Eine Krankheit, die an die Tollwut erinnert und Betroffene in reißende Bestien verwandelt, breitet sich in Europa aus. Manel, ein verwitweter Anwalt, widersetzt sich aus guten Gründen einer Evakuierungsmaßnahme und findet sich bald alleine in seiner Heimatgemeinde wieder.
Apokalypse Z: Der Anfang vom Ende
Ot: Apocalipsis Z: El principio del fin
Spanien 2024
Regie: Carles Torres
Drehbuch: Ángel Agudo
Produktion: Adrián Guerra
Kamera: Elías M. Félix
Montage: Luis de la Madrid
Besetzung: Francisco Ortiz, Berta Vázquez, Iria del Río, José Maria Yazpik, Ian Monclús
Nicht nur Netflix muss eigenen Spielfilmcontent, wie man heute sagt, erstellen, um seine Zuschauerschaft bei Laune zu halten. Auch Prime muss seinen Stream bespielen. Und wie Netflix geht das nicht nur mit US-Produktionen: Man ist ein international agierendes Unternehmen, also muss man entsprechend international agieren – aber Themen finden, die trotzdem international vermarktbar sind. Zombies, scheint man sich bei Netflix gedacht zu haben, gehen immer. Also hat man die Rechte an den «Apokalypse Z»-Romanen des spanischen Autors Manel Loureiro erworben, die auch in Deutschland erschienen sind. Ja, Romane, Mehrzahl. Das bedeutet, dass «Apokalypse Z: Der Anfang vom Ende» „nur“ den Inhalt des ersten Romans beinhaltet. Dass die Hauptfigur des Filmes wie sein Autor Manel heißt, geht auf die Grundidee des Romans zurück. Ursprünglich schrieb Manel Loureiro die Geschichte seines Namensvetters in einem Blog. Die Idee: Wie verhält sich ein vollkommen normaler Mensch, kein Soldat, Killer, was auch immer, wenn eine Zombieapokalypse ausbricht?
Manel ist ein junger Witwer. Seine Frau ist bei einem Unfall ums Leben bekommen. Das ist inzwischen ein Jahr her. Seither existiert Manel eher als dass er lebt. Er nimmt die Welt um sich herum wahr. Aber er wirkt lethargisch; getrieben wird er von einer sanften Traurigkeit. Alleine sein Kater Lúculo zaubert ihm hin und wieder ein Lächeln ins Gesicht. Die Nachrichten, die im Fernsehen laufen, nimmt er wahr – jedoch distanziert. Eine Seuche geht um. Anders kann man es nicht nennen. Menschen, die von ihr befallen werden, verwandeln sich. In Belgien wütet die Seuche wie in keinem anderen Land Europas. Aber auch München ist unter Quarantäne gestellt worden. In Brüssel wird getagt, die spanische Regierung befindet sich im Krisenmodus. Das Leben aber verläuft in Manels Stadt noch halbwegs normal. Man spürt die Anspannung, aber man verdrängt sie auch. Bis eine Mutation des Erregers gemeldet wird, der alles verändert. Jetzt sind es nicht mehr Hotspots, an denen sich die Seuche verbreitet. Die Verbreitung nimmt vielmehr Ausmaße an, die die spanische Regierung zwingt, Evakuierungsmaßnahmen zu ergreifen. Die betroffenen Menschen verwandeln sich in rasende Bestien – ähnlich den Zombies aus «28 Days Later». Der Unterschied ist die Inkubationszeit. In «28 Days Later» sind es Sekunden. In «Apokalypse Z» hat man noch Zeit sich selbst möglicherweise wegzusperren, um für andere Menschen keine Gefahr darzustellen. Ansonsten sind die beiden Filme allerdings Brüder im Geiste. Manel will sich einer solchen Evakuierung anschließen. Er ist ein guter Bürger, also wird die Regierung schon wissen, was sie tut. Doch er wird gewarnt – durch seine Schwester. Deren Ehemann ist beim Militär in einer offenbar etwas höheren Position. Samt Familie wurde er auf die Kanaren evakuiert, die seuchenfrei sind. Die Evakuierungen, warnt ihn seine Schwester, entpuppen sich immer wieder als katastrophale Seuchenhotspots. Ein Mensch, der in einer Gruppe infiziert wird, reißt Hunderte mit sich. Manel also verweigert sich der Evakuierung.
Die Tage vergehen. Manel verbringt diese in seiner Wohnung mit seinem Kater. Auf den Straßen herrscht eine gespenstische Ruhe. Kommunikation mit der Außenwelt findet nicht mehr statt. Die Radiosender sind aus, das Fernsehen sendet nicht mehr. Das mobile Telefonnetz ist gestört. Es bleibt ihm irgendwann nichts anderes übrig, als das Haus zu verlassen, denn er hat keine Vorräte mehr. Als passionierter Taucher verfügt er über Taucheranzüge, die ihn vor Bissen schützen müssten. Die Unterarme sichert er noch einmal extra ab. Mit einer Harpune bewaffnet macht er sich auf den Weg. Er bricht in Häuser ein, die alle ordentlich zurückgelassen wurden.
