Stab
Darsteller: Ulrich Tukur, Barbara Philipp, Ludwig Simon, Cornelius Obonya, André Meyer, Melanie StraubKamera: Max Preiss
Drehbuch: Michael Proehl und Dirk Morgenstern
Regie: Matthias X. Oberg
Dabei fängt es noch verheißungsvoll an: Hagen von Strelow, ein ehemaliger Nazi-Verbrecher, wird aus Südamerika nach Deutschland überführt, um sich seiner Vergangenheit zu stellen. Murot und seine Assistentin Wächter (Barbara Philipp) erwarten ihn schon am Frankfurter Flughafen. Ein Mann, der im besten Hollywood-Stil der Gerechtigkeit nach all den Jahren doch nicht mehr entkommen kann. Historischer Thrill soll auf moralische Abrechnung treffen – doch damit hat es sich mit der Spannung auch schon gehabt. Denn nun wird es wirr:
Fast voll und ganz verliert sich der Film ab diesem Punkt in der Vergangenheit. Ein Rückblick ins Jahr 1944, Murot wird plötzlich zum Ermittler Rother, der mitten im Chaos des Zweiten Weltkriegs in einem Dorf den Todesfall eines britischen Piloten aufklären soll. Eine spannende Idee – das Aufeinandertreffen von Widerstand, Mitläufern und Nazischergen in einer ländlichen Idylle, und wenn es einen «Tatort»-Kommissar gibt, den man einfach mal 80 Jahre in die Vergangenheit verpflanzen kann, dann ist das der Wiesbadener Ermittler.
Aber: Wo bleibt die Dynamik? Statt intensiver Dramatik wird die Geschichte zäh wie Kaugummi. Und die Charaktere? Flach. Es fehlt gerade an der psychologischen Tiefe, die man sonst von Murot kennt. Der kriegsmüde Rother ist bemüht, die brisanten Dokumente des ermordeten Piloten vor den Nazis zu verstecken und gleichzeitig die untergetauchte Jüdin Else Weiß (ebenfalls Barbara Philipp) zu schützen. Das sollte für Spannung sorgen. Stattdessen ist es ein ewiges Hin und Her ohne Höhepunkt.
Das größte Problem: Man wird die ganze Zeit das penetrante Gefühl nicht los, dass sich die Autoren von ihrer vermeintlich genialen Idee eines Weltkriegs-Widerstands-«Tatorts» hinweg reißen ließen und dabei prompt vergaßen, dass für ein eindrückliches Seherlebnis auch die Story aus sich heraus überzeugen muss. Stattdessen wirkt der fertige Film, als hätte man zwanghaft versucht, historische Bedeutung und moralische Komplexität hineinzupressen. Aber das funktioniert eben nur, wenn man eine klare Linie findet – und die fehlt hier völlig. Der Film mäandert zwischen Nazi-Krimi, Murot-Psychogramm und Zeitsprung-Spielerei. Dabei bleibt alles irgendwie unfertig, keine Szene entfaltet die emotionale Wucht, die man von so einem Thema erwarten würde.
Hinzu kommt: Ulrich Tukur. Normalerweise ist er als Murot eine Bank – souverän, facettenreich, melancholisch, ein Kommissar, der sich der Abgründe in sich und um sich herum stets bewusst ist. Aber hier? Tukur wirkt gelangweilt. Sein Spiel ist routiniert und gerade deshalb fehlt die Intensität, die er sonst so mühelos auf den Bildschirm bringt. Am Ende bleibt man damit nur umso ratloser zurück. Ein «Tatort», der auf allen Ebenen hätte zünden können, aber dem dieser letzte Schliff einfach nicht gelingt.
Der Film «Tatort – Murot und das 1000-jährige Reich» wird am Sonntag, den 20. Oktober um 20.15 Uhr im Ersten ausgestrahlt.
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