Was können wir in «Achtung Tiertransport - Lange Wege auf den Teller» erwarten?
Einen Film zum Thema Tiertransport, der für alle erträglich ist. Auf belastende Szenen wurde verzichtet, sofern sie nicht – kurz – zur Information und zum Verständnis notwendig sind. Im Mittelpunkt steht die Neufassung der Europäischen Verordnung zu Tiertransporten, die auf dem Weg ist. Daneben das deutsche Tierschutzgesetz – deshalb zeigt der Film auch, dass die Vorgeschichte mancher Transporte wie Stall und Verladung großen Einfluss auf die Zeit auf dem LKW haben. Schlachtung kommt im Film nicht vor.
Was hat Sie dazu bewogen, sich mit dem Thema Tiertransporte in Ihrer Dokumentation zu beschäftigen? Gab es einen speziellen Auslöser oder ein persönliches Erlebnis?
Ich habe mich schon als Jugendlicher mit Tierschutz befasst, 1989 erstmals einen Film über Schlachthöfe in Deutschland gedreht. (BR: «Der Schrei aus dem Schlachthof», ZDF 1990: «Töten im Akkord»). Damals kamen Tiere schon nach kurzen Transporten in schlimmem Zustand auf Schlachthöfen an. Deshalb habe ich mich gefragt: Wie mag das Ganze erst bei Ferntransporten aussehen? Ab einem Film 1991 im ZDF wurde daraus ein langfristiges Thema. Inzwischen setzen sich Jugendliche in 46 Ländern gegen Lebendtiertransporte ein.
Auslöser für Tierschutz war für mich bereits als Kind ein Bild von Legehennen im Käfig. Später die Tiere im Schlachthof und der Entschluss daraus, einfach in Filmen die Wahrheit zu vermitteln. Ohne Effekthascherei, ohne Verharmlosung.
Ihre Dokumentation zeigt erschreckende Bilder von Tiertransporten. Welche der beobachteten Missstände hat Sie am meisten schockiert?
Mich hat ein Hähnchen auf einem LKW mit ausgerenktem Bein nachhaltig beschäftigt. Ich habe über Jahrzehnte immer wieder Rinder gefilmt, die im Libanon mit Seilwinden von Schiffen entladen wurden. Dabei bricht das Bein. Daran hat mich das Hähnchen bei der Polizeikontrolle mitten in Deutschland sofort erinnert.
Nicht alle Transporte sahen so aus, aber es war nicht der einzige LKW, auf dem solche Zustände bei Hühnern, Hähnchen oder Puten zu beobachten waren. Das ist gegen das Tierschutzgesetz. Es gilt für alle Tiere. Hühner wie Rinder wie Hunde. Vor allem aber auch: für jedes einzelne Tier.
Warum leiden Hühner und Geflügel laut Ihrer Recherche besonders stark im Vergleich zu Schweinen und Rindern? Liegt das an der Menge, den Bedingungen oder an den Tieren selbst?
Das liegt zum einen daran, dass „Federvieh" nicht zu den Sympathieträgern bei Menschen gehört. Obwohl diese Tiere natürlich genauso leidensfähig sind wie ein Kalb mit Fell und Kulleraugen, oder ein Haustier. Hähnchen ist das beliebteste Tier in Deutschland – aber eben nur auf dem Teller. Das gibt uns aber auch eine Verantwortung dafür, wie mit dem Tier auf dem Weg dahin umgegangen wird.
Sicherlich finden die Transporte für die Leute nicht offen sichtbar statt. Obwohl mit den Puten zusammen etwa 700 Millionen Geflügeltiere in Deutschland transportiert werden, nimmt man sie im Alltag (lebend) kaum wahr.
Die EU hat angekündigt, Tiertransporte durch neue Gesetze besser regulieren zu wollen. Wie bewerten Sie die Erfolgsaussichten solcher Regelungen? Sind sie ausreichend?
Nein. Natürlich wird einiges besser, aber der Transport auf Schiffen zum Beispiel soll weiterhin nicht als Transportzeit gelten. Das ist absurd, denn bei den Schiffen, die im Mittelmeer unterwegs sind, handelt es sich meist um sehr alte, umgerüstete Frachtschiffe oder auch mal Autofähren.
In Ihrer Dokumentation wird erwähnt, dass viele Tiere aus der EU exportiert werden, manchmal bis in den Libanon. Warum gibt es immer noch solche langen Transporte, obwohl Alternativen wie regionale Schlachtung möglich wären?
