Als wissenschaftliche Mitarbeiterin der Frankfurter Goethe-Universität ist Samira Akbarian sowohl für den Bereich Öffentliches Recht als auch für Rechtsphilosophie zuständig. In Ihr Buch "Recht brechen - Eine Theorie des zivilen Ungehorsams" fließt beides ein. Das Ergebnis ist eine interessante Theorielektüre, die zugleich ein lebendiges Plädoyer für eine demokratische Kultur ist.
Ziviler Ungehorsam hat eine lange Tradition. Beim historischen Rückblick fällt oft der Name Mahatma Gandhi. Der Inder - wie die Autorin ein Jurist - setzte sich der Kolonialmacht entgegen; das tat er sprichwörtlich auf der Straße. In bewusst gewaltfreien Blockadeaktionen stritt unbequem für politische Forderungen. Auf Menschen wie ihn geht die Idee des zivilen Ungehorsams zurück. Die konkrete Ausübung nimmt unterschiedliche Formen an. Samira Akbarian fragt sich, wie er sich heute entwickelt. Eingesetzt werden die Störaktionen von unterschiedlichen Gruppen. Wenn Klimakleber sich auf der Straße befestigen, ist ebenso von zivilem Ungehorsam die Rede wie bei Bauern, die mit Traktoren Straßen blockieren. Während der Coronajahre gab gar mancher Maskenverweigerer vor, zivilen Ungehorsam zu leisten. Aber stimmt das überhaupt? Wann wird Ungehorsam zur demokratischen Bürgerpflicht? Und wie kann eine Gesellschaft auf der anderen Seite vermeiden, dass sie von solchen Störaktionen lahmgelegt wird.
In ihrem Buch geht Akbarian beiden Fragestellungen nach. Historisch informiert besinnt sie sich bis auf "Störenfriede" wie den griechischen Philosophen Sokrates zurück. Sie zeigt, dass Recht nicht in Stein gemeißelt ist, sondern sich entwickelt. In manchen Fällen ist der Bruch notwendig, um diese Entwicklung voranzutreiben. Insofern liefert das Buch ein leidenschaftliches Plädoyer für das, was die Politikwissenschaftlerin Seyla Benhabib einmal "jurisgenerative Politik" genannt hat. Auf der anderen Seite schreibt Akbarian genauso engagiert, wenn es um die Verteidigung der Verfassung geht. Dadurch zeigt sie, dass ziviler Ungehorsam nicht per se sinnvoll ist. Man muss ihn durch vernünftige Argumente begründen.
Über Argumente freilich lässt sich streiten. Und in der Demokratie soll mit ihnen gestritten werden. Aus ihrer sorgsamen Abwägung heraus spricht sich die Autorin für eine lebendige Demokratie aus. In ihr werden Störaktionen als Teil der Demokratie begriffen. Die begründeten Hinweise hinter einem Protest und der politische Impuls für mehr Gleichheit zeichnen die freien Gesellschaften aus. Akbarian ist insofern der Meinung, dass ziviler Ungehorsam die Demokratie nicht stört, sondern stärkt.
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