Allein scheinen die Opfer willkürlich ausgewählt worden zu sein. Da ist der Naturfotograf aus Delhi, der keine Verbindungen zur Region hat. Da ist ein Spediteur, ein unbescholtener Geschäftsmann, …

Der Fall ist spannend, dennoch gerät die Serie aus dem dramaturgischen Tritt, da sie ein Figurenensemble aufbaut – und einer jeden Figur ihre eigene Geschichte zugesteht. Das ist auf den ersten Blick nicht zu kritisieren, denn dadurch erhalten die Figuren ordentlich Konturen. Dieses Figurenzeichnen zieht die Spielzeit jedoch unnötig in die Länge. Wenn nach zehn Episoden die Frage im Raum steht, ob fünf oder sechs Episoden nicht ausgereicht hätten, dann wird das Problem ersichtlich. Gerade im Mittelteil der Laufzeit verliert sich «Inspector Rishi» regelrecht in den Figurenporträts und vergisst dabei die eigentliche Handlung. Was nicht nur der Sichtweise des europäischen Rezensenten entspricht. Auch eine ganze Reihe indischer Besprechungen bemängeln die ausgedehnte Laufzeit. Dennoch lohnt es sich, am Ball zu bleiben. Vor allem die letzten beiden Episoden reißen es raus. Die Spannung ergibt sich ab diesem Moment vor allem aus der Frage: Ist «Inspector Rishi» eine Krimiserie über einen Serienkiller? Oder ist es eine Horrorserie über ein mörderisches, mystisches Wesen in einem Wald im Süden Indiens, wie es der Prolog behauptet? Gerade dieses Nicht-Wissen ist ungemein reizvoll, denn gerade in dem Moment, in dem klar zu sein scheint, dass das Vanaratchi echt ist und die Polizisten tatsächlich ein mystisches Wesen jagen, nehmen die Ermittlungen eine Wendung, die dieses Wissen in Frage stellt. Also gibt es doch eine rationale Erklärung? Gibt es keine?



Am Ende braucht es Sitzfleisch, um die Serie bis zum Ende durchzustehen. Gerade der zweite Akt mit seinen ausgedehnten Charakterzeichnungen weckt die Lust, die Return-Taste der Fernbedienung zu betätigen, um sich einem anderen Serienabenteuer hinzugeben. Mit seinen überraschenden Twists am Ende aber wird das Durchhalten auf eine angenehme Art und Weise belohnt.

Amazon Prime hat «Inspector Rishi» seit 29. März im Programm.

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