Die Kritiker

«Deine Mutter»

von

Kennen Sie schon Deine-Mutter-Witze? Der neue Wiener «Tatort» ist jedenfalls so fresh wie diese altbackene Humorsorte.

Stab

Darsteller: Harald Krassnitzer, Adele Neuhauser, Hubert Kramar, Christina Scherrer, Günter Franzmeier, Ale Simonovski
Musik: Sebastian Watzinger
Kamera: Sebastian Thaler
Drehbuch: Franziska Pflaum und Samuel Deisenberger
Regie: Mirjam Unger
Also, Wiener «Tatort» und Hip-Hop. Zwei Dinge, die zusammenkommen wie Wiener Schnitzel und Sojasoße – nicht unmöglich, aber man fragt sich doch: Warum? «Deine Mutter» versucht sich nun an einer Milieu-Studie, die so glaubwürdig ist wie ein Gangster-Rap-Album aus dem Hause der Volksmusik. Regisseurin Mirjam Unger debütiert hier im «Tatort»-Kosmos, und man könnte meinen, sie hätte sich das wohlüberlegt, bevor sie beschloss, den Wienern ein Gefühl für Rap einhauchen zu wollen. Aber was soll man sagen? Manche Ideen klingen auf dem Papier besser, als sie es dann letztlich in der Umsetzung eben sind.

Zum Plot: Es geht um „Ted Candy“, einen Newcomer-Rapper mit dem Talent und dem Look, um in der Szene so richtig durchzustarten. Wäre da nicht diese blöde Sache mit dem Leben – das ist nämlich bald vorbei. Davor hat Ted allerdings noch eine Menge Beef mit seinem Mentor Akman Onur, gespielt von Murat Seven, einem Gangster-Rapper, der alles darstellt, was man von einem solchen erwartet: Groß, finster, wahrscheinlich auch nicht der Typ, der auf Familienfeiern lustige Anekdoten zum Besten gibt. Aber auch Akman soll nicht so wirklich der Bösewicht sein. Vielmehr wird das ganze Social-Media-Gedöns als Marketing-Maschinerie entlarvt. Ein cleverer Move in der heutigen Zeit? Vielleicht. Ein guter Plot für einen «Tatort»? Vielleicht vor zehn Jahren.

Apropos clever: Die Dialoge. Man könnte fast meinen, sie wurden in einem Versuchslabor für „Wie-klinge-ich-wie-die-Jugend-von-heute“ entwickelt. Bibi Fellner, gespielt von Adele Neuhauser, versucht sich an Rap-Slang. Und ja, das tut weh. Nicht nur den Ohren, sondern auch dem Seelenheil eines jeden «Tatort»-Fans, der die Reihe wegen ihrer bisweilen anspruchsvollen Themen und der ausgefeilten Wiener Dialoge schätzt. Doch diese Woche klingen sie, als hätte man eine Folge «Berlin – Tag & Nacht» in die Alpen verlegt.

Dann haben wir noch Hary Prinz als Igor Slavin, den hinterhältigen Hintermann und alten Bekannten von Bibi. Er trägt das Böse wie ein Designer-Outfit, immer on point. Aber inmitten der holprigen Storyline wirkt auch er verloren, wie ein Rapper ohne Mikro. Vielleicht hätte man ihm einen „Deine-Mutter“-Witz in die Hand drücken sollen – „Deine Mutter ist so korrupt, dass sie sogar Putin das Fürchten lehrt“ – das hätte wenigstens für einen Lacher gesorgt, wenn schon nicht für Spannung.

Und da liegt das Problem: Spannung sucht man in «Tatort – Deine Mutter» so vergeblich wie Teds Follower nach neuen Tracks. Die Musik plätschert dahin, die Dialoge sind peinlich, und die Geschichte scheint sich selbst nicht ernst zu nehmen. Der Versuch, die Wiener Rap-Szene abzubilden, scheitert am Mangel an Authentizität und einem Willen zur Darstellung der hintergründigen Kultur. Was bleibt, ist ein «Tatort», der weder Fisch noch Fleisch ist, sondern irgendetwas dazwischen – und das dann auch noch halbgar serviert. So wirkt der neue «Tatort» am Ende wie ein schlecht gerappter Diss-Track: Man erkennt, was gesagt werden soll, aber es kommt so cool rüber wie ein 30 Jahre alter Deine-Mutter-Witz.

Der Film «Tatort – Deine Mutter» wird am 15. September im Ersten ausgestrahlt.

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