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Schon am 09. Juni, dem Eröffnungstag der FIFA WM in Deutschland, konnte das ZDF rekordverdächtige Zuschauerzahlen verzeichnen. 20,13 Millionen Menschen saßen bereits am späten Nachmittag vor den Fernsehgeräten, um den 4:2-Erfolg der deutschen Nationalmannschaft über die Gäste aus Costa Rica zu sehen. Der Marktanteil betrug starke 75,7 Prozent. Bei den Werberelevanten saßen sogar fast 80 Prozent der Zuschauer vor den Fernsehgeräten. Selbst das eher „unwichtige“ Spiel zwischen Italien und Ghana kam drei Tage später zur Hauptsendezeit auf fast 13 Millionen Zuschauer. Ein besonderes Highlight – weniger aus sportlicher Sicht – war das Aufeinandertreffen von Brasilien und Kroatien am 13. Juni: Erstmals erreichte ein Spiel ohne deutsche Beteiligung mehr als 15 Millionen Fans. Das spannende Finale zwischen Italien und Frankreich wollten am Sonntag sogar teilweise weit mehr als 30 Millionen Menschen sehen – WM macht’s möglich.
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Die höchste Quote aller Zeiten gab es am 04. Juli: Die Niederlage der Mannschaft von Bundestrainer Jürgen Klinsmann kam auf durchschnittlich 29,66 Millionen Zuschauer, davon waren 12,31 Millionen zwischen 14 und 49 Jahre alt. In der Spitze waren sogar über 31 Millionen Fans dabei – die „Public Viewing“-Veranstaltungen wurden hierbei noch gar nicht mitgerechnet.
"Karten"-Spiel mit großem Zuspruch
Auch bei RTL dürfte das Fazit der WM-Übertragungen positiv ausfallen – und das, obwohl die Zuschauer laut einer Umfrage einige Kritikpunkte an der Umsetzung des Kölner Senders fanden. Diese „Perle“ hatte RTL am 25. Juni im Programm: Die zweite Halbzeit der Partie zwischen Portugal und den Niederlanden sahen damals über 16 Millionen Menschen. In der wichtigen Zielgruppe fieberten 7,68 Millionen Zuschauer mit, als fast unzählige gelbe und rote Karten verteilt wurden.
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Kommentatoren in der Kritik
Doch auch die Kommentatoren von ARD und ZDF standen häufig im Kreuzfeuer der negativen Kritik: So wurde im Internet sogar eine Website mit dem Namen „stopptbeckmann.de“ eingerichtet, die verhindern sollte, dass der smarte ARD-Talker das Finale der FIFA WM kommentiert – letztlich erfolglos. Beim ZDF wurde besonders Wolf-Dieter Poschmann desöfteren von Seiten der Medien, aber auch der Zuschauer, angegriffen. Er würde „Spiele kaputtquatschen“ war nur eine von vielen Kritiken, denen er sich ausgesetzt sah.
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Die Vorbereitung seiner Reportagen ist eher überschaubar: „Selbst den Einstieg in die Reportage überlege ich mir erst kurz bevor wir auf den Sender gehen. Ich gehe hoch auf den Reporterplatz, inhaliere ein bisschen die Atmosphäre, und dann kommen die ersten Sätze spontan“, sagte er einmal.
Moderatoren im Dauer-Einsatz
Doch nicht nur die Kommentatoren hatten einen großen Anteil am Erfolg der WM im deutschen Fernsehen. Dass Moderatoren auch nur Menschen sind, war bislang bekannt - doch was sie bei der WM 2006 in Deutschland geleistet haben, scheint für die meisten normal zu sein. Welcher Moderator im deutschen Fernsehen erklärte dem Zuschauer aktuelle Hintergründe, Statistiken und weitere Genauigkeiten wie die Moderatoren bei dieser WM? Und das manchmal sechs Stunden live am Stück oder mehr am Tag? Kaum zu glauben, aber die Programmredner der diesjährigen Fußball-Weltmeisterschaft redeten sich mitnichten um Kopf und Kragen, sie vermittelten viel mehr dem Zuschauer eine Stimmung à la „bald geht’s los“ beziehungsweise „war das ein Spiel!“
Die deutschen Sender schickten ihre Perlen auf Sendung: Bei der ARD waren es hauptsächlich Monica Lierhaus und Gerhard Delling. Beide überzeugten durch solide Leistungen, wenn auch Monica Lierhaus durch ein „Tonproblem“ einen kleinen Lachanfall während der Live-Sendung bekam. Und wenn einige Zuschauer der Meinung sind, eben dieses wäre unprofessionell: Gerade diese Menschlichkeit wird oft bei Moderatoren – ganz egal welchen Formates – vermisst. Erinnern wir uns an Maxi Biewer, die durch einen Fehler im Regieraum von «Punkt 6», der anstatt der Wetterkarte den dösigen Leonard Diepenbrock zeigte, noch immer die Nummer Eins bei den lustigen TV-Pannen ist. Ledendär sind Delling und Netzer, legendär auch die Zickereien und Beleidigungen der zwei Asse der ARD.
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Was ist, wenn die Sonne falsch steht?
Doch Probleme gab es auch bei RTL: Wenn man unter freiem Himmel sendet – auch, wenn man von einem großen Sonnensegel geschützt wird – spielte Petrus den „12. Mann“ bei der Übertragung: Steht die Sonne falsch, regnet es und tut sich der Wind auf, wird aus so einer atmosphärisch wohl einzigartigen Übertragung für die agierenden Moderatoren und Gäste das Berichten zur Tortur. Und was macht man, wenn morgens gegen 11 Uhr beim «WM-Brunch» die Fan-Meile sehr übersichtlich gefüllt ist? Da hatte das ZDF mit „eigenen“ Zuschauern und einem Dach über dem Kopf die besseren Karten und konnte dadurch derartigen Problemen vorbeugen.
