Interview

Senita Huskić: ‚Meine Mutter hat tatsächlich in der Pflege gearbeitet‘

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Beim Filmfestival in Ludwigshafen tritt die junge Schauspielerin mit «Trapps Sommer» auf. Wir sprachen über die Produktion, die im Herbst auch im Ersten laufen soll.

Vor einem Jahr haben Sie mit Producers at Work den Spielfilm «Trapps Sommer» gedreht. Wovon handelt der Spielfilm?
Der Film handelt von dem immerzu schlecht gelaunten Philosophieprofessor Georg Trapp (Günther Maria Halmer). Er ist ein ziemlicher Einzelgänger, doch kurz vor seinem 80. Geburtstag muss er sich Unterstützung für den Haushalt holen. Seine Wahl fällt auf Sofia Stanić, gespielt von mir. Mit ihrem sonnigen Gemüt ist sie das komplette Gegenteil von Herrn Trapp. Sie ist selbstbewusst und setzt häufig ihren Willen durch. Zunächst geraten die zwei Sturköpfe aneinander, doch mit der Zeit schafft es Sofia, dass Herr Trapp sein Leben aufräumt und seinen Blick auf die wichtigen Dinge lenkt. Am Ende entsteht sogar eine Art von Freundschaft.

Der Spielfilm «Trapps Sommer» wird beim Festival des deutschen Films in Ludwigshafen am Rhein uraufgeführt (21.08. – 08.09.). Fahren Sie mit Ihrem Team zur Premiere nach Ludwigshafen?
Ich werde bei den ersten zwei Vorstellung vor Ort sein, genauso wie Günter Maria Halmer und der Regisseur Rainer Kaufmann. Natürlich würde ich mich sehr freuen, noch mehr Leute aus dem Team dort zu sehen.

Sie spielen im Spielfilm eine 24-jährige Haushaltshilfe. Ist das nicht zu klischeehaft?
Einerseits könnte man es schon als Klischee betrachten, dass eine Frau mit Migrationshintergrund eine Pflegerin spielt. Andererseits ist es eine Tatsache, dass in Bereich Pflege rund 15 Prozent aller Beschäftigten einen Migrationshintergrund haben.

Da meine Mutter tatsächlich in der Pflege gearbeitet hat weiß ich von ihr wie erfüllend, aber auch anstrengend dieser Beruf sein kann. Die Rolle der Sofia war nicht von Anfang an als Bosniakin angelegt, das haben wir dann auf mich angepasst. Ihre Eigenschaften wie Herzlichkeit, der Drang Gutes zu tun, ihr Selbstbewusstsein und ihre zupackende Art sind alles Attribute, die mich sehr an meine eigene Mutter erinnern. Das ist wahrscheinlich mit ein Grund, warum mir die Rolle so gefällt und ich sie wahnsinnig gerne gespielt habe. Ich finde die Figur wurde mit so viel Persönlichkeit geschrieben, dass sie kein Klischee ist, sondern voller Leben steckt.

Wie würden Sie Sofia beschreiben?
Sofia ist eine sehr selbstbewusste, und manchmal auch dickköpfige Frau, die schon einiges an Ablehnungen im Leben erfahren hat. Dennoch ist sie fast immer gut gelaunt, sieht das Positive im Leben und vor allem in den Menschen. Sie ist jemand der mit dem Herzen entscheidet und sehr impulsiv handelt. Das bringt sie zwar manchmal in die Bredouille, aber man kann sich auf jeden Fall glücklich schätzen, wenn man sie als Freundin hat.

Vom dreh bis zur Ausstrahlung im Fernsehen vergehen viele Monate. Würden sie sich eine schnellere Ausstrahlung wünschen?
Klar, am liebsten würde ich immer sofort sehen wollen wie der Film/die Serie geworden ist. Aber die Postproduktion dauert nun mal und ich möchte auch, dass am Ende etwas Tolles dabei rauskommt, da lohnt sich das Warten.

Sie waren in der internationalen Presse, weil Sie zum Ensemble der neuen Apple-Serie «Where's Wanda?» gehöre. Können Sie uns verraten, worum es in der Serie geht?
Leider darf ich nicht zu viel verraten, aber es ist eine wirklich lustige Dark-Comedy-Serie, in der es um die Familie Klatt geht. Die Eltern werden von Heike Makatsch und Axel Stein gespielt, die sehr verzweifelt versuchen ihre spurlos verschwundene Tochter wiederzufinden. Da die Polizei mit dieser Aufgabe nicht ganz so voran kommt wie es sich die Beiden wünschen, nehmen sie die Sache selbst in die Hand. Dabei decken sie einige dunkle Geheimnisse in ihrer Nachbarschaft auf. „Where’s Wanda“ ist die erste deutsche Originalserie von Apple TV+.

Sie spielen bei Apple die Rolle der Lenka - wie treibt Ihre Figur die Handlung voran?
Auch hierzu darf ich leider nicht viel verraten, aber ich finde es ist eine der interessantesten Rollen, mit einem spannenden Handlungsstrang.

