Schwerpunkt

Gefährliche TikTok-Trends: Wie scheinbar harmlose Challenges zu großen Problemen führen

von

TikTok ist bekannt für seine ständig wechselnden Trends, die Millionen Menschen weltweit unterhalten. Doch nicht alles, was viral geht, bringt positive Vibes.

Einige der aktuell populärsten Challenges bergen erhebliche Risiken – von toxischen Beziehungskonflikten über Essstörungen bis hin zu diskriminierenden Schönheitsidealen. Ein genauer Blick auf drei der neuesten Trends zeigt, wie problematisch diese Inhalte sein können.

„We listen but we don’t judge“


Ein Trend, der Beziehungen zerstört und den ursprünglichen Sinn völlig verdreht.

Seit einiger Zeit kursiert auf den sozialen Plattformen ein neuer TikTok-Trend mit dem Namen „We listen but we don’t judge“ oder auch „Wir hören zu, aber wir urteilen nicht“. Was zunächst nach einem schönen Trend klingt, bei dem einem zugehört wird, man keine Angst vor Kritik haben muss und seine Meinung frei äußern kann, wird schnell zu einem Trend, der leicht aus dem Ruder läuft. Denn wenn man anfängt, der Partnerin zu gestehen, dass man schon bessere Freundinnen im Bett hatte als sie, oder dass man sich extra vor ihr im Bad versteckt, dann beginnt der Trend zu eskalieren.

Die Videos sind alle ziemlich ähnlich aufgebaut, es sitzen meistens zwei Leute vor der Kamera und fangen an den Namen des Trends zu rufen „We listen but we don’t judge“, dann fängt die erste Person an und beichtet etwas was ihr auf dem Herzen liegt, dabei kann es um alles gehen. Ob man erzählt, dass man beim Aufräumen immer alles in einen Schrank wirft, dass es etwas gibt, was man an der Person gegenüber nicht mag oder was einen nervt, oder zum Beispiel, dass einem das selbst gekochte Essen des Gegenübers nicht schmeckt, alles ist möglich. Die Tendenz geht dahin, nicht zu urteilen, also macht der andere meist nur einen anderen Gesichtsausdruck, lacht oder hält sich noch mit einem Urteil zurück. Dann ist die andere Person an der Reihe und so sagen beide wieder sinngemäß „We listen but we don’t judge“ und dies geschieht ein paar Mal hin und her.



An sich soll der Trend ein sicheres und nicht wertendes Umfeld schaffen, in dem man sich ohne Angst vor Verurteilung oder Kritik äußern kann. Die Grundidee ermutigt auch dazu, anderen zuzuhören und sich in ihre Perspektive hineinzuversetzen, was zu mehr Empathie und Verständnis führen kann. So kann der Trend auch Minderheiten oder Randgruppen eine Stimme geben und dafür sorgen, dass sie gehört werden, ohne dass ihre Perspektive abgewertet wird. Meistens wird dieser Trend aber nur genutzt, um viele Klicks zu bekommen und so werden unsensible, private Informationen vor laufender Kamera präsentiert, die den Gesprächspartner absichtlich verletzen sollen oder es wurde vor Beginn der Aufnahme abgesprochen und alles ist nur erfunden und gespielt. Es kommt auch vor, dass eine Person beichtet, wie sie die andere Person betrogen hat und dann lachend mit der Kamera hinter der verletzten Person herläuft. Ob echt oder nicht, immer mehr Paare streiten sich am Ende eines solchen Videos und häufig wird mindestens eine Person verletzt.

Neben Paaren haben auch schon Familien oder Lehrer mit ihren Schülern den Trend veröffentlicht. Diese Konstellationen sind in der Regel freundlicher und am Ende eher zum Schmunzeln. Bei Lehrern mit Schülern kann das positive Grundprinzip gut vermittelt werden und gleichzeitig können die Schüler Probleme oder Beispiele nennen, die ihnen helfen würden und was die Lehrer verbessern könnten. Letztendlich kann und wird der Trend teilweise für einen guten Zweck genutzt oder ist ein lustiges Video für alle Beteiligten, aber oft wird übertrieben und extrem gespielt, um mehr Reichweite zu generieren.

„What I eat in a day“


Was den Kreatoren ein besseres Gefühl gibt, macht den Zuschauern nur noch mehr Sorgen.

