Interview

Maximilian Brückner: ‚Es ist unglaublich schwierig, das zu erzählen‘

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Der Münchener Schauspieler Brückner ist in dem neuen Ukraine-Drama «Mein Kind» zu sehen. In dem ZDF-Film möchte seine Familie ein Kind adoptieren.

Niclas Koch steht im Film vor der schwierigen Entscheidung, eine Leihmutter in Kriegszeiten zu unterstützen. Wie haben Sie sich emotional auf diese Rolle vorbereitet?
Mir ist bewusst geworden, als ich den Film sah, dass der Krieg schon fast wie eine Art Normalität wirkt. Ich habe gemerkt, wie abgestumpft ich war, und es hat mich sehr geschockt, zu sehen, wie man das unterbewusst angenommen hat und vielleicht gar nicht mehr sehen will. Mir wurde klar, wie wichtig es ist, dieses Land zu unterstützen.

Der Kriegsausbruch in der Ukraine ist ein zentrales Thema des Films. Wie haben Sie diese Realität am Set verarbeitet und wie hat es Ihre Interpretation von Niclas beeinflusst?
Die größten Spannungen entstehen, glaube ich, dadurch, dass man sich in diesem Wunsch, ein Kind zu bekommen, verliert. Man ordnet diesem Wunsch irgendwann alles unter, auch seine Menschlichkeit und Moral. Schon bei der Entscheidung für eine Leihmutterschaft bewegt man sich in einem moralisch fragwürdigen Bereich. Die große Herausforderung ist, wie weit man bereit ist, für dieses Ziel zu gehen. Man verliert sich als Paar, weil der eine vielleicht weitergehen will und der andere nicht. Wie weit sollte man das treiben?

Niclas und Judith gehen durch große Spannungen in ihrer Ehe. Was glauben Sie, sind die größten Herausforderungen für Paare in einer solchen Situation?
Ich verstehe den tiefen Wunsch nach einem Kind vollkommen, aber ich weiß auch nicht, wie man das einordnen soll. Es gibt ja auch die Möglichkeit, Kinder zu adoptieren. Es ist unglaublich schwierig, das zu erzählen, und das macht dieses Thema auch so spannend.

Niclas stellt den Kinderwunsch nach dem Kriegsausbruch zunehmend infrage. Was hat Sie besonders an dieser inneren Zerrissenheit Ihrer Figur fasziniert?
Diese Zerrissenheit, weil er den Kinderwunsch zunehmend infrage stellt, ist natürlich ein dramaturgischer Griff des Drehbuchs, aber es ist sehr gut gemacht. Die Frau, die das unbedingt will, wird immer fanatischer, um Mutter zu werden, während Niclas das zunehmend hinterfragt. Es wird für ihn immer schwieriger, weil er nicht weiß, wo man aufhören soll. Der Kriegsausbruch macht alles noch dramatischer, weil er real ist.

Der Film beleuchtet ethische und rechtliche Fragen zur Leihmutterschaft. Haben Sie durch Ihre Rolle neue Perspektiven zu diesem Thema gewonnen? Sollte sich auch Deutschland für eine Legalisierung einsetzen?
Ich kann diese Frage nicht wirklich beantworten. Ich verstehe den unbedingten Wunsch nach einem Kind und kann das total nachvollziehen. Gleichzeitig ist es aber unglaublich, für jemanden ein Kind auszutragen. Das Kind hat man neun Monate im Bauch, und dann gibt man es ab. Wie schafft man es, dabei eine emotionale Distanz zu bewahren? Ich weiß nicht, wie das gehen soll. Die Frauen brauchen das Geld dringend, und es gibt ein krasses Ungleichgewicht zwischen Reich und Arm. Das mochte ich auch am Film – die Familie ist keine arme Familie, was das Ganze noch moralisch komplizierter macht. Nur reiche Leute können sich das leisten.

Was war für Sie die emotional herausforderndste Szene im Film, und wie haben Sie diese gemeistert?
Ich fand den Punkt am interessantesten, wie Niclas versucht, seine Frau zurückzugewinnen, während er das Gefühl hat, sie zu verlieren. Das war eine Herausforderung, diese Balance zu finden, ohne die Liebe zu seiner Frau zu verlieren. Niclas versucht irgendwie, der moralische Kompass zu bleiben, aber schon die Entscheidung, eine Leihmutter zu beauftragen, ist fragwürdig. Es hat mich schockiert, wie viel Geld die Agenturen bekommen und wie wenig die Frauen selbst. Besonders krass fand ich, dass die Frauen im Falle eines Schwangerschaftsabbruchs fast gar nichts erhalten. Sie bekommen während der Schwangerschaft wenig Geld und das meiste erst bei einer erfolgreichen und gesunden Geburt.

