Welche Motivation stand hinter der Produktion von «Du sollst hören» und was hat Sie persönlich dazu bewegt, dieses Projekt zu unterstützen?
Die Produzentin Simone Höller, die zu der Zeit für die FFP, New Media arbeitete, hat mich als Regisseurin dazu geholt. Sie hat gemeinsam mit der Autorin Katrin Bühlig und ihrem Team diesen Stoff für das ZDF entwickelt und ich war von Anfang an fasziniert von dem Projekt. Das außergewöhnliche Thema war quasi „Neuland“ und erforderte in vielen Bereichen einen anderen und offenen Zugang, was ich sehr spannend fand.
Wie haben Sie die Zusammenarbeit zwischen hörenden und gehörlosen Teammitgliedern am Set organisiert und welche Herausforderungen gab es dabei?
Eigentlich ab dem Moment, wo der Film konkret wurde, begann eine intensiver Austausch mit der Gehörlosen Community. Die direkte Zusammenarbeit zwischen Tauben und Hörenden unter der Hilfe mit Übersetzer:innen begann schon sehr früh - allein bei dem ersten Casting für die gehörlosen Rollen.
Die Autorin Katrin Bühlig musste die Dialogszenen mithilfe von Gebärdensprachenlehrer:innen und Signcoaches auf die Grammatik und Wortwahl der Gebärdensprache umschreiben. Und auch nach der Leseprobe bei der alle hörenden und nichthörenden Schauspiel:innen zum ersten Mal alle zusammen waren und wir die Szenen und Dialoge durchgingen, musste noch einiges geändert und angepasst werden.
Was waren Ihre Gedanken, als der Film beim Signlight International Film Festival in fünf Kategorien ausgezeichnet wurde? Haben Sie damit gerechnet?
Da war erstmal nur eine große, große Freude - und eine Überraschung. Ich habe nicht damit gerechnet, dass der Film über ein Jahr nach der Premiere auf dem Filmfestival Ludwigshafen und der Fernsehpremiere solch eine erfolgreiche Reise zu internationalen Filmfestivals macht, viele Preise und eine große Aufmerksamkeit bekommt.
Einerseits ist es ganz wunderbar, dass das Thema dieses Films so viel Beachtung findet - aber die Nominierungen und Preise in den Kategorien Buch, Schnitt, Kamera, Regie, Beste Hauptdarstellerin und Bester Film sich auch eine große filmische Wertschätzung für unsere Arbeit. Dass beides zusammengeht – Inhalt, Botschaft und Umsetzung - das freut uns Filmschaffende ganz besonders.
Können Sie uns mehr über die wahren Begebenheiten hinter der Geschichte von «Du sollst hören» erzählen und wie diese in den Film integriert wurden?
Als ich als Regisseurin angesprochen wurde, habe ich mich direkt an diesen Fall, von dem ich in einem Spiegelartikel gelesen hatte, erinnert und fand viele Aspekte an diesem realen Fall und dem Urteil sehr interessant.
Wie wichtig war es für Sie, dass Deutsche Gebärdensprache (DGS) am Set gleichwertig anerkannt und verwendet wurde?
Das war uns allen sehr wichtig und völlig selbstverständlich. Ansonsten wäre eine gute Kommunikation überhaupt nicht möglich gewesen. Einerseits am Set - wir hätten die Szenen nicht richtig entwickeln und drehen können und auch ebenso bei der Postproduktion - wie hätten wir sonst die Szenen schneiden können, wenn wir nicht wissen oder nicht nachvollziehen können, was genau gesprochen wird.
Welche Rolle spielte die Besetzung von gehörlosen Schauspielern wie Anne Zander und Benjamin Piwko für die Authentizität und den Erfolg des Films?
