Als sich RTL vor zwei Jahren die Übertragungsrechte der NFL gesichert hatte, war die Freude riesig. Schließlich hatte man dem direkten Konkurrenten ProSieben ein Standbein weggenommen, das man in Unterföhring über Jahre sorgsam wie erfolgreich aufgebaut hatte. American Football reifte hinter dem Fußball zu einem echten Hit in der jungen Zuschauergruppe, nach der sich lineare Fernsehsender in Zeiten von Streaming und angepassten Sehgewohnheiten so sehr die Finger lecken.
Für ProSieben bedeutete das NFL-Aus einen Einschnitt in der Programmplanung, denn das entstandene Loch sollten Unterhaltungsshow auffangen. Das funktionierte aber lediglich beim Wechsel von «Wer stiehlt mir die Show?». Die „Travel-Tainment“-Formate wurden mit Ausnahme von «Die Unschlagbaren» gar nicht erst auf dem Sendeplatz am Sonntagabend ausprobiert, größtenteils sollen es wieder Blockbuster-Filme richten.
Bei RTL macht man derweil der NFL den Hof und produziert in einem eigens angelegten Studio in der Kölner Senderzentrale und einem umfangreichen On-Air-Team. Dass RTL viel in die Übertragung investiert, ist auf den ersten Blick erkennbar. Man bekräftigte seine Liebe für die NFL zuletzt auch damit, Personal in die Stadien zu schicken, die vor Ort Eindrücke liefern sollten.
Verglichen mit dem Vorjahr macht sich der Aufwand jedoch nicht bezahlt. In den ersten 13 Wochen verzeichnete RTL mit den jeweils am Sonntag übertragenen Spielen – einschließlich der am Nachmittag gezeigten London und Munich Games – eine durchschnittliche Reichweite von 0,55 Millionen. Etwas mehr als die Hälfte des Publikums stammte aus der klassischen Zielgruppe (0,31 Mio. 14-49J.) Die Marktanteile, die je nach Sendezeit natürlich stark variieren, lagen im zweiten RTL-NFL-Jahr bei 3,6 Prozent im Gesamtmarkt und 9,2 Prozent in der Zielgruppe. Im vergangenen Jahr holte man an den ersten zwölf Spieltagen – Week 13 wurde aufgrund eines Disney-Tages zu Nitro abgeschoben – im Schnitt 0,63 Millionen Zuschauer und 4,0 Prozent sowie 0,36 Millionen Zielgruppe-Zuschauer und 10,2 Prozent. Die Nitro-Werte aus Woche 13 wurden nicht einberechnet.
Nitro liefert jedoch einen weiteren Indikator, dass die NFL bei RTL Deutschland etwas an Schlagkraft verloren hat. Wie im vergangenen Jahr übertrug der Spartensender an Thanksgiving zwei Spiele im deutschen Fernsehen. Traditionell durften wieder die Detroit Lions (18:30 Uhr) und die Dallas Cowboys (22:35 Uhr) ihre Gegner empfangen. Während 2023 das frühere Spiel im Schnitt 0,34 Millionen Zuschauer verfolgten und so für Marktanteil von 1,4 bei allen und 3,5 Prozent bei den Umworbenen sorgten, markierte das spätere Spiel – ein klarer Sieg der Cowboys gegen Washington – 0,28 Millionen Zuschauer sowie Marktanteile von 3,3 und 8,0 Prozent.
Am vergangenen Donnerstag wiederum war nur das 18:30-Uhr-Spiel auf Augenhöhe mit dem Vorjahr. Den knappen Sieg der Lions gegen die Chicago Bears sahen im Schnitt 0,33 Millionen Zuschauer. Die Marktanteile stiegen im Vergleich zum Vorjahr auf 1,5 Prozent insgesamt und 4,3 Prozent bei den Jüngeren. Dallas spielte im Anschluss gegen den Rivalen New York Giants. Auch wenn dem Duell trotz der Rivalität in dieser Saison die letzte Brisanz fehlt, ist der Unterschied zu eklatant, um ihn nicht anzumerken. Die vier Viertel sahen 0,26, 0,20, 0,15 und 0,12 Millionen Zuschauer, was einem Durchschnitt von 0,18 Millionen und damit einem Rückgang um 100.000 Menschen entspricht. In der Zielgruppe ging die Reichweite von 0,17 Millionen im frühen Slot auf 0,06 Millionen zur späteren Sendezeit zurück. Im vergangenen Jahr kam das späte Spiel noch auf 0,17 Millionen junge Zuschauer. In diesem Jahr musste sich Nitro mit 3,4 Prozent Marktanteil in der Zielgruppe begnügen (-4,6%P).
Für Nitro sind das erstklassige Werte. Für RTL ist die NFL weiterhin kein durchschlagender Quotenerfolg, wenngleich sich der Sender überaus zufrieden gibt mit der Perfomance beim jungen Publikum. Allerdings war beim zweiten Munich Game am 10. November schon zu erkennen, das der Hype spürbar an Kraft verloren hat. Als die Giants gegen die Panthers antraten, verzeichnete RTL am Sonntagnachmittag ab 15:30 Uhr im Schnitt 11,8 Prozent in der klassischen Zielgruppe. Bei ProSieben waren es vor zwei Jahren noch 23,5 Prozent, die beiden Frankfurt Games im November 2023 kamen auf 20,0 und 14,7 Prozent. Gegen die ProSieben-Blockbuster musste sich RTL in den vergangenen Wochen jedenfalls regelmäßig hintendran einsortieren. Die NFL liefert in der Regel erst zu später verlässlich hohe Quoten. Bei Nitro würde man sich durchgängig oberhalb des Senderschnitts bewegen, was den Spartensender deutlich aufwerten würde, für die NFL aber sicherlich ein Downgrade wäre - nicht nur in Sachen Einschaltquote.
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