Sie spielen an der Vaganten Bühne Berlin Ihr eigenes Stück „Fliegende Eier von Sarajevo“. Wie lange haben Sie für das Drehbuch gebraucht?
Ich hatte tatsächlich schon lange bevor ich „Fliegende Eier von Sarajevo“ geschrieben habe, die Idee zu dem Stück, jedoch nie die Zeit dafür gefunden. Das änderte sich dann mit dem ersten Lockdown. Ich weiß das hört sich jetzt klischeehaft an, aber so war es.

Ich habe ungefähr ein Jahr lang sehr intensiv recherchiert und geschrieben. Aber schon davor habe ich immer mal wieder heimlich Sachen notiert, die meine Eltern erzählt haben.

In Ihrem Stück geht es um zwei Kulturen und den Bosnienkrieg. Können Sie das Thema etwas näher erläutern?
Die Protagonistin des Stückes Senna ist während des Bosnienkrieges in Deutschland geboren, also in einer Zeit über die niemand in ihrer Familie spricht. Es gibt nur die Zeit vor dem Krieg und die danach, über das dazwischen wird geschwiegen. Das Stück beschäftigt sich mit Fragen wie: Was bedeutet es zwischen zwei verschieden Kulturen groß zu werden? Wie ist es, wenn man den größten Schmerz seiner eigenen Familie nicht direkt miterlebt hat? Wie bricht man dieses Schweigen und ist es überhaupt ratsam es zu brechen?

Mit dem Älterwerden begreift Senna und beginnt zu hinterfragen. „Fliegende Eier von Sarajevo“ ist ein autobiografisches Stück, das sich mit Heimat, Herkunft und Identität beschäftigt. Der Abend wählt einen sehr privaten Blick auf den Bosnienkrieg aus der Perspektive von Sennas Familie und betrachtet seine Aus- und Nachwirkungen.

Vor zwei Jahren wurden Sie als beste Nachwuchsautorin nominiert. Arbeiten Sie bereits an neuen Stücken?
Ehrlich gesagt rede ich nicht so gerne über unfertige Projekte, weil ich dahingehend ein bisschen abergläubisch bin und Angst habe, dass es Unglück bringt. Ich kann nur so viel verraten: ich schreibe gerade an etwas Neuem.

Sie sind sowohl Schauspielerin als auch Autorin. Macht Ihnen diese Zweifachbelastung Spaß?
Ja, sogar sehr großen Spaß! Es sind total verschiedene Dinge, aber ohne das Eine oder das Andere könnte ich gar nicht mehr. Im Schreiben kann ich auf eine Art kreativ sein, die sehr konzentriert auf eine bestimmte Geschichte ist. Ich recherchiere ewig, lese Bücher, schaue mir Filme an, lasse mich auf viele verschiedene Weisen inspirieren und beginne dann zu schreiben. Ich tauche komplett in die Geschichte ein und vergesse dabei die Zeit. Oft trage ich die Geschichte auch im Alltag mit mir rum, dann fallen mir plötzlich auf dem Weg zur U-Bahn Dialoge oder Szenen ein, die ich sofort notieren muss.
Ganz anders ist es, wenn ich drehe. Da konzentriere ich mich nur noch auf die Rolle und stelle das Schreiben ein. Ich lerne die Texte sehr genau, schau mir Filme und Serien an, die zur Rolle passen. Manchmal musste ich ganz neue Fähigkeiten für Rollen lernen, wie beispielsweise Boxen oder einen fremden Akzent, was großen Spaß gemacht hat. Und die Arbeit am Set ist natürlich etwas ganz anderes als alleine im Zimmer zu sitzen und zu schreiben. Ich hatte bis jetzt immer das große Glück mit richtig tollen Teams zusammenzuarbeiten. So toll, dass ich immer etwas traurig war, wenn der Dreh vorbei war. Auch sich von einer Rolle zu verabschieden die man über Monate gespielt hat ist manchmal nicht leicht, aber ich weiß, dass schon die nächste tolle Rolle auf mich wartet.

Sie haben Ihr Stück „Die fliegenden Eier von Sarajevo“ während der Corona-Pandemie geschrieben. Waren Sie mit den ersten Zuschauerzahlen zufrieden?
Während der ersten Spielzeit durften nur rund 35 Besucher:innen ins Theater und wir waren meistens ausverkauft. Trotz der begrenzten Zuschauerzahl war es immer sehr schön. Wir erzählen eine sehr persönliche Geschichte und sind daher immer sehr mit dem Publikum verbunden. Da ist es am Ende gar nicht so wichtig wie viele Menschen im Theater sitzen. Aber natürlich freue ich mich sehr, wenn es sich so viele Menschen wie nur möglich anschauen. Wir gehen im Oktober in die vierte Spielzeit, was mich sehr glücklich macht und ich mir nie hätte erträumen können. Ich fände es auch schön, wenn Schulklassen sich das Stück anschauen würden, denn ich habe damals in der Schule nichts über den Bosnienkrieg bzw. über die ganzen Kriege in Ex-Jugoslawien gelernt und finde, dass das ein wichtiges Thema ist.

Vielen Dank für die zahlreichen Informationen!

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