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Hätten Sie mich gefragt, auf wen diese Kriterien im Sender am ehesten zutreffen, hätte ich sofort, ohne zu zögern, Pinar Atalay geantwortet. Seit 2021 führt die 46-Jährige Journalistin bei RTL durch das neu erschaffene News-Journal «RTL Direkt» am späten Abend, nachdem sie zuvor sieben Jahre lang eine vergleichbare Tätigkeit für die renommierten «Tagesthemen» im Ersten Deutschen Fernsehen ausübte. Dort konnte sie sich im Schatten von News-Größen wie Thomas Roth, Caren Miosga und Ingo Zamperoni einen derart guten Ruf erarbeiten, dass sie sich für mehr empfahl. Beim Kölner Privatsender sah man dies offensichtlich ähnlich und engagierte sie als ebenbürtige Hauptmoderatorin neben Jan Hofer für das neue Nachrichtenmagazin, wo sie deutlich mehr Einsätze erhalten sollte.
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Skizziertes Ablöseszenario erschien dann in diesem Jahr, nachdem Peter Kloeppel seinen Rückzug verkündete, logisch und konsequent – der Person, der offenbar ja auch RTL selbst das größte Renommee neben dem langjährigen Anchor zuschreibt, würde die mit Abstand reichweitenstärkste und damit wichtigste Nachrichtensendung des Kanals anvertraut werden. Und doch kam alles - aus meiner Sicht überraschend - ganz anders. Anstatt die bereits zum Team gehörende und etablierte Atalay als starke Nachfolge-Gestalt zu benennen, holte man von außen ntv-Nachrichtensprecher Christopher Wittich sowie «Punkt 12»-Moderatorin Roberta Bieling, um mit ihnen zwei Teams zu bilden.
An dieser Stelle zeigt sich ein Gefälle, das einige Fragezeichen aufwirft. Ohne den beiden ihre Kompetenz und Fähigkeit absprechen zu wollen, die auch sie zweifelsfrei an ihren bisherigen Positionen eingebracht haben, so war es doch Atalay, die in der RTL-Riege für am stärksten gehalten wurde, um für das Triell aufgestellt zu werden – und eben nicht Bieling oder Wittich. Daraus erfolgt die Schlussfolgerung, dass nicht (mehr) die stärksten Moderatoren und Moderatorinnen das (quoten-)stärkste Nachrichtenformat des Senders führen werden (was bisher mit Peter Kloeppel vom Renommee her der Fall war). Im selben Atemzug bedeutet dies also eine Schwächung von «RTL Aktuell» in der Außendarstellung.
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Eine Frage der Größenordnung: RTLs «Heute-Journal» ist «RTL Aktuell»
Vergleichen lassen sich diese Konstellationen allerdings nur bedingt. Schließlich weist RTL bei weitem nicht so eine lange «Journal»-Historie am späteren Abend auf, wie die beiden öffentlich-rechtlichen Kanäle. Stattdessen ist es momentan vielmehr noch so, dass im Programm des Deutzer Privatsenders das langläufige «RTL Aktuell» ein klar größeres Kaliber darstellt, als das «Heute-Journal»-Pendant «RTL Direkt» – sowohl was die Reichweite betrifft, als auch die Außenwirkung, die Jahrzehnte lang vom profiliertesten Nachrichtenmann des Senders geprägt wurde. Von der Größenordnung und senderinternen Hackordnung gesehen, ist also «RTL Aktuell» das «Heute Journal» der Kölner. Das von Pinar Atalay moderierte «RTL Direkt» liegt klar dahinter und es darf trotz teils solider Ergebnisse bezweifelt werden, dass sich diese Ordnung in den Köpfen der Zuschauenden je umkehren wird. Das zeigt sich auch an der Auszeichnung der Goldenen Kamera 2018, die neben «Tagesthemen» und «Heute-Journal» eben Peter Kloeppel mit «RTL Aktuell» erhielt.
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Nun lässt sich zu guter Letzt ins Feld führen, dass Atalay dafür ihre Tätigkeit als inzwischen alleinige Hauptmoderatorin von «RTL Direkt» wohl vernachlässigen müsste, die ihrem journalistischen Wirken vielleicht eher entgegenkommt. Diesbezüglich böte sich doch die Chance einer moderaten Neujustierung von «RTL Aktuell», die unter anderem vorsehen könnte, dass die Sendung (zumindest teilweise) aus Berlin gesendet wird, womit Atalay an den jeweiligen Tagen beide Sendungen im Wechsel mit Vertretungs-Moderatoren präsentieren könnte. Darüber hinaus kann dieser Standortvorteil im politischen Zentrum (den die öffentlich-rechtlichen nicht haben) dazu genutzt werden, dem RTL-Nachrichten-Klassiker mehr Vertiefung durch Politikergespräche und (Kurz-)Interviews mit anderen Fachpersonen direkt im Studio zu verschaffen. Im Gegenzug ließe sich Service-Überschuss, der auch bei «Punkt12» laufen könnte, streichen. Oder braucht es in der Hauptnachrichtensendung wirklich Beiträge, wie man morgens beim Aufstehen merkt, ob es ein guter oder schlechter Tag wird? Stattdessen wäre eine längst fällige regelmäßige Klima-Rubrik sinnvoll, in der Atalay mit verschiedenen Akteuren spricht und dabei ihre ganze journalistische Klasse unter Beweis stellen kann. Wenn man dafür die Sendung nach hinten oder vorne raus um fünf Minuten verlängern muss - warum nicht?
Zum Sender gelotst wurde die «Tagesthemen»-Dritte Pinar Atalay, um sie in die erste Reihe zu holen. Nun macht es von außen allerdings wieder den Eindruck, als sei sie erneut übergangen worden. Sollte es nicht ihre eigene Entscheidung gewesen sein, auf die «RTL Aktuell»-Nachfolge zu verzichten (bspw. aus privaten Gründen oder weil sie sich lieber auf das Spätabend-Magazin fokussieren will), ist dies zu respektieren. Sollte dem nicht so sein, gibt RTL damit meiner Meinung nach schon ein merkwürdiges Bild ab.
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