Regisseur Carles Torres keinen Film der billigen Schockeffekte inszeniert. Torres nutzt den ersten Akt seines Filmes vielmehr, um ein Szenario zu entwerfen. Die Apokalypse kommt nicht in Form eines Tsunamis. Sie geschieht langsam. Und Manel ist die perfekte Hauptfigur. Er ist intelligent, er ist in der Lage zu reflektieren. Er ist aber auch kein Survival-Freak. Er ist ein ziemlich normaler Typ, mit dem man sich leicht identifizieren kann und durch dessen Augen betrachtet diese neue Welt faszinierend und verstörend zugleich wirkt.
Sein erstes direktes Zusammentreffen mit einer Infizierten endet denn auch für ihn nahezu traumatisch. Als er gewungen ist, die Frau zu töten, findet er in ihren Papieren ihren richtigen Namen. Samt einem Foto, das ihr Aussehen vor dem Ausbruch der Seuche zeigt. Er hat eine junge Frau umgebracht. Und das macht ihn fertig.
Torres zieht uns in seine Welt der Apokalypse, die stets im Sonnenschein der iberischen Halbinsel erscheint und damit einen irritierenden Kontrast zum Geschehen um Manel darstellt. «Apokalypse Z» ist kein Gorefest. Es ist im Kern ein Drama – das mit dem zweiten Kapitel ordentlich an Fahrt aufnimmt, denn eines ist klar: In einer Welt im Untergang überleben nicht zwingend die netten Manels. Manel ist in dieser Welt im Grunde die Anomalie. Er ist anständig, er kümmert sich bald um Gabriela, eine ältere Frau, die von ihrer Familie zurückgelassen worden ist und alleine im Rollstuhl in ihrer Wohnung sitzt. Er lässt nicht einmal seinen Kater Lúculo zurück. Der hat ihm nach dem Tod seiner Frau Liebe gegeben, jetzt ist es an der Zeit, den Kater über die Runden zu bringen. Wenn Manel aber eine Anomalie in dieser Welt ist, ist es nur eine Frage der Zeit, bis er auf jene trifft, die sich in dieser Apokalypse eigentlich sogar ganz wohlfühlen.
«Apokalypse Z» ist ein starker Film. Er erfindet das Genre nicht neu, bewegt sich aber mit einer imponierenden Sicherheit in einem Szenario des Untergangs. Er weiß seine Spannungsmomente sicher zu setzen, auch vor Härten schreckt er keinesfalls zurück. Er verliert sich in ihnen allerdings nicht. Sie sind Notwendigkeiten in einem Spiel des Schreckens. Dass der Film zum Ende hin einige Genreerwartungen eher brav abhakt, statt etwas Eigenes zu kreieren, fällt aus zwei Gründen nicht weiter ins Gewicht. Erstens: Es ist spannend. Die Regie erschafft zum Ende ein Szenario, in dem es anständig kracht und knirscht. Das ist vielleicht erwartbar, aber es ist eben auch gut umgesetzt. Zweitens: Das Erwartbare wird durch die Schlusssequenz des Filmes dann eben doch konterkariert und damit einen Übergang zum zweiten Film kreiert. Wie bereits erwähnt: Die Vorlage ist eine Trilogie, dementsprechend endet dieser Film nicht mit einem klar definierten Abschluss. Da wir in einer Welt der Klickzahlen leben und der spanische Zombiethriller offenbar auf Anklang gestoßen ist, dürften die Chancen, dass er fortgesetzt wird, so schlecht nicht stehen.
Das Budget dürfte übersichtlich ausgefallen sein und international dürfte der Film sein Publikum finden. Warum die Produktion aus dem Hause MGM, einer Tochter von Amazon, nicht wenigstens in Spanien ins Kino gekommen ist, lässt sich dennoch nicht leicht beantworten. Genrefilme aus Spanien haben in Spanien einen guten Ruf. Im Gegensatz zum deutschen Publikum, das einen großen Bogen um eigene Genre-Produktionen macht (da es in der Vergangenheit immer wieder enttäuscht worden ist), gibt es in Spanien keinen Grund, seine eigenen Filme nicht zu mögen. Spanische Horrorfilme, «Apokalypse Z» darf dem Genre zugerechnet werden, sind international beliebt und in Spanien ist man durchaus stolz auf seine eigene, erfolgreiche Filmindustrie. Und da Amazon einst gesagt hat, im Gegensatz zu Netflix wolle man das gesamte Spektrum der Aufführungsmöglichkeiten nutzen, hätte dieser Film, zumindest in seinem Herkunftsland, sicher nicht nur einen warmen Platz auf der Leinwand gefunden, sondern auch sein Publikum finden können. Stattdessen erlebte er gerade einmal einen Festivalauftritt beim Filmfestival von Sitges Anfang Oktober.
Wie dem auch sei, das Streamingpublikum bekommt auf jeden Fall einen sehr guten Film zu sehen. Das ist ja auch etwas wert.
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