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Nach den Vorwürfen sexueller Übergriffe gegen Kevin Spacey beschloss Netflix, die Serie ohne ihn fortzusetzen. Staffel 6 dreht sich daher um Claire Underwood (Robin Wright), die nach dem Tod von Frank die Präsidentschaft übernommen hat. Der Tod von Frank, der offscreen und ohne viel Erklärung passiert, setzt den Ton für die restliche Staffel. Claire behauptet, er sei in seinem Bett gestorben, doch die Umstände bleiben mysteriös. Robin Wright, die über die Jahre zu einer zentralen Figur der Serie wurde, rückt nun ins Zentrum und führt die Handlung mit einer Mischung aus eisiger Kontrolle und emotionaler Verletzlichkeit weiter. Sie spricht weiterhin direkt in die Kamera – eine Tradition, die Frank Underwood geprägt hat – und bringt eine neue Perspektive in diese Erzähltechnik. Die Handlung dreht sich um Claires Kampf, ihre Macht zu konsolidieren und sich gegen zahlreiche Feinde zu behaupten, darunter auch Doug Stamper (Michael Kelly), Franks loyaler Stabschef, der sich von seiner Loyalität zerrissen fühlt.
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Die letzten Episoden stellen Claires Kampf um das Überleben in einer von Männern dominierten Welt in den Mittelpunkt. Sie wird schwanger, ein entscheidender Handlungspunkt, der als Metapher für einen Neuanfang der Macht fungiert. Dennoch bleibt unklar, ob ihre Schwangerschaft strategisch oder emotional motiviert ist – eine Ambivalenz, die viele Entscheidungen der letzten Staffel prägt.
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Die sechste Staffel unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von Staffel 5, die Frank und Claire noch als manipulative Machtpartner zeigte. Während Staffel 5 ein ausgeklügeltes Katz-und-Maus-Spiel zwischen den beiden und ihren Gegnern bot, leidet Staffel 6 unter der abrupten Abwesenheit von Frank. Die Handlung konzentriert sich mehr auf Claire, doch es fehlt oft der treibende Konflikt, der die Serie so spannend machte.
Auch in der visuellen und erzählerischen Gestaltung gibt es Unterschiede. Wo die vorherigen Staffeln durch eine klare Dramaturgie und präzise Dialoge überzeugten, wirkt Staffel 6 stellenweise überladen und inkohärent. Insbesondere die Einführung der Shepherds als neue Antagonisten wirkt erzwungen und kann die Lücke, die Franks Abwesenheit hinterlässt, nicht füllen. Die Entscheidung, Franks Tod nicht explizit darzustellen, stößt auf gemischte Reaktionen. Einige Zuschauer empfanden dies als elegante Lösung, während andere den plötzlichen Tod eines so zentralen Charakters als unbefriedigend wahrnahmen.
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Das Ende von «House of Cards» spiegelt die Ambitionen und die Schwierigkeiten wider, eine bahnbrechende Serie unter außergewöhnlichen Umständen zu beenden. Die sechste Staffel steht im Schatten der Kontroversen um Kevin Spacey, aber auch im Licht von Robin Wrights starker Performance. Während die Handlung oft zerfasert wirkt, bleibt das zentrale Thema – der unerbittliche Kampf um Macht – bestehen. Claire Underwood mag nicht den gleichen Eindruck hinterlassen wie Frank, doch sie gibt der Serie ein finales Kapitel, das ihre eigene Geschichte erzählt.
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