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‚Der Wal‘

von

Ein magisches Märchen von Schicksal, Schuld und den Grenzen der Realität.

In „Der Wal“ von Cheon Myeong-kwan treffen magischer Realismus, koreanische Mythologie und Elemente aus Martial-Arts-Filmen auf eine packende Erzählung über zwei Frauen, die sich in einer patriarchalen Gesellschaft behaupten müssen. Der Roman verbindet surreale Motive mit tiefgreifenden Einblicken in familiäre Konflikte, Schicksalsschläge und die Rolle übernatürlicher Kräfte.

Im Mittelpunkt der Geschichte stehen Kŭmbok und ihre Tochter Ch'unhŭi – zwei Frauen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Kŭmbok, ein ehrgeiziges Mädchen aus einfachen Verhältnissen, arbeitet sich mit unermüdlichem Einsatz und Geschäftssinn zur erfolgreichen Unternehmerin hoch. Trotz ihrer Erfolge bleibt sie eine ambivalente Figur: Ihr geheimnisvoller Duft, der Männer in den Wahnsinn treibt, verleiht ihr eine mystische Aura, während er gleichzeitig unvorhersehbare, teils düstere Konsequenzen mit sich bringt.

Kŭmboks Aufstieg steht in starkem Kontrast zu den sozialen und patriarchalen Zwängen, die viele Frauen ihrer Zeit begrenzen. Ihre Figur symbolisiert sowohl den Widerstand gegen gesellschaftliche Konventionen als auch die düsteren Nebenwirkungen von Macht und Erfolg. Das Kino, das sie errichtet, wird nicht nur ein Symbol für ihren wirtschaftlichen Triumph, sondern auch für ihre Isolation – ein Ort, der ihre Ambitionen und ihre Einsamkeit gleichermaßen widerspiegelt.

Im Gegensatz dazu wirkt Ch'unhŭi, Kŭmboks Tochter, mit ihrer ruhigen und gutmütigen Art wie ein Gegenpol. Doch ein verheerender Brand, den sie unbeabsichtigt auslöst, zerstört die Heimatstadt und fordert zahlreiche Menschenleben. Obwohl sie keine Schuld trägt, wird Ch'unhŭi zur Sündenböckin gemacht und inhaftiert. Nach ihrer Haftentlassung kehrt sie an den Schauplatz der Tragödie zurück – eine verlassene Ziegelfabrik, die zum Sinnbild ihrer gezeichneten Vergangenheit wird.

Der Roman greift zentrale Themen auf, darunter den Kampf um Selbstbestimmung in einer patriarchalen Gesellschaft, die zerstörerische Kraft des Schicksals und die schwierige Frage von Schuld und Verantwortung. Cheon Myeong-kwan erzählt diese Geschichte mit einer einzigartigen Mischung aus Märchenhaftem und Realismus, die den Leser auf jeder Seite fesselt.

Besonders faszinierend ist die atmosphärische Dichte des Romans, die sowohl die magischen als auch die tragischen Elemente miteinander verbindet. Die Landschaften und Orte im Buch wirken fast wie eigenständige Figuren, die das Schicksal der Protagonistinnen mitgestalten. Diese Detailverliebtheit und der einfühlsame Blick des Autors schaffen ein beeindruckendes Panorama der menschlichen Existenz, das sowohl universelle Themen als auch koreanische Kultur in den Mittelpunkt rückt.

Besonders gelobt wird der Roman für seinen eigenständigen Stil: Er kombiniert eine frische, originelle Erzählweise mit traditionellen koreanischen Elementen. Die Mischung aus magischem Realismus und sozialen Themen macht „Der Wal“ zu einem literarischen Werk, das gleichzeitig unterhält und tiefgründig reflektiert.

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