Interview

Ulrike Kriener: ‚Aber mir sind ernste Themen, auch in Komödien wichtig‘

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In «Alle nicht ganz dicht» wird Barbara im Betriebsrat abgewählt und muss künftig in der Abteilung ihres Sohnes arbeiten. Kriener spricht mit Quotenmeter über das Älterwerden.

Frau Kriener, was hat Sie an der Rolle der Barbara Lucke gereizt, und wie haben Sie sich darauf vorbereitet, diese „rote Barbara“ zum Leben zu erweckt?
An Barbara Luke hat mich interessiert, dass es eine sehr widersprüchliche Frau ist. Sie ist rüpelhaft, frech und übergriffig, aber auf der anderen Seite eine große Kämpferin, solidarisch und engagiert. Die Vorbereitung für dieses Projekt war außergewöhnlich schön für mich. Ich war früh in die Drehbucharbeit mit einbezogen. Und Annette Schröder, die Kostümbildnerin, hat ein großartiges Kostüm für diese Barbara konzipiert. Eine riesen Hilfe.

Barbara Lucke ist eine starke, kämpferische Figur, die sich für ihre Überzeugungen einsetzt. Wie viel von Barbara steckt auch in Ihnen selbst?
Ich denke schon, dass ich einige Eigenschaften mit Barbara Lucke teile. Das Kämpferische habe ich auch und auch die solidarische Grundhaltung, genauso wie den Witz und den Humor.

«Alle nicht ganz dicht» behandelt auf satirische Weise die Herausforderungen der modernen Arbeitswelt und des Generationswechsels. Wie haben Sie persönlich die Veränderungen in der Arbeitswelt und den Generationswechsel erlebt?
Da ich immer gearbeitet habe, konnte ich in die Veränderungen meiner Arbeitswelt langsam hineinwachsen. Ich habe die Umstellung von analogem Filmmaterial auf digitales Drehen, als den größten Einschnitt empfunden. Von da an hat sich das Tempo in der Arbeit immens erhöht. Und das ist natürlich nicht immer vorteilhaft. Und was den Generationswechsel angeht… Ich bin mittlerweile immer die Älteste am Set. Stört mich allerdings nicht, solange ich die Energie habe und den Spaß an der Arbeit.

Die Beziehung zwischen Barbara und ihrem Sohn Bastian ist von vielen Konflikten geprägt. Wie haben Sie und Tim Oliver Schultz die Chemie für diese Mutter-Sohn-Dynamik am Set entwickelt?
Es gab natürlich eine Leseprobe. Aber grundsätzlich ist es so: Wir sind zwei Schauspieler, die sich nicht kennen und für diese Arbeit aufeinanderprallen. Das alleine macht ja schon großen Spaß. Und dann bin ich im echten Leben eine Mutter, und Tim ist im echten Leben auch ein Sohn. D.h., wir haben unseren Bezugsrahmen, wir haben Erlebnisse und Erfahrungen, auf die wir uns innerlich beziehen können.

Sie haben sowohl in Komödien als auch in Krimis gespielt. Welche besonderen Herausforderungen bringt die Komödie mit sich, und was macht Ihnen daran besonders Spaß?
Grundsätzlich spiele ich beides gern. Aber Krimis orientieren sich in ihren Geschichten an der Realität. Und in Komödien gibt es eher außergewöhnliche und überhöhte Situationen. Das gibt mir die Möglichkeit, weiter über mich hinauszugehen. Es verlangt oft mehr Mut. Und das gefällt mir.

Der Film greift auch das Thema Altersdiskriminierung auf, aber auf eine humorvolle Weise. Wie wichtig ist es Ihnen, solche gesellschaftlichen Themen in Ihren Rollen zu thematisieren?
Natürlich will ich niemanden belehren. Aber mir sind ernste Themen, auch in Komödien wichtig. Und ich finde, gerade die Komödie bietet ganz wunderbare Möglichkeiten, um etwas zu thematisieren, was einem wichtig ist. Nur wer offen ist, hört zu. Und lachen oder schmunzeln öffnet nun mal Herz und Verstand.

Wie haben Sie die Veränderungen in der Film- und Fernsehbranche über die Jahre hinweg erlebt, insbesondere in Bezug auf die Rollen für Frauen über 47?
Das ist ein schwieriges Thema. Tendenziell wird das Budget für einen Film immer knapper, was zu mehr Stress führt. Gleichzeitig wird aber erwartet, dass das Niveau gleich bleibt, bzw. steigt. Wie soll das gehen? Und der ständige Druck, erfolgreich zu sein, führt dazu, dass die Orientierung darauf, was man für wichtig erachtet zu erzählen, in den Hintergrund gerät.

«Alle nicht ganz dicht» zeigt, wie die alte und die neue Arbeitswelt aufeinanderprallen. Glauben Sie, dass es möglich ist, einen harmonischen Übergang zwischen diesen Welten zu schaffen?
Das glaube ich ganz sicher! Das Wichtigste ist, dass man im Gespräch bleibt. Wir müssen miteinander reden. Wir müssen Widersprüche aushalten können. Und wenn wir es zu zweit nicht hinkriegen, dann muss man einen Mediator dazu ziehen. Ich habe darüber gelesen, dass es Firmen gibt, die Mediatoren einstellen, um dem Generationskonflikt in der Belegschaft zu begegnen. Ich halte das für eine sehr gute Idee. Einfach dass es jemand Dritten gibt, der vermitteln kann und der eine andere Sichtweise hat. Wir verlieren doch sonst viel zu viel Potenzial mit Streitereien und Kleinigkeiten.

«Alle nicht ganz dicht» ist eine Liebeserklärung an Frauen 47+. Was bedeutet für Sie „in Würde altern“, und wie gehen Sie persönlich mit diesem Thema um?
In Würde altern… Das ist ein komisches Schlagwort geworden. Jeder Mensch hat Würde, egal welchen Alters. Für mich persönlich heißt das: Ich möchte ernst genommen werden, mit meinen Erfahrungen, meinen Erlebnissen und mit meinem Recht auf Teilhabe. Es heißt auch Dinge nicht festzuhalten, die vorbei sind. Einfach mit dem Leben mitgehen. Und irgendwann auch das Ende sehen. Und dann trotzdem weiter nach vorne schauen.

Vielen Dank für Ihre Zeit!

«Alle nicht ganz dicht» ist bereits in der ZDFmediathek verfügbar. Die lineare Ausstrahlung erfolgt am Donnerstag, den 26. September, um 20.15 Uhr.

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