Serientäter

«The 8 Show»: Reality-Show trifft Stanford-Prison-Experiment

von   |  2 Kommentare

In der südkoreanischen Serie nehmen acht Teilnehmer an einer Fernsehsendung teil, die mit viel Geld lockt. Doch dann nutzen die Stärkeren die Schwächeren aus.

Nach «Squid Game» hat Netflix ein weiteres Drama in der Hinterhand, um Millionen Menschen zu begeistern. Das Projekt «The 8 Show» («더 에이트 쇼») wurde erstmals im Jahr 2019 entwickelt, lange bevor überhaupt der südkoreanische Überflieger ausgestrahlt wurde. Der Thriller mit satirischen Elementen kommt von Studio N, das die Serie zusammen mit Magnum Nine und Lotte Cultureworks umgesetzt hatte. Han Jae-rim, bekannt für den Film «The King», hat die Serie geschrieben und auch Regie geführt.

«The 8 Show» startet mit Chun-ja, der wegen einer falschen Investition mehrere hunderte Millionen Won in den Sand gesetzt hat. Nach einer Verfolgungsjagt mit seinen Gläubigern möchte er sich von einer Brücke in den Hangang stürzen, doch plötzlich bekommt er eine Nachricht auf seinem Smartphone. Der Absender schickt ihm eine Million Won pro Nachricht, damit hat die ominöse Figur die Aufmerksamkeit von Chun-ja. Eine Limousine fährt ihn zu einem Fernsehstudio, damit er an einer Reality-Show teilnehmen kann. Dort könnte er sehr viel Geld verdienen, sodass seine Probleme für immer vorbei wären.

Schon bei «Squid Game», einem der größten südkoreanischen Erfolge überhaupt, wird gezeigt, dass die untere und mittlere Arbeiterschicht überschuldet ist. Dieses gesellschaftliche Phänomen ist auch Grundlage von «The 8 Show», sodass sieben weitere Teilnehmer zu diesem Spiel zusammenkommen. Schon bald stellt Chun-ja fest, dass er pro Minute 20.000 Won (also 13,39 Euro = 800 Euro Stundenlohn) verdient, aber jeder Artikel das 100-fache des ursprünglichen Preises kostet. Aus diesem Grund lehnt er ein Bett ab, sondern kauft sich alte Kartonagen und Zeitungen und schläft darin.

Am nächsten Tag treffen sich die acht Teilnehmer das erste Mal im riesigen Studio dieser Reality-Show, in der die Teilnehmer ein Zeitfenster von 24 Stunden haben. Schnell bemerken sie, dass sie auf der gegenüberliegenden Seite des Eingangs eine weitere Gegensprechanlage haben, um Sachen zu bestellen. Doch hier wird nicht Geld geopfert, sondern die Zeit. Es ist eine grandiose Grundlage für eine Reality-Show, die nach dem Konsum der ersten Folge auch bei zahlreichen internationalen Fernsehsendern Begehrlichkeiten weckt. Schon durch echte Reality-Sendungen weiß der Rezipient, dass sich nicht immer alle Teilnehmer gut verstehen. Das führt auch dazu, dass Etage 8, so wie sich die Spieler untereinander nennen, die Zeit für Kleider nutzt.

So läuft die Zeit fast ab, bis sie die Teilnehmer darauf aufmerksam macht, dass man mit dem Treppen laufen, wieder Stunden gutgeschrieben bekommt. Daher laufen die Teilnehmer künftig Stunden Treppen rauf, Treppen runter, und natürlich kann Etage 1, No Sang-guk, der humpelt, schon bald nicht mehr wirklich dieser Tätigkeit nachgehen. Er bietet deshalb seinen Kollegen an, dass er sich um deren Ausscheidungen kümmert und diese in seinem Raum lagert.

