Debatte

Screenforce Festival: Aufbruchstimmung in Düsseldorf!?

von   |  1 Kommentar

Sat.1 setzt weiter auf hochwertige Fiction am Vorabend, ProSieben bessert mit Shows nach. Doch sind das die Lösungen, um die rückläufigen Reichweiten zu stoppen? Und was macht RTL besser? Ein Kommentar von Fabian Riedner.

An einem sonnigen Tag traf sich die Fernsehbranche zum wohl kleinsten Festival des Jahres: Aus den Screenforce Days wurde das Screenforce Festival, statt drei Tage Unterhaltung wurde die Veranstaltung auf einen Tag reduziert und bei der Tech-Digital-Messe DMECXO am 18. und 19. September sollen die Panel-Diskussionen nachgeholt werden. Erst im vergangenen Jahr hatte sich der Werbeverband durchaus besorgt gezeigt, dass man das Werbevolumen nicht mehr bei den teilnehmenden Fernsehsendern komplett ausspielen könne. Streaming bereitet den Fernsehstationen durchaus Probleme, weshalb vor allem die ProSiebenSat.1-Gruppe stark für Joyn trommelte.

Obwohl das Angebot von Joyn vielfältig ist, gelingt die Kuration in großen Teilen weiterhin nicht suboptimal. Die Steuerung hängt in vielen Punkten anderen privaten Diensten hinterher, noch nicht einmal verschiedene Profile können angelegt werden. Es gibt zahlreiche Gründe, die Mediathek aus Unterföhring nicht zu nutzen. Dennoch sind viele Zuschauer darauf angewiesen. Doch schlussendlich ist das Angebot – auch durch Öffentlich-Rechtliche – so vielfältig, dass der Kunde die Wahl hat. Die Erfolgszahlen von Joyn veröffentlicht ProSieben nicht, RTL+ ist inzwischen auf 5,3 Millionen Abonnenten angewachsen. Das ZDF spricht aktuell von über sechs Millionen Abrufen pro Tag.

ProSieben und Sat.1 sind bei den 14- bis 49-Jährigen inzwischen sogar hinter Das Erste gefallen, weshalb die Präsentation für die Fernsehsender immens wichtig war. Man muss nur ein Jahr in die Vergangenheit reisen, um die Probleme des Unternehmens zu sehen. Sat.1 versuchte mit einem dreistündigen Magazin, unterbrochen von 30 Minuten Regionalnachrichten, punkten. Mit Wohlfühlfernsehen wie «Birgits starke Frauen» und «Das Haus am Meer» wollte man vor zwei Jahren die Frau ab 40 Jahren ansprechen. Damit sich auch niemand angegriffen fühlte, wurde aus «The Biggest Loser» die Sendung «Leben leicht gemacht». Der ehemalige Kabel-Eins-Chef, der im Herbst 2023 übernahm, hat die Änderungen rückgängig gemacht und beispielsweise Fiction wie «FBI» zurückgeholt.

Mit den Vorabendserien «Die Spreewaldklinik» und «Für alle Fälle Familie» hat man frühzeitig neue Fiction angekündigt, auch die Rate- und Spielshows «Das 1% Quiz», «Murmel Mania» und «99 – Wer schlägt sie alle?» funktionieren. Mit «Was ist in der Box?» und «Schätze die Plätze» hat man neben «The Tribute» drei neue Shows im Programm. Überraschend ist, dass «Ronzheimer – Wie geht’s Deutschland?» mit Springer-Kriegsreporter Paul Ronzheimer im Programm vertreten ist. Das Format kommt nicht von Springer, sondern von I&U und Leonine Studios. Warum stellt so eine Sendung eigentlich nicht die eigene Nachrichtenabteilung aus Unterföhring und Berlin auf die Beine?

ProSieben macht sich auch weiterhin sehr abhängig von Florida Entertainment. Neben «Das Duell um die Welt», «Joko & Klaas gegen ProSieben», «Wer stiehlt mir die Show?» und «Late Night Berlin» kommen nun auch «Ein sehr gutes Quiz (mit hoher Gewinnsumme)» sowie die Neuauflage von «Duell um die Geld». Die überschaubaren Dokumentationen von Jenke von Wilmsdorff und Thilo Mischke setzt man fort, «TV total» bekommt mehrere Specials und Chris Tall wechselt exklusiv zu ProSieben. Dabei klingt «Chris Du das hin?» auch nur wie eine weitere Gastgeber-gegen-Promi-Show. Die Tokio-Hotel-Zwillinge werden in «Die Superduper Show» neben Moderatorin Katrin Bauerfeind als Teilnehmer wirken. Bauerfeind reiht sich in die endlose Zahl der Prominenten ein, die eine eigene Sendung bekamen. Hoffentlich taugt das Format mehr als «Renn zur Million – wenn du kannst» mit Daniel Aminati (2019), «Die! Herz! Schlag! Show!» mit Steven Gätjen (2020), «Surprise» mit Bruce Darnell (2021), «Love is King» mit Olivia Jones (2022) und «Wir gegen die! Die Geschwistershow» mit Carolin Kebekus (2023).

Am Donnerstag war in der Pressemitteilung zu lesen, dass auch «Big Brother» sowie «Promi Big Brother» 2024/25 auf Joyn und den linearen Sendern laufen sollen. Selbstverständlich bringt man die ProSieben-Shows «The Voice», «The Masked Singer» und «Schlag den Star» zurück. «Forsthaus Rampensau» soll es in einer österreichischen und deutschen Version geben. Die Daytime-Baustellen wurden nicht angesprochen, obwohl die Fernsehsender dort riesige Probleme haben. Bei Sat.1 funktioniert kein neues Format, von Scripted-Realitys wie «Auf Streife» werden seit Jahren Wiederholungen gezeigt. Die ProSieben-Sitcoms haben teilweise weniger als 100.000 Zuschauer am Nachmittag.

