Die digitale Ära hat zu einer fundamentalen Transformation des Konsumverhaltens von Inhalten geführt. Kurzvideoplattformen haben sich zu einem wesentlichen Bestandteil der Unterhaltungslandschaft entwickelt. Als prominente Beispiele für Kurzvideoplattformen, die jedoch sehr unterschiedliche Wege eingeschlagen haben, können Kuaishou aus China und Quibi aus den USA genannt werden. Während Kuaishou eine Erfolgsgeschichte ist und sich zu einem der führenden sozialen Netzwerke Chinas entwickelt hat, endete Quibi in einem der spektakulärsten Misserfolge der Tech-Geschichte.
Kuaishou wurde im Jahr 2011 gegründet und entwickelte sich in der Folge zu einer der maßgeblichen Social-Media-Plattformen Chinas. Ursprünglich als GIF-Generator konzipiert, wurde die App relativ zeitnah zu einer Kurzvideoplattform weiterentwickelt, auf der Nutzer die Möglichkeit erhielten, ihre alltäglichen Erlebnisse zu teilen. Die Ausrichtung auf Authentizität und alltägliche Inhalte differenziert Kuaishou von anderen Plattformen wie Douyin (die chinesische Version von TikTok), die in stärkerem Maße auf trendige und professionell produzierte Videos setzen.
Ein wesentlicher Faktor für den Erfolg von Kuaishou stellt die Art und Weise dar, wie die Plattform ihre Nutzerbasis erschlossen hat. Im Gegensatz zu zahlreichen westlichen Social-Media-Plattformen, die sich in erster Linie an urbane, technikaffine Jugendliche richten, fokussierte sich Kuaishou von Beginn an auf ländliche Regionen und weniger wohlhabende Schichten Chinas. Diese Strategie erwies sich als innovativ, da Kuaishou eine große und zuvor vernachlässigte Zielgruppe ansprach, die sich in der Darstellung authentischer, alltäglicher Videos wiedererkannte. Die Plattform etablierte eine enge Community, in der Nutzer ihre Inhalte teilen und sich gegenseitig unterstützen konnten.
Ein weiterer Erfolgsfaktor war das implementierte Monetarisierungsmodell. Die Möglichkeit, durch Livestreams und virtuelle Geschenke Einnahmen zu generieren, wurde den Nutzern von Kuaishou bereits in einer frühen Phase der Plattform angeboten. Diese Form der Monetarisierung schuf ein starkes Anreizsystem für die Content-Produzenten, sodass sich viele eine treue Fangemeinde aufbauen konnten, die sie finanziell unterstützte. Die Plattform verzeichnete ein exponentielles Wachstum und erreichte im Jahr 2021 eine Anzahl von über 300 Millionen täglichen Nutzern. Kuaishou ist ein Hybride zwischen den Angeboten wie Twitch/YouTube Live und einen Kurznachrichtendienst.
Der kommerzielle Erfolg von Kuaishou wurde von der Konkurrenz nicht länger ignoriert. Im Jahr 2021 erfolgte die Notierung der App an der Börse von Hongkong, wobei eine Marktbewertung von über 160 Milliarden US-Dollar erreicht wurde. Kuaishou konnte sich als ernstzunehmender Konkurrent zu TikTok etablieren, insbesondere in ländlichen Gebieten sowie bei einer älteren Nutzerschicht, die sich von der jugendlichen TikTok-Kultur weniger angesprochen fühlte.
Im Gegensatz zu Kuaishou war Quibi von Anfang an als High-End-Plattform konzipiert. Gegründet von Jeffrey Katzenberg, einem Hollywood-Schwergewicht, und Meg Whitman, einer ehemaligen CEO von Hewlett-Packard, sollte Quibi eine Revolution im Bereich der Kurzvideo-Unterhaltung darstellen. Die 2020 mit großem Medienecho gestartete Plattform versprach die Bereitstellung hochwertiger Inhalte, die speziell für die Wiedergabe auf mobilen Endgeräten produziert wurden. Die Konzeption basierte auf der Idee, dass Nutzer in kurzen Pausen zwischen Aktivitäten, beispielsweise während einer U-Bahn-Fahrt oder in der Mittagspause, kurze, professionell produzierte Episoden mit einer Länge von fünf bis zehn Minuten ansehen könnten.
Wenngleich ein Startbudget von 1,75 Milliarden US-Dollar sowie namhafte Investoren wie Disney, WarnerMedia und NBCUniversal zur Verfügung standen, konnte sich Quibi nicht am Markt etablieren und scheiterte spektakulär. Bereits sechs Monate nach dem Markteintritt wurde die Geschäftstätigkeit eingestellt. Das Konzept der Plattform wurde von den Nutzerinnen und Nutzern nicht angenommen. Während Kuaishou den Fokus auf authentische, nutzergenerierte Inhalte legte, konzentrierte sich Quibi auf hochpolierte, Hollywood-ähnliche Produktionen. Quibi unterschätzte jedoch den Wettbewerb durch kostenlose Plattformen wie TikTok, YouTube und Instagram, die bereits über gut etablierte Nutzerbasen verfügten und ebenfalls kurze Videos anboten, wobei diese kostenlos waren und Inhalte aufwiesen, die besser auf das mobile Publikum abgestimmt waren. China ist ein stark von der chinesischen Regierung reglementierter Markt, dort gibt es kaum Mitbewerber.
