Hallo Alessandro, Kannst du uns vom Inhalt der Serie erzählen?
In «Hungry» geht es um Ronnie, die direkt zu Beginn unserer Miniserie gegen ihren Willen in eine Kinder- und Jugendpsychiatrie eingewiesen wird und sich erstmal nur als Ziel setzt, so schnell wie möglich wieder rauszukommen. Dabei macht sie recht schnell Bekanntschaft mit den anderen MitpatientInnen, von Depression bis Magersucht und Borderline ist alles vertreten. Die Klinik weist klare Regeln vor, z.B. Süßstoffverbot und keine klinikinternen Beziehungen. Eine geheime Süßstoffmafia und der bipolare Nick, den ich verkörpern durfte, machen die Sache gar nicht so einfach. Die sechs 15minütigen Episoden geben einen realistischen Einblick in Therapieabläufe und Heilungsprozesse, die nie gradlinig verlaufen und zeigen dies neben aller Ernsthaftigkeit mit viel Witz, Charme und natürlich der nötigen Prise Romance.
Alessandro, was hat dich an der Rolle des Nick in «Hungry» besonders fasziniert? Was macht Nick als Figur für dich besonders spannend und herausfordernd?
Mein größter Reiz an der Rolle und gleichzeitig auch die spannendste Herausforderung war, einen Menschen mit einer Krankheit zu spielen, ohne sie permanent zu bespielen. Die Bipolarität von Nick ist natürlich ein sehr wichtiges Merkmal aber meine Herangehensweise in der Vorbereitung war herauszufinden, wer Nick eigentlich ist, abgesehen von seiner Krankheit. Das fand ich interessant.
Wie bist du persönlich mit dem Thema psychische Gesundheit in Berührung gekommen? – Gab es für dich Momente oder Menschen, die dir ein tieferes Verständnis für psychische Erkrankungen wie bipolare Störungen gegeben haben?
Ich glaube in Zeiten wie diesen, ist es kaum möglich an dem Thema psychischer Gesundheit vorbeizukommen, sei es bei sich selbst oder Menschen im Umfeld. Ich finde es wichtig, sich damit auseinanderzusetzen, weil jeder betroffen werden kann und Hilfe von anderen ist bei dieser Thematik meiner Meinung nach der einzige Weg zur Besserung. Somit sitzen wir alle in einem Boot. Ich habe in meinem Umfeld auch schon mehrfach mit psychischer Gesundheit zu tun gehabt, wenn auch nicht mit Bipolarität, und gelernt, wie individuell man da rangehen muss und es eben keine Einheitslösungswege für Krankheit XY gibt. Ich selbst bin bisher glücklicherweise noch nie so wirklich damit konfrontiert worden, habe aber dennoch in den letzten Jahren gemerkt, dass ich bei gewissen Punkten mehr auf mich achten musste, da es kleine Phasen gab, wo ich fragiler wurde, als sonst. Allgemein haben wir in unserer heutigen Welt so viele Faktoren, die das sehr schnell beeinflussen können und mit denen wir tagtäglich zu tun haben, beispielsweise Social Media. Neben allen Vorteilen bin ich überzeugt, dass dies gerade bei Jüngeren zu sehr viel mehr Unsicherheiten und psychischen Herausforderungen führt und es immer schwerer wird, dabei sich selbst treu zu bleiben, ohne sich nur noch im Spiegel der anderen zu sehen.
Die Serie spielt in einer Kinder- und Jugendpsychiatrie und behandelt ernste Themen. Wie bereitest du dich mental und emotional auf eine Rolle vor, die so starke emotionale Szenen und intensive Themen wie Bipolarität beinhaltet?
Tatsächlich lag die Vorbereitung weniger auf der Krankheit selbst, sondern fokussierte sich eher auf die Facetten von Nick, wofür er eigentlich steht und was ihn antreibt. Als dieses Gerüst stand, flossen die Elemente, die Bipolarität ausmachen, mit ein. Es gab aber auch immer stetigen Austausch mit unserer Regisseurin Eline Gehring, sowie Zoe Magdalena, die ja auch die Bücher zur Serie geschrieben hat, zur Entwicklung der Rolle Nick. Mental war das für mich keine große Herausforderung, weil Nick ja irgendwo auch für Leichtigkeit steht, nach der er selbst strebt.
In der Serie entwickelt Nick eine besondere Verbindung zu Ronnie. Was kannst du uns über die Beziehung der beiden verraten und warum ist sie für Nicks Charakterentwicklung so entscheidend?
Die Beziehung zwischen Nick und Ronnie ist für mich ein zentraler Wendepunkt in der Geschichte. Nick hat aufgrund seiner bipolaren Störung oft extreme Höhen und Tiefen erlebt und sich in der Klinik eine Art Schutzmauer aufgebaut. Er vermeidet eher enge Bindungen, weil er Angst hat, andere mit seinen Herausforderungen zu belasten. Zu seinem Zimmerpartner Milan hat er noch den besten Draht, weil sie sich ganz gut ergänzen. Niemand von den anderen kann ihn bisher so wirklich einschätzen. Doch dann kommt Ronnie – sie hinterfragt ihn, provoziert ihn, und schafft es, diese Mauern zu durchbrechen. Für Nick ist diese Verbindung wie ein Spiegel. Durch Ronnie wird ihm bewusst, dass Heilung nicht nur durch Medikamente oder Therapiesitzungen entsteht, sondern auch durch echte, menschliche Nähe und Akzeptanz. Diese Verbindung ist aber nicht nur romantisch, sie ist auch sehr komplex, weil beide Charaktere ihre eigenen Verletzungen und Unsicherheiten mitbringen. Genau das macht sie für mich als Schauspieler so spannend: Sie zeigt, wie wichtig Verbindungen für unsere mentale Gesundheit sind, auch wenn sie nicht immer leicht sind.
