Die Kritiker

«Ungeschminkt»

von

Einst hieß sie Josef, heute ist sie Josefa: Adele Neuhauser kehrt in ihr altes Heimatdorf zurück.

Stab

Darsteller: Adele Neuhauser, Hayal Kaya, Eva Mattes, Ulrich Noethen, Matthias Matschke, Florian Jahr
Musik: Johannes Repka
Kamera: Joe Berger, Alex Püringer und Philipp Habenicht
Drehbuch: Uli Brée
Regie: Dirk Kummer
«Ungeschminkt» ist ein Film, der mit einer bemerkenswerten Feinsinnigkeit das Thema Geschlechteridentität aufgreift, ohne dabei auf den erhobenen Zeigefinger abzustellen. Vielmehr gelingt es Regisseur Dirk Kummer und Drehbuchautor Uli Brée, mit der Geschichte von Josefa eine intime und doch universelle Reise zu erzählen, die das Publikum leise, aber nachhaltig beeindruckt. Adele Neuhauser in der Hauptrolle gerät dabei schnell zur Seele des Films, und sie füllt diese Rolle mit einer Balance aus Verletzlichkeit und Selbstbewusstsein, die keine große Dramatik nötig hat, um tief unter die Haut zu gehen.

Nach vierzig Jahren kehrt Josefa, die früher Josef war, zurück in ihr Heimatdorf – ein Neuanfang inmitten von Altlasten. Denn hier treffen all die losen Enden aufeinander, die sie einst hinter sich lassen wollte, als sie das Dorf als junger Josef verließ. Schon hier wird klar: Dies ist kein reißerisches Drama, sondern vielmehr ein sanftes Aufrollen alter Konflikte und stiller Erinnerungen. Damit erhält der Film bereits früh eine leise und individuelle Note: Eva Mattes als Petra, einst Josefs Ehefrau, zeigt, dass sie genauso gefangen in der Vergangenheit ist wie Josefa. Ihre gemeinsamen Szenen sind reduziert und tief zugleich, worin früh die zentrale Stärke des Films deutlich wird: Er spricht mehr durch Gesten und Blicke als durch große Impressionen.

Der Umgang mit der Lebensrealität von trans Menschen ist dabei durchwegs von Respekt und Feinsinnigkeit durchdrungen. Es wird nichts erklärt oder aufgedrängt – Josefas Weg als Frau wird weder dramatisch inszeniert noch übermäßig problematisiert. Der Film zeigt, wie Identität zuvorderst ein innerer Prozess ist, dem äußere Worte oft nicht gerecht werden. Stattdessen setzt «Ungeschminkt» auf Stille und unausgesprochene Spannung, die fast körperlich spürbar wird. Damit wird auch die Zeit, die Josefa und Petra gemeinsam verpasst haben, nachdrücklich greifbar – das unsichtbare Band, das einst auf Spannung stand, aber nie zerrissen ist.

Ulrich Noethen als Blume, Josefas alter Freund aus der Zeit, als sie noch Josef hieß, bringt derweil eine nicht minder sympathische Wärme in die Geschichte. Die Vergangenheit steht auch bei ihm unausgesprochen im Raum, und Noethen verkörpert die Unsicherheit eines Freundes, der einst von Josefs Weggang überrascht und vielleicht verletzt war. Dass der Film auch die Dorfgemeinschaft – dieses schwer greifbare und doch bestimmende Geflecht aus Erwartungen und Traditionen – behutsam integriert, unterstreicht dabei die gute Regiearbeit von Dirk Kummer.

«Ungeschminkt» lebt als eindringlicher und nahbarer Film unweigerlich davon, dass er nichts behauptet oder erkämpft. Josefas Rückkehr ist keine triumphale Rückeroberung einer alten Welt, sondern ein leises Aufeinandertreffen von Vergangenheit und Gegenwart. Die Kameraarbeit von Joe Berger, Alex Püringer und Philipp Habenicht unterstreicht diesen Ansatz gekonnt, indem sie Josefa in emotional nachhallenden Bildern zeigt – als würde sie sich in diesem vertrauten, aber fremd gewordenen Umfeld neu verorten müssen. Die Musik von Johannes Repka rundet diese emotionale Hintergründigkeit derweil gekonnt ab.

Damit ist «Ungeschminkt» kein Film, der laut auf die Themen Identität und Akzeptanz hinweist, sondern seine Zuschauer am Leben einer Figur teilhaben lässt, die weit mehr ist als nur eine transgeschlechtliche Protagonistin. Damit erzählt der Film eine Geschichte über Heimat, Vergebung und das Einverständnis mit sich selbst – und genau in dieser Zurückhaltung liegt seine Stärke.

Der Film «Ungeschminkt» wird am Mittwoch, den 13. November um 20.15 Uhr im Ersten ausgestrahlt.

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