In Bezug auf den Zeitpunkt der Markteinführung sowie die definierte Zielgruppe lässt sich Folgendes festhalten: Quibi lancierte seine Plattform inmitten der globalen Pandemie, als die Mehrheit der Bevölkerung nicht mobil unterwegs war und ihre Smartphones nicht für kurze Unterhaltungspausen nutzte, wie es Quibi vorgesehen hatte. Der Ansatz, Videos speziell für den Konsum "unterwegs" zu erstellen, erwies sich in einer Zeit, in der die meisten Menschen zu Hause blieben, als nicht zielführend. Demgegenüber konnte Kuaishou von der Verlagerung des Nutzerverhaltens während der Pandemie profitieren und seine Reichweite weiter ausbauen.
Ein grundlegendes Missverständnis der Konkurrenz bestand darin, dass Während Kuaishou eine Nische innerhalb eines großen Marktes fand, versuchte Quibi, mit etablierten Streaming-Diensten wie Netflix und Disney+ zu konkurrieren, verfügte jedoch weder über deren Umfang an Inhalten noch über deren Nutzerbasis. Die Nutzer einer kostenpflichtigen Plattform wie Quibi erwarteten eine ähnliche Vielfalt und Qualität wie bei etablierten Streaming-Diensten wie Netflix und Disney+. Diese Erwartungen wurden jedoch enttäuscht. Im Gegensatz dazu basierte Kuaishou auf einer kostenlosen Community-Plattform, auf der Nutzer aktiv Inhalte teilten und miteinander interagierten.
Im Hinblick auf die Monetarisierung lässt sich Folgendes festhalten: Während Kuaishou bereits zu einem frühen Zeitpunkt eine durchdachte Monetarisierungsstrategie verfolgte, die sowohl für das Unternehmen als auch für die Nutzer von Vorteil war, hatte Quibi Schwierigkeiten, ein zahlendes Publikum zu finden. Die Inhalte von Quibi waren jedoch für die meisten Nutzer zu teuer. Des Weiteren wies die Plattform keine signifikanten Alleinstellungsmerkmale gegenüber kostenlosen Alternativen auf.
Ein wesentlicher Unterschied zwischen Kuaishou und Quibi besteht in der jeweiligen Zielgruppenansprache. Kuaishou erkannte das Potenzial für einen großen Markt für authentische, einfache Unterhaltung in ländlichen Regionen Chinas, der von den großen Technologiekonzernen bisher übersehen wurde. Diese Nutzer, die über weniger technische Expertise verfügten und keinen Zugang zu kostspieligen Geräten oder schnellen Internetverbindungen hatten, nutzten Kuaishou, um alltägliche Inhalte zu konsumieren und zu teilen.
Quibi hingegen fokussierte sich auf ein städtisches, technikaffines Publikum, das bereits durch eine Vielzahl von Streaming-Diensten adäquat versorgt war. Diese Zielgruppe zeigte jedoch wenig Interesse an den auf Hochglanz polierten Inhalten von Quibi, da sie durch Plattformen wie Netflix, TikTok und YouTube bereits adäquat versorgt war. Quibi versuchte, eine Lücke zu füllen, die es in der Realität nicht gab. Bereits vor dem Start haben zahlreiche Menschen Inhalte von YouTube oder Netflix im Querformat gestreamt.
Ein weiterer Aspekt, der den Erfolg von Kuaishou im Vergleich zu Quibi erklärt, ist der kulturelle und wirtschaftliche Kontext, in dem die beiden Plattformen agierten. Kuaishou konnte die Bedürfnisse und Wünsche der chinesischen Bevölkerung, insbesondere der ländlichen Regionen, besser bedienen. Der chinesische Markt ist in seiner Dynamik einzigartig und der Erfolg von Kuaishou demonstriert, dass Plattformen, die die spezifischen Bedürfnisse und kulturellen Eigenheiten des Landes verstehen, überaus erfolgreich sein können. Man sieht dies auch bei den unterschiedlichen Märkten: YouTube selbst hat es mehrfach mit fiktionalem Content versucht, konnte aber nie die Zuschauer in diesem Bereich abholen.
Der Vergleich zwischen Kuaishou und Quibi demonstriert eindrucksvoll die Relevanz einer Anpassung von Plattformen an den jeweiligen kulturellen Kontext sowie die Bedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer. Während Kuaishou durch eine Ausrichtung auf Authentizität, Community und eine gezielte Monetarisierung erfolgreich wurde, konnte Quibi mit seinem überteuerten, stark produzierten Ansatz die Bedürfnisse des Marktes nicht erfüllen und scheiterte. Es bliebt spannend, um Kuaishou auch in Westeuropa und in den Vereinigten Staaten von Amerika Fuß fassen möchte. Mit TikTok hat bereits ein Unternehmen den hiesigen Markt aufgemischt.
Schreibe den ersten Kommentar zum Artikel