Die Serie «Hungry» beleuchtet unterschiedliche psychische Erkrankungen. Was denkst du, kann die Serie zum Verständnis psychischer Erkrankungen beitragen, besonders bei einem jungen Publikum?
Oftmals sind psychische Erkrankungen immer noch mit Vorurteilen behaftet, und viele trauen sich nicht, offen über ihre Gefühle oder Probleme zu sprechen. Die Serie zeigt jedoch, dass solche Herausforderungen weit verbreitet sind und dass es völlig in Ordnung, sogar notwendig, ist, Hilfe anzunehmen. Besonders reizvoll an diesem Projekt finde ich, dass psychische Erkrankungen sehr ehrlich und ohne Klischees dargestellt werden. Die Charaktere sind nicht auf ihre Diagnosen reduziert, sondern sie bleiben Menschen mit Hoffnungen, Träumen und Schwächen. Das hilft, die ZuschauerInnen nicht nur für die Erkrankungen selbst zu sensibilisieren, sondern auch für die dahinterstehenden Menschen. Es geht darum, Mitgefühl und Verständnis zu fördern, anstatt vorschnell zu urteilen. Für das junge Publikum kann die Serie auch Mut machen, sich mit dem eigenen Wohlbefinden auseinanderzusetzen, gerade in Zeiten wie heute, in der Ängste und Sorgen durch die Pandemie, politische Umstände und soziale Medien verstärkt sind.
Wie war es, am Set von «Hungry» zu arbeiten, besonders im Hinblick auf das sensible Thema der Serie?
Die Besonderheit lag eher darin, dass ich zum ersten Mal Teil eines Instant-Fiction-Formats war, was einen recht knappen Zeitrahmen und kleineres Budget mit sich bringt, gleichzeitig aber auch eine schöne Plattform ist, um aktuell relevante Geschichten in besonderer kreativer Arbeit und künstlerischer Freiheit umzusetzen. Und das hat mit dieser Crew sehr viel Freude bereitet, auch wenn es zwischendurch mal stressig war. Da die Serie auch viel Humor besitzt, war das am Set die verbreitetere Arbeitsatmosphäre und seltenst emotional belastend. Da kann ich aber nur aus meiner Perspektive sprechen.
«Hungry» zeigt eine enge, wenn auch herausfordernde Gemeinschaft von Patienten in der Psychiatrie.
Die Serie macht deutlich, dass echte Beziehungen nicht perfekt sein müssen, um wertvoll zu sein. Die PatientInnen helfen einander auf unkonventionelle Weise, indem sie füreinander da sind, sich gegenseitig herausfordern und manchmal auch Grenzen aufzeigen. Das ist keine idealisierte Gemeinschaft. Es gibt Konflikte, Missverständnisse und Rückschläge. Aber genau das macht diese Beziehungen so authentisch und lebensnah. Für das Publikum kann das eine wichtige Botschaft sein: Wir alle brauchen Menschen, die uns so akzeptieren, wie wir sind, und die uns auf unserem Weg unterstützen. Gleichzeitig zeigt «Hungry», dass auch wir anderen helfen können. Nicht, indem wir perfekt sind oder so tun, als seien wir es, sondern indem wir einfach präsent sind, echt sind und zuhören. Diese Dynamik ist ein zentraler Kern der Serie und etwas, das jeder mitnehmen kann.
Gibt es eine Botschaft, die du als Darsteller durch die Rolle des Nick vermitteln möchtest?
Eigentlich vieles, was ich auch schon in der vorherigen Frage beantwortet habe. Zudem hoffe ich, dass die ZuschauerInnen durch ihn verstehen, wie schwer es sein kann, mit einer bipolaren Störung zu leben, und gleichzeitig sehen, dass es Hoffnung gibt. Es geht darum, zu zeigen, dass Heilung kein linearer Prozess ist, aber jeder Schritt zählt, und dass niemand allein damit kämpfen muss. Eine weitere Botschaft, die mir wichtig ist, ist, dass wir uns gegenseitig mit mehr Geduld, Mitgefühl und Offenheit begegnen.
Welche Reaktionen wünschst du dir von den Zuschauern, besonders in Bezug auf Nicks Geschichte?
Nicks Geschichte zeigt, wie schwierig es ist, sich selbst ehrlich zu akzeptieren, besonders wenn man das Gefühl hat, “anders” zu sein. Wenn ZuschauerInnen nach der Serie mehr Verständnis für sich selbst oder für Menschen in ihrem Umfeld haben, hat es sich doch schon gelohnt. Außerdem hoffe ich, dass Nicks Höhen und Tiefen zeigen, dass psychische Gesundheit ein Thema ist, über das wir offen sprechen müssen. Ohne Scham oder Angst vor Stigmatisierung.
Danke für Ihre Zeit!
«Hungry» ist seit Ende November in der ZDFmediathek abrufbar.
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