Der Film zeigt eindrücklich, wie stark äußere Krisen eine Ehe und die persönliche Identität beeinflussen können. Was glauben Sie, macht Niclas' Entwicklung durch den Film aus?
Ich glaube, Niclas versucht, ein moralischer Kompass zu bleiben, aber die Entscheidung für eine Leihmutter macht ihm zunehmend Schwierigkeiten. Er sieht das Ganze realistischer als seine Frau. Besonders krass fand ich, wie viel Geld die Agenturen bekommen und wie wenig die Frauen davon sehen. Es ist ein sehr ungleiches System, in dem die Frauen, die das Geld am dringendsten brauchen, am wenigsten erhalten.

Sie spielen neben Lisa Maria Potthoff und der Ukrainerin Alina Danko. Wie war die Zusammenarbeit mit diesen starken Frauen in einem so sensiblen und emotional aufgeladenen Film?
Das war relativ einfach, weil meine Kollegen hervorragende Schauspieler sind. Wenn man gute Kollegen um sich hat, fühlt sich das an wie eine Welle, die man reitet. Die Puzzleteile fügen sich schnell zusammen, weil jeder instinktiv das Richtige macht. Mit einer großartigen Regisseurin wie wir sie hatten, ist es dann gar nicht so kompliziert. Es ist wie bei einem Puzzle: Anfangs sieht man die Teile nicht, aber dann fügt sich alles zusammen.

«Mein Kind» zeigt eindrucksvoll die Dramatik und die Ungewissheit des Krieges. Wie sehr hat Sie dieser Film auch nach den Dreharbeiten noch beschäftigt?
Ich bin normalerweise gut darin, nach einem Dreh abzuschalten und sehe das alles eher trocken. Aber dieser Film hat mich wirklich mitgenommen, besonders bei der Premiere, als mir klar wurde, wie sehr dieses Thema uns alle betrifft. Wir hatten selbst zwei Familien hier aufgenommen – zwei Frauen und fünf Kinder. Das war eine anstrengende Zeit, aber wir haben das relativ früh gemacht, weil wir helfen wollten. Deswegen beschäftigt mich dieses Thema auch immer noch, und ich hoffe, dass die Unterstützung für die Ukraine nicht nachlässt.

Der Film thematisiert nicht nur persönliche Schicksale, sondern auch aktuelle politische Themen. Was wünschen Sie sich, dass das Publikum aus dem Film mitnimmt?
Ich finde die Unterstützung der Ukraine extrem wichtig. Es ist ein Angriffskrieg, und Russland hat sich schon die Krim geschnappt, ohne dass jemand groß darauf reagiert hat. Ich glaube, dieser Konflikt hört nicht einfach auf. Es ist im Eigeninteresse, die Ukraine zu unterstützen. Vor diesem Krieg wusste ich wie viele andere auch nicht viel über die Ukraine, aber es ist eine Kornkammer Europas. Die Globalisierung, die ich früher oft kritisiert habe, zeigt jetzt, wie vernetzt die Länder sind und welche Auswirkungen ein solcher Krieg hat. Diese Vernetzung schützt uns alle.

In «Gute Freunde» spielen Sie Robert Schwan, eine historische Figur, die den FC Bayern entscheidend geprägt hat. Was hat Sie an dieser Rolle am meisten gereizt?
Es hat mich sehr gereizt, diese Figur zu spielen, weil ich einen großartigen Partner in Michael Grimm hatte. Wir zwei waren wie Asterix und Obelix, und es hat großen Spaß gemacht, die Dynamik zwischen den beiden auszuloten. Robert Schwan hat den modernen Fußball in gewisser Weise geprägt, besonders den Verkauf der Spieler als Marken. Er hat versucht, daraus Kapital zu schlagen, was ihn als Figur unglaublich spannend macht.

Wie intensiv haben Sie sich mit der Geschichte des FC Bayern und der Rolle von Robert Schwan auseinandergesetzt, um ihn authentisch darzustellen?
Ehrlich gesagt, habe ich mich nicht so sehr mit der Geschichte des FC Bayern auseinandergesetzt. Ich versuche, den Charakter zu definieren. Zufälligerweise habe ich jemanden getroffen, der Robert Schwan gut kannte und mir private Geschichten über ihn erzählt hat. Das war viel interessanter als ein Buch. Durch diese persönlichen Einblicke habe ich schnell ein Bild von ihm bekommen und wusste, wie ich die Rolle angehen muss.

«Mein Kind» ist am Montag, den 8. Oktober 2024, um 20.15 Uhr zu sehen.

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