Stab
Darsteller: Leo Reisinger, Wolke Hegenbarth, Michelle Barthel, Annette Paulmann, Frederic Linkemann, Charlotte SchwabMusik: Marco Meister und Robert Meister
Kamera: Florian Schilling
Drehbuch: Sibylle Tafel (auch Regie) und Sebastian Stojetz
Leo Reisinger als Toni Hasler bringt zwar die nötige Mischung aus Empathie und Durchsetzungsvermögen mit, die man von einem kompetenten Geburtshelfer erwarten würde. Doch das Drehbuch von Sibylle Tafel und Sebastian Stojetz schafft es nicht, dieser Figur die Tiefe zu verleihen, die sie verdient hätte. Stattdessen wird Toni in eine stereotypische Liebesgeschichte verwickelt, die eher an eine Soap-Opera erinnert als an eine ernstzunehmende Dramaturgie.
Die Handlung beginnt dabei noch durchaus vielversprechend: Ein verlassenes Baby auf der Türschwelle der Frauenärztin Luise (Wolke Hegenbarth) wirbelt deren Leben und das von Toni durcheinander. Die Idee, dass sich ein verhindertes Liebespaar nun um ein Findelkind kümmern muss, hätte das Potenzial, spannende Konflikte und tiefgründige Charakterentwicklungen zu erzeugen. Doch diese Möglichkeit wird schnell zugunsten eines simplen und klischeehaften Erzählstrangs geopfert: Wolke Hegenbarth als Luise und Marcel Mohab als Polizist Sami liefern solide Leistungen ab, doch ihre Figuren bleiben blass und eindimensional. Die Beziehung zwischen Luise und Sami, die durch das Baby wiederbelebt wird, wirkt allzu konstruiert und wenig glaubhaft. Hier hätte das Drehbuch mutiger sein müssen, um die Dynamik zwischen den Charakteren authentischer und vielschichtiger darzustellen.
Wie das Drehbuch mit der jungen Mutter Charly, gespielt von Michelle Barthel, umgeht, ist ebenfalls nicht unproblematisch. Das ihr angeschriebene Krankheitsbild und die daraus resultierende Verzweiflung sind wichtige Themen, die jedoch nur oberflächlich behandelt werden. Anstatt die psychologischen und sozialen Hintergründe von Charlys Situation ernsthaft zu erkunden, wird sie zu einer Randfigur degradiert, die lediglich als Plot-Device dient. Dies ist besonders bedauerlich, da Barthel eine beeindruckende Tiefe in ihre Darstellung bringt, die mehr Raum verdient hätte.
Das Drehbuch versucht nun zwar, weiträumige Tabuthemen wie die Überforderung junger Mütter und die Schwierigkeiten im Pflege- und Adoptionssystem anzusprechen, scheitert jedoch daran, diese Ansätze angemessen zu vertiefen. Stattdessen werden diese Probleme in kurzen, oberflächlichen Szenen abgehandelt, die keine nachhaltige Wirkung erzielen. Hier hätte der Film die Chance gehabt, wirklich aufzuklären und Diskussionen anzustoßen, lässt diese Möglichkeiten jedoch weitgehend ungenutzt.
Doch die größte Enttäuschung ist wohl, dass es sich bei «Toni, männlich, Hebamme – Baby im Korn» um eine Serie mit eigentlich enormem Potenzial handelt, das jedoch immer wieder durch eine zu formelhafte und vorhersehbare Erzählweise vergeudet wird. Was als spannende und progressive Erzählung beginnen könnte, verkommt zu einer belanglosen Episode, die weder die Figuren noch die Zuschauer wirklich fordert. Am Ende bietet das Format zwar nette Unterhaltung, vermag aber das große Potenzial seiner Prämisse nicht auszuschöpfen.
Der Film «Tony, männlich, Hebamme - Baby im Korb» wird am Freitag, den 9. August um 20.15 Uhr im Ersten ausgestrahlt.
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