Interview

Timo Berndt: ‚Die Probleme in der Pflege sind für niemanden zu übersehen‘

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Der neue «Ein starkes Team» dürfte dem ZDF wieder Top-Werte bescheren. Im Quotenmeter-Gespräch erzählt der Autor auch über die Programmierung der Reihe.

Ihr neuer Spielfilm von «Ein starkes Team» läuft eingerahmt von der Leichtathletik-Europameisterschaft am Samstagabend. Freut Sie das, dass es eine andere Programmfarbe als Vorläufer gibt?
Ich bin überzeugt, das Platzieren der Spielfilme ist grundsätzlich eine Wissenschaft für sich. So etwas setzt spezielle Erfahrungen und wohl auch den Besitz einer Glaskugel voraus, die ich als Autor nicht habe. Es gilt ja nicht nur die aktuellen Ereignisse, wie in diesem Beispiel die Europameisterschaft, im Blick und Kalender zu haben, sondern auch das Gegenprogramm zu bewerten. Aber vielleicht lockt ein großes Sport-Ereignis tatsächlich jene Zuschauer an, die bislang nicht auf das «Starke Team» gesetzt haben. Das Format existiert seit 1994; ein gewaltiger Marathon, wie ich finde. Umso bemerkenswerter, dass da keine Ermüdungserscheinungen aufkommen. Was ja durchaus „sportlich“ ist und so gesehen zu Ihrer Frage passt.

Im Gegenprogramm läuft keine Krimi-Konkurrenz, sondern «Schlagerboom Open Air» mit Florian Silbereisen. Führt dies dazu, dass die Reichweite bei «Ein starkes Team» ansteigt?
Wie gesagt, ohne Glaskugel kann ich als Laie nur raten und rätseln. Wer Krimis mag, will keine Schlager hören; so einfach wären solche Berechnungen und Voraussagen sicherlich nicht. Aber so viel sei verraten: In der Folge „Tod einer Pflegerin“ wird nicht gesungen, getanzt oder musiziert. Wer einen „Whodunit“ sehen möchte, schaltet zu der Zeit das ZDF ein. Das wäre mein Tipp.

Der neue Film „Tod einer Pflegerin“ behandeln Sie zahlreiche heikle Themen. Unter anderem sprechen Sie das Thema Suizid an. Wie wichtig war Ihnen das Thema?
Wir versuchen, jene Themen und Welten zu erzählen, die nah am Publikum sind und Teile des normalen Lebens abbilden. Dazu gehören dann auch Zeiten innerer Verzweiflung. In dieser Folge spielt ein zurückliegender Suizid im Hintergrund der Figuren eine Rolle und ist nicht das zentrale Thema. Trotzdem ist es wichtig, so etwas in jedem Fall ernst zu nehmen. Wenn man Geschichten erzählt, die nah an der Realität der Zuschauer liegen, berührt man zwangsläufig auch tatsächliche Erlebnisse und Gefühle. Das sollte man im Hinterkopf behalten und damit verantwortungsvoll umgehen.

Auch die Arbeitsverhältnisse spielen in der Pflege eine wichtige Rolle. Inwieweit schaut Ihr Buch darauf?
Die Probleme in der Pflege sind für niemanden zu übersehen. Es geht dabei um mehr als um fehlendes Geld oder den Arbeitskräfte-Mangel, der unbestreitbar ist. Es geht um das Altern, um die Würde und Perspektive. Das Entscheidende dabei vergisst man leicht: Wir alle werden alt und älter. Irgendwann braucht jeder diese wertvolle Hilfe. Das ist unausweichlich, klingt vielleicht nicht schön, ist aber so. Welche Möglichkeiten gibt es und wie sichert man sich ab? Wie plant man sein Alter angesichts der offenkundigen Mängel im System? Das ist durchaus Thema des Films. Und dazu zählen nun mal beide Seiten. Es geht nicht nur um Bewohner, sondern auch um die Pflegekräfte selbst, die ebenfalls nur unglücklich sein können angesichts der Situation in den Pflegeheimen. Ich denke, wir haben da mit unserem Film den richtigen Ton getroffen.

Gleichzeitig war es spannend, sich zu überlegen, welche Haltungen und Ideen innerhalb des «Starken Teams» zum Thema Alter und Pflege existieren. Und siehe da, die Figuren Linett Wachow und Otto Garber haben ganz eigene Ansätze. Sogar unser Sputnik kommt in dieser Frage zu Wort.

Das Ehepaar Heinssen, dass das Pflegeheim leitet, soll sich der Erbschleicherei schuldig gemacht haben. Kommt so etwas öfters vor?
Geldgier ist ein universelles Motiv. Einsamkeit im Alter lädt ein zur Erbschleicherei. Das ist nur logisch. Im Strafgesetzbuch steht kein eigener Paragraf zur Erbschleicherei, aber es greifen die Heimgesetze. Und die besagen, dass Pflegeheime, Pfleger und deren Verwandte keine Erbschaften von Bewohnern annehmen dürfen. Solche Gesetze gäbe es nicht, wenn diese Form der Erbschleicherei nicht existierte. Oder? Bei lohnender „Beute“ wird gegen Recht verstoßen. Das ist nicht neu und liegt in der menschlichen Natur. Ich würde Ihre Frage also mutig mit Ja beantworten.