Der direkte Export von Schlachttieren in Länder außerhalb der EU ist seit 2019 untersagt. Er findet aber in geringerem Maß über andere EU-Länder immer wieder noch statt. Regionale Schlachtung ist nur zum Teil eine Alternative. Vor allem, weil in den Ländern des Nahen Ostens und Nordafrikas und auch in Israel, aus religiösen Gründen ohne Betäubung geschlachtet wird. Das ist in den meisten EU-Ländern verboten, auch Deutschland verbietet das so genannte Schächten für den Export. Davon abgesehen, ist eine Kühlkette teuer, und die viele Empfänger möchten das ganze Tier verwerten, also beispielsweise auch die Haut für Leder.
Welche Verantwortung tragen Verbraucherinnen und Verbraucher in diesem Prozess? Glauben Sie, dass bewusster Konsum oder der Verzicht auf Fleisch hier etwas ändern könnten?
Wer ein Tier isst, hat auch die Verantwortung dafür, wie es lebt und stirbt. Bewusster Konsum ist natürlich besser als wahllos und billig zu essen. Das findet aber schon in Restaurants meistens seine Grenzen – wer weiß schon, wie das Hähnchen für die Brust auf dem Salat gelebt haben mag? Um Verzicht geht es dabei nicht – sondern einfach darum, manche Nahrungsmittel oder auch Kleidungsstücke durch vegane Alternativen zu ersetzen. Manchmal, immer wieder, oder eben auch immer.
Nach Jahrzehnten in diesen Themen würde ich sagen: Es ist wohl der einfachste Weg, Tiere und ihre Gesundheit zu schützen.
Tiertransporte sind nur ein Teil des Systems. Welche weiteren Aspekte der Tierhaltung und Fleischproduktion sind aus Ihrer Sicht dringend reformbedürftig?
Wenn zwanzig Millionen Hähnchen jedes Jahr noch nicht einmal vier Wochen Mast überleben, stimmt etwas gar nicht. Die Haltung, aber auch schon die Zucht, braucht vor allem für Geflügeltiere dringend bessere Gesetze, die den Tieren wenigstens Lebensqualität bieten. Hier gibt es bereits Alternativen für Konsumenten, bei denen es den Tieren besser geht. Man kann die Tiere dann ein bisschen beruhigter essen – muss das aber nicht.
Wie gehen Sie als Dokumentarfilmer mit den ethischen Fragen um, die sich aus der Nutzung und dem Konsum von Tieren ergeben? Haben sich Ihre eigenen Gewohnheiten verändert?
Ja, schon. Aber damit bin ich sehr zurückhaltend. Jede(r) soll selbst entscheiden, was oder wie viel von was er essen möchte. Ich will die Menschen nicht belehren, sondern nur informieren – damit sie ihre eigene Entscheidung treffen können. Und am Ende habe ich immer wieder festgestellt: Was Tieren schadet, ist meistens auch für Menschen nicht gesund.
Was können wir aus Ihrer Sicht tun, um das Leiden von Tieren auf Transporten und darüber hinaus zu verringern – sei es auf politischer, gesellschaftlicher oder individueller Ebene?
Aus langjährigen Erfahrungen habe ich den Eindruck, dass die Tierrechtsorganisation Peta zum Beispiel Lösungen vorschlägt, die langfristig auch wirklich zum Ziel führen können. Vor zwanzig Jahren schien uns das Wort vegan noch radikal, heute ist das vor allem für viele junge Leute eine ganz normale Art, sich zu ernähren.
Wir sollten aber auf jeden Fall auch bei der Politik unsere Meinung sagen und auch protestieren. Gesellschaftlich können wir sicher manches in Frage stellen – aber ohne andere zu belehren und zu tadeln. Die individuelle Ebene ist aus meiner Sicht die Wichtigste. Denn dafür können wir Verantwortung übernehmen, und am Ende macht der/die Einzelne den Unterschied.
Wenn wir beispielsweise ein Hähnchen essen, sind wir Auftraggeber für „unser" Tier. Wir bezahlen die Zucht, die Haltung, den Transport und die Schlachtung. Hier kann jede(r) selbst entscheiden, ob beim Einkaufen, in Restaurants oder auch im Urlaub, wie er das Leben „seines" Tieres gestalten möchte. Wer nicht Teil der Verantwortungskette sein mag, kann auch einfach etwas anderes essen.
Vielen Dank für Ihre Zeit!
«Achtung Tiertransport - Lange Wege auf den Teller» ist am 13. Januar um 23.35 Uhr im Ersten zu sehen.
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