Nach der Präsentation aus dem Nordwesten von München kam Andreas Bartl von RTLZWEI und präsentierte vor allem eines: Fragen! Wie will man die tägliche «Köln 50667»-Lücke schließen? Welche Spielshows vom Donnerstag werden fortgesetzt? Kommen neue Folgen der Sozialreportagen? Stattdessen kündigte der Fernsehmanager eine Promi-Staffel von «Love Island» an, die Dokusoaps «Diese Büchners – Familientrubel», «Willkommen bei Familie Weiß» und «My Big Fat Italien Wedding – Nathalie und Cosimo heiraten!».

Wenig Überraschendes kam aus Köln: Die Fernsehmacher haben in den vergangenen Jahren zahlreiche Formate getestet, wovon diese auch weiterhin profitieren. Das sind unter anderem die unliebsamen Gerichtshows mit Barbara Salesch und Ulrich Wetzel oder der Zukauf von Sportrechten. Neben Spielen der deutschen Nationalmannschaft hat RTL in diesem Sektor die UEFA Europa League, die UEFA Europa Conference League, Teile der zweiten Bundesliga, Übertragungen der Premier League. Das Feld wird seit vergangenem Jahr mit der National Football League (NFL) erweitert, neu ist der Kampf zwischen Regina Halmich gegen Stefan Raab sowie der Berlin-Marathon. RTL ist immer am Puls der Zeit. Das bewies man auch zuletzt mit den kurzfristig erworbenen Finalspielen der U17-WM aus Mexiko im Januar 2024.

Zahlreiche Eventshows wie «Splash! – Das Promi-Pool-Quiz» und «Drei gegen Einen» haben zudem riesige Volumen von «Deutschland sucht den Superstar» und «Das Supertalent» abgelöst. Klar ist, dass RTL kleinere Brötchen backen muss, denn es gibt Alternativen wie Social-Media und Streaming. Allerdings hat man immer noch «Let’s Dance», «Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!», «Bauer sucht Frau» und natürlich «Wer wird Millionär?». Mit dem aufgezeichneten Jubiläumsdschungel «Ich bin ein Star – Showdown der Dschungel-Legenden» aus Südafrika, der um 20.15 Uhr auf Sendung geht, geht man allerdings ein gewisses Risiko ein. RTL pokert hoch, die Show aus der Konserve laufen zu lassen. Eine feste Bank hingegen ist der „Tödliche Dienst-Tag“, der nun mit «Alarm für Cobra 11», «Behringer und die Toten», «Mord im Revier» und zwei weiteren Reihen gestärkt wird. In der Branche wird allerdings gestritten, ob die Formate wirklich gut sind oder ob man nur clever die Lücke der Öffentlich-Rechtlichen nutzt. Diese setzen nämlich am zweiten Tag der Woche auf die Sachsenklinik und Dokumentationen.

RTL+ ist der Hotspot von zahlreichen Reality-Shows. Neben der bereits gestarteten Show «Die Reality Queens» soll es dort auch den Jubiläumsdschungel vorab geben. «Golden Bachelor» und «Die Bachelorette» laufen exklusiv beim Streamingdienst, der auch zahlreiche Sendungen wie «Die Verräter», «Are you the One?», «Ex on the Beach», «Prominent Getrennt» und die zwei «Temptation Island»-Versionen fortführt.

Enttäuschend ist hingegen das Angebot von VOX: Man könnte über den Sender behaupten, dass man nur so viel ins Programm investiert, wie es sein muss. «Sing meinen Schlager» ist die Antwort auf die bröckelnden «Sing meinen Song»-Quoten, ein Generationsprojekt mit Tim Mälzer kommt und man erbt «LEGO Masters». Seit Jahren fehlen Großinvestition, um neue Hits wie vor zehn Jahren zu schaffen. Damals stampfte man Shows wie «Die Höhle der Löwen» und «Sing meinen Song» aus dem Boden. Mit 6,4 Prozent Marktanteil bei den Umworbenen verlor man knapp ein Zehntel des Marktanteils gegenüber des Vorjahres.

Die Programmpräsentationen aus diesem Jahr sind ein kleiner Hoffnungsschimmer an die enttäuschenden Runden seit 2020. Doch mit früheren Events ist das Angebot weiterhin nicht vergleichbar. Vor allem die Tatsache, dass man zwei Tage in acht Stunden packen kann, zeigt, dass die Blockbuster abgenommen haben. Nachbessern können die Fernsehstationen, immerhin wird bis Mitte August noch der Sportsommer mit der Fußball-Europameisterschaft und den Olympischen Sommerspielen andauern.

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silvio.martin
14.06.2024 17:53 Uhr 1
"... auch die Rate- und Spielshows «Das 1% Quiz», «Murmel Mania» und «99 – Wer schlägt sie alle?» funktionieren."



Oh, der GF hat offensichtlich hellseherische Fähigkeiten. Wie sonst ist zu erklären, dass er weiss, dass "Murmel Mania " bei SAT 1 funktioniert. Sie startet nämlich erst Mitte Juli und erst dann kann ein erstes Fazit gezogen werdenm, ob der Senderwechsel funktioniert hat.

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