Zwischenzeitlich erfahren die acht völlig unterschiedlichen Teilnehmer, deren Geldprobleme aufgezeigt werden, dass sie unterschiedlich große Zimmer und Einkommen haben. In der Etage 1 verdient man 10.000 Won pro Minute und wie Etage 6, Tae-seok erklärt, nach dem goldenen Schnitt addiert werden. So bekommt die zweite Etage 20.000 Won, einen Stock höher verdient man 30.000 Won. Bereits in der vierten Etage sind es 50.000 Won, dann 80.000 Won und Etage 6 freut sich über 130.000 Won. Im vorletzten Stock erhält man 210.000 Won und Song Se-ra kann sich über 340.000 Won pro Minute freuen. Ein weiterer Vorteil: Ihr Zimmer ist riesig, während der Clown in Etage 1 in einem winzigen Raum sitzt. Täglich gibt es zwölf Essenspakete, die mit einem Lift in die übrigen Stockwerke weiter verteilt werden können. Die Acht setzen sich zusammen und vereinbaren, dass jeder ein Essenspaket bekommt und in der ersten Etage die übrigen vier Pakete gemeinsam gegessen werden.

Tolles Konzept, welches für Streitereien anfällig ist. Das haben auch die Macher einkalkuliert, weshalb es – wie beim legendären Stanford-Prison-Experiment (Eine Gruppe von Studenten werden in Häftlinge und Wärter unterteilt, der Versuch musste vorzeitig abgebrochen werden) – zu mehreren Problemen kommt. Die Personen in den oberen Etagen verdienen mehr und machen sich dies auch zunutze. Nach einer gewissen Zeit stellen die Teilnehmer auch fest, dass durch das Stufenrennen die Zeit sich kaum verbessert. Dann kommt es zum Streit, es kommt zu einem Kampf – und prompt erhöht sich die Zeit zum Spielen. Sie stellen fest: Sie müssen unterhaltsam sein. So steigert sich dieses Experiment immer mehr.

Die Reality-Show kann nur beendet werden, wenn die Zeit abläuft, oder ein Teilnehmer stirbt. Noch nicht einmal ein Epilepsie-Anfall oder eine ernsthafte Verletzung sorgt für einen Abbruch oder gar eine Intervention der Produktionscrew – und hier kommen die Probleme. Es wird mit viel Geld gearbeitet, aber welche Fernsehstation möchte so etwas wie ein Philadelphia-Experiment, in dem die Wärter die Macht gegenüber den Gefangenen, wirklich ausstrahlen.



«The 8 Show» hat ein sagenhaftes Konzept, das wirklich Spaß macht. Doch Mastermind Han Jae-rim enttäuscht beim Ende. Das könnte auch daran liegen, dass die acht Spieler in acht Episoden vorgestellt werden. Nach der fünften Folge zieht sich die Spannung sehr, es werden nur noch stärkere Gewaltstufen unterbreitet. Ständige Gewaltexzesse machen die Serie nicht besser. Die Lösungswege, wie man die Zeit anhalten kann, kommen wirklich spät, obwohl die acht Personen zweieinhalb Monate in diesem Container verbringen. Man rätselt immer wieder, welcher Teilnehmer – ähnlich wie bei «Squid Game» – der Organisator des Spiels ist. Zur großen Enttäuschung endet die Serie ohne Auflösung. Wer sollte die Show schauen? Vielleicht die bösen Nachbarn aus dem Norden? Ist ein Milliardär der Veranstalter, der Spaß am menschlichen Leid hat? Fragen über Fragen, die nicht gelöst werden. Schade, mit dem Ende hat Han sich keinen Gefallen getan.

Die südkoreanische Serie «The 8 Show» kann seit 17. Mai bei Netflix gestreamt werden.

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Es gibt 2 Kommentare zum Artikel
Stargamer
15.07.2024 16:15 Uhr 1
"aber welche Fernsehstation möchte so etwas wie ein Philadelphia-Experiment, in dem die Wärter die Macht gegenüber den Gefangenen, wirklich ausstrahlen."



Ach gegen eine Show in der mit Unsichtbarkeit oder Teleportation hantiert wird hätten die Sender bestimmt nix.



Kurze Frage die ja nie beantwortet werden wird: Wie schafft man es nach 2x richtig beim dritten mal das Experiment falsch zu bezeichnen?
silvio.martin
15.07.2024 18:37 Uhr 2
Ich könnte mal wieder den berühmt beruchtigten Tipp geben, aber das spar ich mir Ist ja eh ein Fremdwort bei den "Autoren" von QM.



@Chaos, ab geht die wilde Lutzi, sag mir, wie pöse ich wieder war :))))

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