Hallo Frau Philipp! Sie spielen in «Murot und das 1000-jährige Reich» eine doppelte Rolle als Magda Wächter und Else Weiß. Wie haben Sie sich auf die Herausforderung vorbereitet, zwei so unterschiedliche Charaktere darzustellen?
So unterschiedlich sind die beiden Figuren gar nicht, es findet eigentlich nur ein Perspektivwechsel statt. Wächter und Murot sind ein Paar, das sich bestens kennt und ein tiefes Vertrauen zueinander hat. Aber Else hegt gegenüber Rother (Murots Figur in 1944) zurecht tiefstes Misstrauen, dass sie im Verlauf der Geschichte mehr und mehr zu seiner Co-Ermittlerin wird, passiert nicht freiwillig, es schwingt immer der Verrat mit. Den anderen Reiz, den es hatte, war natürlich, dass der Kommissar sich diesmal für das Fräulein Else interessiert und sie umgarnt, Wächter ist normalerweise ja eher Murots Verbündete, die ihn aus den Fängen gefährlicher Damen retten muss. …
Welche Emotionen haben Sie bei der Darstellung dieser Rolle begleitet, insbesondere in so einer sensiblen und düsteren historischen Phase?
So eine Dame ist Else zwar nicht, aber sie muss ein Geheimnis schützen, sich verstellen und sehr auf der Hut sein, damit sie sich und andere nicht in große Gefahr bringt.
Der Tatort spielt im Jahr 1944 und beschäftigt sich mit einem historischen Mordfall. Wie hat es sich für Sie angefühlt, in diese Zeit zurückversetzt zu werden?
Ich habe bisher leider viel zu selten in historischen Filmen dieser Zeit, die mich immer schon sehr beschäftigt haben, gespielt. Dabei finde ich, dass ich da mit meinem vielleicht etwas altmodischen Gesicht sehr gut reinpasse. Aber es ist eben auch so, dass die Nazizeit meistens über Männer erzählt wird, da spielen Frauen anscheinend keine so erzählenswerten Rollen.
Der neue Tatort wurde größtenteils im Freilichtmuseum Hessenpark gedreht. Wie hat dieser historische Drehort die Atmosphäre und Ihre schauspielerische Leistung beeinflusst?
Gute Kostüme und die richtige Ausstattung sind immer die halbe Miete, um einen in die Stimmung der Figuren zu bringen. Wir haben ja etwa einen Monat im Hessenpark gedreht, diese unglaublich vielseitigen original Bauten und Straßen wirken so authentisch, dass man wirklich in ein Zeitloch gefallen ist. In der Geschichte ist es ein Dorf, das vom Krieg bisher zwar verschont geblieben ist, aber der Terror ist unterschwellig auch dort längst angekommen.
Der Tatort «Murot und das 1000-jährige Reich» thematisiert die NS-Zeit. Wie wichtig finden Sie es, solche Geschichten heute im Fernsehen zu erzählen, und was können wir daraus für die Gegenwart lernen?
Diese zwölf Jahre Gewaltherrschaft der Nationalsozialisten haben Deutschland und die Welt bis heute in einer Art erschüttert, traumatisiert und verändert, dass man nie aufhören sollte über die Ursachen und Gefahren nachzudenken, die solch größenwahnsinnige und menschenverachtende Gesellschaftsstrukturen hervorbringen. Und wenn es heute noch und leider wieder vermehrt Leute gibt, die bei den, ja auch noch selbstangezettelten, verlorenen Weltkriegen von Schmach reden und die Verluste in jeder Familie, aber vor allem die Vernichtung und Auslöschung ganzer Volksgruppen kleinreden, verharmlosen oder sogar rechtfertigen wollen, dann haben wir wirklich immer noch nicht viel dazugelernt.
Sie haben eine beeindruckende Film- und Theaterkarriere hinter sich, von «Dark» bis «Babylon Berlin». Welche Unterschiede sehen Sie in der Arbeit an großen Serienprojekten im Vergleich zu Ihrer langjährigen Rolle im Tatort?
Der «Tatort» ist im Grunde ja auch ein Serienprojekt, unsere Figuren folgen schon auch einem roten Faden, entwickeln sich weiter, weil immer mal wieder eine neue Facette dazukommt. Unsere «Tatorte» spielen zwar mit verschiedenen Genres aber Murot und Wächter sind schon die Konstante. Und es macht Spaß, wenn eine Figur einen so lange begleitet und ein Stück von einem wird.
Ihre Figuren sind oft sehr eigenwillig und charakterstark. Woher nehmen Sie die Inspiration für diese vielschichtigen Rollen?
Da muss ich - glaube ich – gar nicht so hart dran arbeiten, ein bisschen was scheine ich wohl von Haus aus mitzubringen!😉
Die Beziehung zwischen Murot und Wächter ist für viele Fans ein Highlight. Wie würden Sie die Entwicklung dieser Beziehung über die Jahre hinweg beschreiben?
Man folgt den beiden, bei einer eigenwilligen Freundschaft, beide pflegen sie nach wie vor einen sehr höflichen Umgang miteinander, ohne dabei distanziert zu sein, Ich sehe Sie immer ein bisschen so, wie ein altes Filmehepaar aus den 40-/50er Jahren, wie Spencer Tracy und Kathrine Hepburn, weshalb ich wahnsinnig gerne auch mal mit Ulrich Tukur eine Screwball-Comedy als «Tatort» machen würde, wo sich das Paar die flapsigen Sprüche nur so um die Ohren hauen darf.
Was können die Zuschauer Ihrer Meinung nach von «Murot und das 1000-jährige Reich» erwarten, das diesen «Tatort» von den bisherigen Fällen abhebt?
Es ist diesmal eine sehr düstere Geschichte und eine irritierende dazu, denn gerade die Rolle von Ulrich Tukur ist erstmals sehr zwiespältig, ein Kommissar, von dem man nicht weiß auf welcher Seite er eigentlich steht. Man will ihn mögen aber traut ihm nicht über den Weg. Diese Ambivalenz finde ich passt leider auch schon wieder gut in unsere Zeit, die Leute werden im Umgang mit Anderen, die nicht zur eigenen Blase gehören, immer unsicherer, ablehnender und vorbehaltener, man traut seiner Menschenkenntnis nicht mehr.
Wie zufrieden sind Sie mit Ihrem Kino-Spielfilm «Die Ermittlung»?
«Die Ermittlung» war die wichtigste und intensivste Arbeit, bei der ich in den letzten Jahren mitmachen durfte. ‚Zufrieden' ist kein Begriff den ich für einen Film, der den Ausschwitzprozess behandelt, herbeiziehen möchte. Aber ich stehe voll und ganz hinter diesem hochkonzentrierten Film, der es auf herausragende Art schafft, einen in den Bann zu ziehen und einen zwingt, sich mit diesen Menschenunwürdigen Verbrechen auseinanderzusetzen und sich über die Eigenverantwortung eines jeden einzelnen ganz neu Gedanken zu machen.
Vielen Dank für Ihre Zeit!
«Tatort: Murot und das 1000-jährige Reich» ist am Sonntag, den 20. Oktober 2024, im Ersten zu sehen.
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