Haben Sie für diesen Film recherchiert? Waren Sie in mehreren Pflegeheimen zu Gast?
Ich habe bei diesem Thema auf Erzählungen und Erfahrungen im Verwandtenkreis zurückgreifen können. Nicht so sehr aus Patienten-Sicht als vielmehr aus der Perspektive einer Altenpflegerin. Glauben Sie mir, bei mancher Schilderung stehen einem die Haare zu Berge. Fehlende Zeit für die Bewohner und ihre Bedürfnisse ist das Hauptthema, mangelnder Respekt und so manches Mal die Verkennung der eigentlichen Aufgabe, für die es vorne und hinten nie reicht; nämlich älteren Mitmenschen ein Zuhause, eine Zuflucht zu geben, die nicht selten Familie ersetzen muss.

Doch es gibt auch die erfreulichen Gegenbeispiele, die wir in dieser Krimi-Folge ebenfalls erzählen. Auch das basiert dann auf Beobachtungen: In meiner Nähe liegt ein Altenheim, das eigentlich eine Mischung aus Wohngemeinschaft, Altenpflege und Selbstbestimmung ist. So etwas kann eine Lösung sein, wenn man im Alter allein ist und nicht auf die Familie setzen kann.

Tanja Schleiff, Beat Marti und Helene Sattler sind in Gastrollen zu sehen. Waren Sie beim Casting-Prozess anwesend?
Es ist für mich sehr spannend zu sehen, wie ein Buch und die hundert Seiten schließlich zum Leben erweckt werden. Das Casting ist dabei einer der entscheidenden Schritte, gar keine Frage. Allerdings muss ich gestehen, dass ich als Außenstehender nicht wirklich erfassen kann, was mit diesen Entscheidungen einhergeht. Ich lasse mich darum überraschen und wenn man mit Profis arbeitet, wird man auch nicht enttäuscht. Für das Projekt «Ein Starkes Team» gilt dieser Grundsatz ganz sicher.

Johannes Grieser übernahm die Regie. Sprach er gewisse Punkte mit Ihnen ab?
Johannes Grieser kenne ich, seit ich für das ZDF schreibe. Mein erstes ZDF-Drehbuch («Tödliches Vertrauen», 2002) wurde unter seiner Regie zum Film. Das ist mehr als zwanzig Jahre her, aber das vergesse ich natürlich nicht. Damals war es eine gute Zusammenarbeit. Und dasselbe kann ich nach all der Zeit auch zu diesem Projekt wieder sagen. Wir haben mehrere gemeinsame Filme.

Was zwar fast ein bisschen Klischee ist, kommt in unserer Zusammenarbeit hin und wieder auch vor und soll nicht unerwähnt bleiben: Es fliegen auch mal die Fetzen. Erstaunlicherweise meist wegen Kleinigkeiten. Aber das gehört bei engagierter Zusammenarbeit mit Johannes dazu. Am Ende steht jedes Mal ein guter, sehenswerter Film, für den ich mich nur bedanken kann. Und darauf kommt es mir an.

Sprechen Sie sich mit Leo P. Ard eigentlich ab, um die verschiedenen «Ein starkes Team»-Episoden zu koordinieren?
Als Autor arbeitet man nicht einfach so vor sich hin und überrascht sein Umfeld mit schönen, neuen Ideen. Bei so einem lang erfolgreich laufenden Format braucht es im wahrsten Sinne ein starkes Team, das die Fäden zusammenhält, eine Richtung vorgibt und die Kräfte koordiniert. Meine Ansprechpartner sind vorwiegend die ausführende Produzentin Vanessa Richter und der Produzent Simon Müller-Elmau, über die alle Dinge vom Stoff-Vorschlag bis hin zu den Überarbeitungen laufen. Das betrifft auch die Anpassungen, die während der Produktionsvorbereitung nötig werden. Ein spannender Prozess, aber für die Produzenten kein einfacher Job. Das gilt auch für die Senderseite, auf der Matthias Pfeifer als Redaktionsleiter und Koordinator für den Samstagskrimi entscheidenden Input gibt. Also eigentlich bin ich Nutznießer dieses routinierten Netzwerks, das somit auch Sicherheitsnetz ist. Denn ich muss zugeben, bei 100 existierenden Folgen «Ein Starkes Team» fehlt mir als beteiligtem Schreiberling dann doch hier und da mal der Überblick, was schon erzählt wurde oder Thema war. Auch bei bestimmen Eigenschaften oder Hintergründen zu Figuren frage ich schon mal nach.

Meinen Schreib-Kollegen Leo P. Ard sehe ich in Video-Calls, wenn es um grundlegende Richtungen des Formats geht. Der „Leopard“ Jürgen Pomorin hat mir dabei Einiges voraus. Auf die Geschwindigkeit und Treffsicherheit seiner Ideen bin ich heimlich hin und wieder neidisch. Insbesondere aber darauf, dass die quotenstärksten Folgen vom «Starken Team» in seiner und nicht in meiner Vita stehen. Aber diese kleine Schmach zu beenden, daran arbeite ich natürlich eifrig. Ha!

Sie sind seit über zehn Jahren an Bord. Hat es Vorteile, dass Sie und Leo P. Ard bis auf wenige Ausnahmen fast 40 Episoden schrieben?
Leo P. Ard hat deutlich mehr Bücher für das «Starke Team» beigetragen als ich. Da muss ich ehrlich zu mir sein: Da hole ich den Kollegen niemals nie nimmer nicht mehr ein. Aber natürlich ist es durchaus von Vorteil, wenn das Team der Schreiber klein ist. Das hat mit dem „Kontakt“ zu den Figuren und der Erzählwelt zu tun. So bleibt eine gewisse Handschrift für das Format erhalten. Und das ist nicht zu unterschätzen.

Vielen Dank für die spannenden Antworten!

«Ein starkes Team» wird am Samstag, den 8. Juni, um 20.15 Uhr ausgestrahlt.

Kurz-URL: qmde.de/151902
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