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Moderationskunst, Fachlichkeit und Humor
Genau diese Tat vollbrachte das Team rund um Johannes B. Kerner vom ZDF: Mit Jürgen Klopp und Urs Meier stellte man in Mainz ein Trio auf die Beine, das über Moderationskunst, Fachlichkeit und über eine gute Portion Humor verfügt. Allen voran: Jürgen Klopp, der mit seinen Aussagen oft mitten ins Herz der deutschen Zuschauer traf und kein Blatt vor den Mund nahm. So nah am Volk war man selten, denn wer hat das Zeug dazu, mitten in einer Live-Sendung bei der WM, die Millionen Zuschauer zu Hause vor der Mattscheibe oder beim Public Viewing auf der Großleinwand sehen, das eigentlich TV-immune Wort „Sch...“ zu sagen?
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Das Show-Programm rund um die Analysen und Spiele war bei RTL ein sehr großer Bestandteil der drei Übertragungstage. Vom «WM-Brunch» hinüber zum «WM-Countdown» bis hin zu den «WM-Highlights», gespickt mit zahlreichen Sondersendungen, Reportagen und Vor-Ort-Berichten. Täglich verschaffte man den Zuschauern einen Überblick über den WM-Tag, werktags eingebettet im «Nachtjournal». Man schlachtete die WM schon fast bis auf die Knochen aus, aber was erwartet man von einem Sender, der in der Geschichte Deutschlands die erste private Sendestation ist, die Spiele einer Weltmeisterschaft überträgt? Auch bei den Öffentlich-Rechtlichen war es kaum anders, auch hier wurde auf nahezu jeder Plattform die WM zum Thema gemacht.
Leiden die Nachrichten unter der WM?
Ebenso wie die Kommentatoren, Moderatoren und Experten stand auch die Kürzung von Nachrichten während der WM bei ARD und ZDF häufiger im Mittelpunkt von Diskussionen. Dass die WM viele sonst wichtige Meldungen verdrängte beziehungsweise in den Hintergrund rückte, wurde auch bei den Privaten kritisiert.
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Ähnlich äußerte sich auch RTL-Kollege Peter Kloeppel: „Themen wie Gesundheitsreform, Föderalismusreform oder die Krise im Nahen Osten haben bei uns genauso viel Raum eingenommen wie es sonst auch der Fall gewesen wäre.“ Der Fußball sei in den vergangenen Wochen „von der ‚schönsten Nebensache der Welt’ zu einem relevanten Thema geworden“, sagte Kloeppel. „Mit all seinen – auch politischen - Facetten beschäftigt dieses Thema ganz Deutschland, was sich im messbaren Interesse der Zuschauer und mit Recht in allen Medien niederschlägt.“ Die Auffassung, die WM habe in einer Nachrichtensendung nichts verloren, sei „schlicht und einfach weltfremd.“
Michael Marx, Moderator der ProSieben-Sendung «Newstime» kann diese Einschätzungen gegenüber Quotenmeter.de teilen: "Zurzeit bewegt die Deutschen nichts mehr als die Fußball-WM in all ihren Facetten. Das gilt auch für unsere beiden ranghöchsten Politiker: In einem «Newstime»-Beitrag kamen deshalb unser Bundespräsident sowie die Kanzlerin zu Wort, die sich mit den gesellschaftspolitischen Auswirkungen der WM auseinandersetzten."
Ein bisschen Spaß muss sein...
Aber der Spaß kam dennoch nicht zu kurz – hofften jedenfalls die Sender. WM-Comedy mal anders: In der «Coca Cola Heimspiel-WG» verweilen ein paar Jungspunde in einer WG und haben nichts anderes als Fußball im Kopf. Man fordert die Fans auf, mit ihren Kameras und Handys Videos zu bestimmten Themen zu drehen und diese dann in die WG zu senden – Daraus entstand die tägliche Folge der Sendung. Die bewegten Bilder waren teilweise sehr amüsant, doch auch wurden „Produktionen“ gesendet, die eigentlich ganz hinten im Notfall-Archiv ihren Platz hätten. Das ZDF versuchte mit einer Panel-Show und Ingolf Lück als Chef im Ring, die Stimmung der sowieso schon euphorisch-fröhlichen deutschen Zuschauer zu steigern.
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Medien-Mann der WM 2006 ist ganz klar Franz Anton Beckenbauer. Der Mann, der die Weltmeisterschaft 2006 nach Deutschland holte, war in den vergangenen vier Wochen so oft in verschiedenen Stadien zu sehen, dass man sich als Zuschauer fragt, wie er das überhaupt geschafft hat. Ganz einfach: Man nehme einen Hubschrauber, habe einen Piloten zu Hand und lasse sich durch ganz Deutschland fliegen. Um es vorweg zu nehmen: Verdient hatte er es allemal, denn die WM war so straff durchorganisiert, dass kaum ein Zeitplan durcheinander kam. Viele Deutschen und bestimmt auch Menschen anderer Nationen hätten gern mit ihm getauscht. Als Superstar fürs ZDF verpflichtet, tätigte er mehrere Auftritte in der ZDFarena neben dem legendären Pelé und reihte sich ohne Widersprüche in die Riege der wohl fußballmächtigsten Menschen der Welt ein. Weltmeister als Spieler, Trainer und fast auch als Organisator – der Traum-Hattrick eines jeden Fußballfunktionärs wäre beinahe in Erfüllung gegangen.
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