Die Kritiker

«Bis zur Wahrheit»

von

Maria Furtwängler spielt eine vergewaltigte Neurochirurgin, deren Umfeld ihr mit einer bitteren Eiseskälte begegnet.

Stab

Darsteller: Maria Furtwängler, Margarita Broich, Damian Hardung, Pasquale Aleardi, Uwe Preuß
Musik: Jonas Nay und David Grabowski
Kamera: Roland Stuprich
Drehbuch: Lena Fakler
Regie: Saralisa Volm
Ein Film, der sich einem so komplexen und sensiblen Thema wie sexualisierter Gewalt verschreibt, trägt von Beginn an eine enorme Verantwortung. «Bis zur Wahrheit» nimmt diese Last auf sich, vielleicht ein wenig zu selbstbewusst, und rückt dabei die Frage der weiblichen Selbstbestimmung ins Zentrum. Was auf dem Papier nach einer packenden Charakterstudie klingt, hinterlässt auf dem Fernsehschirm jedoch oft das Gefühl, dass die Tiefe des Themas die filmische Umsetzung bisweilen deutlich überfordert.

Maria Furtwängler spielt Martina, eine erfolgreiche Neurochirurgin, Familienmensch, scheinbar perfekt in all ihren Rollen, und bildet damit fraglos den emotionalen Anker des Films. Ihr gelingt es, die anfängliche Erschütterung und das allmähliche Zerbrechen der Fassade eindrucksvoll darzustellen, das mit einem sexuellen Übergriff in ihr Leben Einzug hält.

Doch genau hier liegt gleichsam eine zentrale Schwäche von «Bis zur Wahrheit»: Martina wird zum Prototyp des gesellschaftlich höhergestellten Opfers stilisiert, dessen Trauma durch das soziale Umfeld stets auf eine Weise infrage gestellt wird, die im Jahr 2024 betont befremdlich wirkt. Die Konfrontation mit dem Freundeskreis, mit Ehemann Andi (Pasquale Aleardi), und schließlich mit dem Täter Mischa (Damian Hardung) ist zweifellos dramatisch, aber die Dialoge wirken dabei oft steif und gekünstelt, wie wenn sie dezidiert auf eine spezifische emotionale Wirkung zielen würden, ohne dabei wirklich die innere Logik der Figuren zu reflektieren. Dabei bleibt die Frage offen, ob es wirklich Martina ist, die kämpft, oder ob der Film einfach eine Illustration dessen abgeben will, was von einem Opfer in einem solchen Szenario eben „erwartet“ wird.

Der Auslöser der Handlung, ein gemeinsamer Urlaub mit dem befreundeten Ehepaar Jutta (Margarita Broich) und Torsten (Uwe Preuß), soll dabei die Zerbrechlichkeit vermeintlich stabiler Beziehungen und Wertevorstellungen auf den Punkt bringen. Doch auch hier bleibt «Bis zur Wahrheit» allzu statisch an der Oberfläche. Der Angriff auf Martina wird – durchaus einer äußerst problematischen gesellschaftlichen Haltung folgend – zunächst als „Problem“ behandelt, das es zu „handhaben“ gilt. Das treibt zwar den Handlungsbogen voran, belässt aber die emotionale Tiefe des Traumas auf einer dramaturgisch unzureichenden Ebene. Ein subtilerer Umgang mit dem Geschehenen wäre auch erzählerisch zweckdienlicher gewesen, um in diesem Kontext eine ehrlichere Empathie zu wecken. Stattdessen wird der Film zu plakativ von Symbolen und Aussagen durchzogen, die mehr über den Versuch eines „Bedeutungsschaffens“ aussagen als über ein echtes Durchdringen des Themas.

Die Chemie zwischen Furtwängler und ihrem Filmpartner Pasquale Aleardi (Andi) trägt den Film stellenweise durchaus gekonnt, aber sobald Andis Reaktion auf Martinas Offenbarung als eine Art „Täterkonfrontation“ inszeniert wird, verliert sich die erzählerische Kraft im moralischen Dilemma. Es ist nachvollziehbar, dass die Freunde zur Rede gestellt werden – schließlich ist das Schweigen unerträglich. Die Reaktion der Gemeinschaft fällt aber schließlich so klischeehaft aus, wie es der Film für seine Aussage braucht: Statt auf eine nuancierte Auseinandersetzung setzt die Inszenierung auf einen Hauch von Schockeffekten, um die brachiale Gewalt unserer Gesellschaft noch zu verstärken. Dies lässt die Charaktere jedoch oft übertrieben stereotyp wirken, fast, als wären sie bloß Statisten in Martinas emotionaler Reise. Die Freunde, die zögern, die Wahrheit anzuerkennen; der Ehemann, der versucht, das Geschehen zu „managen“ – all das mag dramaturgisch funktionieren, geht aber an der tatsächlichen thematischen Komplexität vorbei.

Die Regie von Saralisa Volm ist indes ambitioniert und weist auf ein großes Gespür für visuelle Symbolik hin. Diese symbolische Bildsprache ist jedoch nicht immer hilfreich, da sie die explizit ausgesprochene Handlung teilweise zu doppeldeutig führt und manchmal zu viel „Stimmung“ erzeugt, die eher von der ambivalenten Themenführung ablenkt. Der Soundtrack von Jonas Nay und David Grabowski verstärkt diese Tendenzen noch, ohne dabei nachhallende subtile Nuancen einzuführen, die dem Thema mehr Tiefe und Bedeutung gegeben hätten.

In der Gesamtheit bleibt «Bis zur Wahrheit» damit ein Film, der leider an sich selbst scheitert. Die Absicht ist ehrenwert, und der Mut, sich einem so schwierigen Thema anzunehmen, verdient Respekt. Doch in seiner Umsetzung bleibt er häufig auf halbem Wege stehen.

Der Film «Bis zur Wahrheit» wird am Mittwoch, den 20. November um 20.15 Uhr im Ersten ausgestrahlt.

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