Auch das war für uns alle ein unbedingtes Muss, dass jede Rolle eines oder einer Gehörlosen auch authentisch besetzt wird. Natürlich auch die beiden Kinder und auch bei den Komparsen, z. B. vor dem Gericht, den Zuschauern im Gehörlosencenter haben wir uns darum bemüht. Die Authentizität war uns wichtig und natürlich ist man bei solch einem Stoff darauf angewiesen, dass man die Sicht der Betroffenen kennenlernt und offen für ihre Lebensrealität ist.
Welche speziellen Techniken oder Ansätze wurden verwendet, um die Geschichte aus der Perspektive der Gehörlosen-Community authentisch darzustellen?
Wir haben die Gehörlosen Community und auch dann unsere Gehörlosen Schauspieler:innen einbezogen - sowohl in die endgültige Bucharbeit wie auch in die anderen Prozesse - In der Drehvorbereitung wie auch dem Dreh selber waren und wurden sie ein Teil unsers Teams. Das Drehteam wurde so um mindestens 6-8 Personen größer und es erforderte während des Drehs einen etwas anderen Ablauf und mehr Zeit für Absprachen. Es gab deutlich mehr Proben vor und nach den eigentlichen Drehzeiten, wo Text in der Gruppe gelernt und die Szenen vorbereitet wurden.
Auch im Schnitt und in der Postproduktion waren wir stark auf die Experten und die Gehörlosen Community angewiesen, sei es im Schneideraum selber - unser Signcoach Tobias Lehmann - hat die geschnittenen Gebärden überprüft und Simone Klier, die Editorin, hat mit seiner Hilfe die Szenen teilweise angepasst.
Auch unser Komponist Helmut Zerlett hat sich stark damit auseinandergesetzt wie und was Gehörlose „hören“ oder fühlen und was ihnen Musik oder Rhythmus bedeutet.
Wie hat das Publikum, sowohl gehörlos als auch hörend, auf den Film reagiert, und gab es bemerkenswerte Unterschiede in den Reaktionen?
Die Reaktionen bei den Screenings und auch nach der Fernsehausstrahlung waren positiv. Ich habe das Gefühl, dass Hörende eher auf den Gerichtsfall und das Urteil reagierten und dass bei den Gehörlosen ein anderer, sehr emotionaler Effekt eintrat. Viele konnten sich mit den Eltern identifizieren und wurden an ihre eigene Geschichte erinnert. Das war bewegend, die Geschichten zu hören, aber auch zu spüren wie ergriffen die Menschen waren, weil sie Teile ihres Schicksals auf der Leinwand, in einem Film sahen und sich wiedererkannten. Das war auch jetzt auf dem Signlight International Film Festival in Los Angeles so und hat uns alle sehr berührt.
Was waren die größten Herausforderungen bei der Produktion von «Du sollst hören» und wie haben Sie und Ihr Team diese überwunden?
Die waren vor allem am Anfang. Weil wir noch nicht so richtig wussten, was da auf uns zukommt - und ich zumindest unsicher war wie und ob die Kommunikation funktioniert. Aber schon nach dem ersten Casting, wo einige sehr talentierte gehörlose Schauspielerinnen für die Rolle der Mutter vorsprachen, war ich zuversichtlich. Es war Neuland für mich und auch mein Team, aber wir waren alle offen und neugierig und wir lernten jeden Tag was Neues dazu. Mithilfe der Übersetzer konnten wir alle sehr schnell miteinander sprechen und lachen und wuchsen zu einem gut funktionierendem Team zusammen.
Welche Auswirkungen hoffen Sie, dass der Film auf das Bewusstsein und die Akzeptanz der Gehörlosen-Community in der Gesellschaft haben wird?
Wir wünschen, dass diese positive Bestätigung, die wir als Filmschaffende für diesen Film erfahren durften, sich auch auf die allgemeine Akzeptanz von Gehörlosen und der Gebärdensprache erweitert. Eine fremde Sprache kann man lernen und Sprache ist die Grundlage von Kommunikation.
Vielen Dank für Ihre Zeit!
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