Schwerpunkt

RTL: Ein Sender auf Kurs?

von

In den vergangenen Monaten erholte sich der Fernsehsender aus Köln, der von Inga Leschek geleitet wird.

Nachdem Jahrzehnte Helmut Thoma, Gerhard Zeiler und Anke Schäferkordt sowie Frank Hoffmann den Kölner Fernsehsender RTL geleitet haben, versucht seit 1. März 2023 Inga Leschek das Entertainment-Schiff auf Kurs zu halten. Die Managerin, die zwei Jahre bei Netflix für die non-fiktionalen deutschsprachigen Inhalte verantwortlich war, wurde bereits im Juni 2024 zum Chief Content Officer bei RTL befördert. Leschek, die zuvor acht Jahre für RTL Studios tätig war, ist also plattformübergreifend verantwortlich, dass RTL im Gespräch bleibt.

In den vergangenen zwölf Monaten konnten nicht alle Formate überzeugen. Die Bau-Challenge «Wettkampf in 4 Wänden» sowie die Reality-Enthüllungsshow «Die Verräter» überzeugten in der Primetime nicht, stattdessen geht die von Sonja Zietlow moderierte Sendung, die immerhin gute Kritiken bekam, beim Streamingdienst RTL+ weiter. Während die «Pumuckl»-Serie zum großen Erfolg wurde, ist der Zukauf «Blamieren oder Kassieren» schon wieder Geschichte.

Leschek ist nicht auf den Kopf gefallen und hat im vergangenen Frühjahr die Rechte an den zwei Raab/Brainpool-Shows mit Elton gesichert. Mit «Blamieren oder Kassieren» versuchte sie die Zeit zwischen «Gute Zeiten, schlechte Zeiten» und dem Beginn der UEFA Europa League zu überbrücken, dies funktionierte nur teilweise. Eine deutlich bessere Performance machte die Show «Schlag den Besten», die weit über zwei Millionen Menschen am Samstagabend unterhielt. Im Non-Factual-Bereich schlug bei Stefan Raabs neuer Ideenschmiede zu und erwarb das «RTL EM-Studio» das während der Fußball-Europameisterschaft zu einem katastrophalen Desaster wurde, an das sich die Geschichtsschreiber der Medien-Blase sich noch Jahre erinnern werden. Sportlich geht’s im Herbst weiter, denn schließlich wird man den Boxkampf zwischen Stefan Raab und Regina Halmich übertragen – zumindest das dürfte wieder ein Quotenerfolg werden.

Die Hauptsendezeit gehören Klassikern wie «Wer wird Millionär?», «Bauer sucht Frau» inklusive Ableger, «Das Sommerhaus der Stars», «Big Bounce», «Top Dog Germany», «Ninja Warrior Germany», «Take Me Out», den zahlreichen Mario-Barth-Shows, vielen Specials von «Stern TV» und natürlich dem Tanz-Erfolg «Let’s Dance». Mit «Deutschland sucht den Superstar» und «Das Supertalent» hat man zwei frühere Schlachtschiffe modernisiert. Dennoch hat Inga Leschek immer noch keine Alternativen gefunden, genauso wie ihre Mitbewerber blickt sie ausschließlich nach Großbritannien, in die Vereinigten Staaten von Amerika und in die Niederlande. Gerade in den wirtschaftlich harten Zeiten sollte man ein Format wie einst «Tutti Frutti» pilotieren, das aus Italien stammte. Als wirklich einzigen Komiker hat man in Köln derzeit Mario Barth verpflichtet, Chris Tall hat sich in das exklusive Nest von ProSieben verabschiedet. Das Comedy-Feld überlässt RTL lieber dem Ersten (Donnerstag) und dem ZDF (Freitag).

Die Zahl der neuen Shows, mit der RTL ins neue Jahr startet, ist erschreckend gering. Noch nichts hört man von «Das Sommerhaus der Normalos», bereits Mitte Juli ist «Splash! – Das Promi-Pool-Quiz» zu sehen, genau wie «Wunder unsere Erde – Das große GEO-Quiz». Und demnächst soll Dirk Steffens in «Die große GEO-Story – Warum jede Art zählt» überzeugen. Formate wie «Golden Bachelor» und andere Formate überlässt man komplett der Streamingschwester RTL+, für fünf neue «Raue – Der Restaurantretter»-Episoden brauchte RTL über ein Jahr Produktionszeit.

Diskutabel ist der „Tödliche Dienst-Tag“ bei RTL, weil die Branche munkelt, die Formate funktionieren nur, weil Das Erste und das ZDF zu dieser Zeit eben keine Kriminalfälle senden. An anderen Tagen müsste das ehemalige «Der Lehrer»-Gesicht Hendrik Duryn gegen «Aktenzeichen XY… ungelöst» (mittwochs), den Regionen-Krimis (donnerstags), «SOKO Leipzig» (freitags), den ZDF-Reihen (samstags), dem «Tatort» (sonntags) oder den Krimis im ZDF (montags) antreten. Dennoch ist es erfreulich, dass die Programmplaner ein Schlupfloch gefunden haben, um ihre eigene Fiction erfolgreich laufen zu lassen. Schade ist es dennoch, dass man so zögerlich agiert und die Donnerstagsfilme vom Ersten kopiert. RTL braucht Fiction, dass sich wie einst endlos produzieren und auch wiederholen lässt.

Vor ein paar Jahren ließ RTL zahlreiche Projekte für die Daytime pilotieren, sodass man mit Barbara Salesch und Ulrich Wentzel zwei erfolgreiche Formate gefunden hat. Das ist zwar unterm Strich kein hochwertiges Fernsehen, zahlt aber eben auch die Rechnungen für andere Projekte. Denn: Die bisherige Fiction abseits der Krimis am Dienstag waren Rohrkrepierer. Dennoch lief es im vergangenen Fernsehjahr mit 8,4 Prozent Marktanteil sehr gut. RTL liegt zwar deutlich hinter dem ZDF (14,8 Prozent) und Das Erste (12,1 Prozent), aber der engste Verfolger Sat.1 kommt selbst nur auf 4,3 Prozent. Bei den Werberelevanten ist RTL mit 10,5 Prozent Marktführer und führt damit deutlich vor Das Erste (7,6 Prozent), ProSieben (7,5 Prozent) und dem ZDF (7,3 Prozent). Scheinbar schmeckt dem Zuschauer das, was Inga Leschek vorsetzt.

Kurz-URL: qmde.de/153209
Finde ich...
super
schade
67 %
33 %
Teile ich auf...
Kontakt
vorheriger ArtikelGroßes Nachrichten-Bedürfnis nach Trump-Attentatnächster ArtikelQuotencheck: «Schlag den Star»
Schreibe den ersten Kommentar zum Artikel

Optionen

Drucken Merken Leserbrief



Heute für Sie im Dienst: Fabian Riedner Veit-Luca Roth

E-Mail:

Quotenletter   Mo-Fr, 10 Uhr

Abendausgabe   Mo-Fr, 16 Uhr

Datenschutz-Info

Letzte Meldungen

Werbung

Mehr aus diesem Ressort


Jobs » Vollzeit, Teilzeit, Praktika


Surftipp


Surftipps


Werbung