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Aus Kritiker-Sicht lässt sich festhalten, dass er – Gott sei Dank – den Plan verfolgte, sich von den Scripted-Realitys zu trennen. Faktisch fand diese Trennung aber nie statt. Weite Teile des Daytime-Programms wurden mit Wiederholungen von «Auf Streife» und Co. gefüllt, selbst Ingo Lenßen hatte noch Auftritt in der Access-Prime. Aus wirtschaftlicher sowie aus historischer Sicht war der Schritt, auf die Programmfarbe zu verzichten, nicht nachvollziehbar. Scripted Reality gehört zu Sat.1 wie der bunte Ball zum Senderlogo. Fernsehen, wie es Barbara Salesch oder Ulrich Wetzel produzieren, mag nicht jedem gefallen, aber es wirft gute Quoten ab. RTL hat diesen Trend nach zahlreichen Versuchen erkannt und setzt seit eineinhalb Jahren voll auf Gerichtsshows, die als antiquiert verschrien waren.
Währenddessen versuchte sich Sat.1 an einem Aussetzer nach dem anderen – allen voran das Live-Debakel «Volles Haus!». Teil des Magazins war auch «Das Spar-Dinner», das in diesem Jahr als «Das Schnäppchen-Menü» zu einem eigenen Format entwickelt wurde. Inzwischen ist die Sendung mit Alexander Kumptner schon wieder Geschichte – genau wie dessen Vor- bzw. Nachlauf «Drei Teller für Lafer». Sat.1 unter Rosemann-Nachfolger Marc Rasmus ist auf den Trichter gekommen, dass die Lösung möglichweise doch in der Scripted Reality liegt.
Programmänderung macht sich bezahlt
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Während «Das Schnäppchen-Menü» und «Drei Teller für Lafer» zwischen dem 8. und 12. Juli im Schnitt auf 200.000 Zuschauer und 2,4 Prozent Marktanteil kamen, mehr als verdoppelten die zwei zusätzlichen «Auf Streife»-Stunden das Ergebnis. Zwischen dem 15. und 19. Juli markierte Sat.1 in der 15- und 16-Uhr-Stunde rund 420.000 Zuschauer ab drei Jahren, der Marktanteil verbesserte sich auf 5,2 Prozent. Auch in der Zielgruppe stiegen die Werte an: Mit 90.000 statt 50.000 14- bis 49-Jährige fuhr Sat.1 7,1 Prozent Marktanteil ein. In der Vorwoche belief sich der Wochenschnitt auf 4,3 Prozent.
Positiver Effekt auch im Nachlauf
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Und nicht nur «Lebensretter hautnah» freut sich über den neuen Vorlauf, sondern auch Bärbel Schäfer. Die Moderatorin präsentiert ihren «Notruf» in der 18-Uhr-Stunde, wird bekanntlich aber mit der Einführung der zweiten täglichen fiktionalen Serie eine Stunde nach vorne wandern. Zwar stieg das Ergebnis auf dem Gesamtmarkt von 0,45 Millionen auf 0,48 Millionen bzw. von 3,6 auf 3,8 Prozent Marktanteil, doch in der Zielgruppe war der Effekt intensiver. Hier erreichte man im Schnitt 30.000 werberelevante Zuschauer mehr, sodass der Marktanteil von 6,1 auf 7,5 Prozent stieg. Am Donnerstag holte man mit 11,2 Prozent ebenfalls einen neuen Rekord.
Es bleibt abzuwarten, wie nachhaltig der Effekt der ausgedehnte Scripted-Reality-Strecke sein wird, schließlich füllt «Auf Streife» im Alleingang fünf Stunden des Sat.1-Programms. Derzeit ist nicht bekannt, ob es irgendwann neue Folgen geben wird. Rosemann hatte dem entschieden einen Riegel vorgeschoben, ob Rasmus diesen Hebel zurückdreht, ist offen. Ebenso ungewiss ist, ob «Lebensretter hautnah» ebenfalls eine Stunde nach vorne rutscht, wenn die Bavaria-Fiction-Serie «Für alle Fälle Familie» aufschlägt. Nachdem Marc Rasmus die Primetime des Senders durch ein klares Konzept stabilisiert hat, könnte sich Sat.1 auch in der Daytime verbessern. Aus Quotensicht, und damit unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten – und das ist schließlich das Hauptaugenmerk eines Privatsenders – , machen Scripted-Realitys in der Daytime jedenfalls Sinn.
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