Wie viele Trends hat auch dieser nett angefangen, führt aber nun bei einigen Zuschauern zu negativen Gefühlen und Einstellungen gegenüber dem eigenen Körper. Der Trend „What I eat in a day“ besteht darin, dass Content Creators auf ihren Kanälen zeigen, was sie an einem Tag essen, aber immer öfter werden immer unrealistischere Essgewohnheiten gezeigt, manche Zuschauer versuchen, genau so zu essen, um genau so einen Körper zu bekommen, und so geraten manche in eine Essstörung. Wie die meisten Trends hat auch das Zeigen, was man an einem Tag isst, positive und negative Seiten, aber im Moment leider mehr negative.

Bei diesem Videoformat filmt sich eine meist schlanke und durchtrainierte Person und zeigt, was sie vom Aufstehen bis zum Schlafengehen isst. Meist sind diese in der Art eines klassischen Ernährungstagebuchs gestaltet, sie zeigen, was sie genau über einen Tag oder auch eine Woche essen und dies in der Regel mit einer genauen Rezeptanleitung und Zubereitung. Zudem gibt es diese Videos auch spezialisiert, unter anderem auf vegane Ernährung, vegetarische Ernährung, eine bestimmte Diät oder eben spezialisiert darauf, wie man laut einigen Erstellern der Videos den perfekten Körper bekommt, da die meisten Fitness Influencer oder Models auch so sind, vertrauen viele Zuschauer diesen.



Eines der erfolgreichsten Videos des Formats „What I eat in a day“ ist das von Victoria’s Secret-Model Romee Strijd aus dem Jahr 2019 mit dem Titel „What I Eat In A Day As A Model“. Mehr als zehn Millionen Mal wurde das Video angeklickt, in dem sie den Tag mit einem Glas warmem Zitronenwasser beginnt, zum Frühstück einen perfekt abgewogenen und aussehenden Haferbrei mit Blaubeeren, Zimt und Chiasamen isst, später Erdbeeren und Mandeln als Snack, dann Avocado-Toast mit Ei zum Mittagessen, gefolgt von Rohkost und schließlich einer gebackenen Aubergine zum Abendessen.

Das Problem dabei ist, dass die Zielgruppe, die diese Videos am häufigsten sieht, oft sehr junge Mädchen sind, die durch solche Videos leicht beeinflusst werden und unzufriedener mit ihrem Körper werden und ein falsches Bild von normalen Essgewohnheiten und Körpern bekommen. Ein weiteres Problem bei diesem Trend ist jedoch, dass einige nicht alles filmen, sondern geschickt die ungesunden Snacks oder die zweite Portion aus dem Video herauslassen, wodurch die Zuschauer versuchen, den dargestellten Essgewohnheiten zu folgen und so durch viel zu kleine Mahlzeiten und Portionen oder zu fettarmes Essen schnell in eine Essstörung wie Magersucht rutschen können.

Natürlich gibt es auch Menschen, die ehrlich zu ihren Essgewohnheiten stehen und sich vor der Kamera nicht verstellen oder hilfreiche und interessante Ideen für spezielle Ernährungsumstellungen wie Veganismus oder Essen aus anderen Kulturen präsentieren und all das kann eine Bereicherung sein, aber leider verstellen sich immer noch zu viele Prominente, wollen nur eine perfekte Version von sich präsentieren und lügen, womit sie vielen anderen Menschen schaden, sei es „nur“ ein schlechtes Körpergefühl oder auch eine Essstörung.

„Glow up“


Sich selbst zu verändern und andere mit seinem alten Aussehen zu beleidigen, was für viele anfangs nicht nach einem schlimmen Trend klingt, verstärkt stereotype Bilder wie ein Mensch auszusehen hat.

Der Trend „Glow up“ suggeriert, dass jeder irgendwann seinen ganz persönlichen Glow up erleben wird, der darin besteht, sein Aussehen stereotyp zu verändern, z.B. statt Brille eben Kontaktlinsen zu tragen, statt legerer Kleidung trendige Klamotten zu tragen, statt Locken oder zusammengebundenem Zopf die Haare gestylt offen zu tragen, statt sich nicht zu schminken, sich täglich zu schminken, abzunehmen und eine klare Haut zu bekommen, all das gehört für die meisten zu einem Glow up, dem stereotypen Schönheitsideal. In den Videos scheint dieses Ziel leicht zu erreichen zu sein: Ein paar Mal ins Fitnessstudio gehen, ein paar Mal diese eine bestimmte Creme auftragen und schon sieht man aus wie ein anderer Mensch.

Die meisten dieser Videos beginnen mit einem alten Video oder Bild, auf dem die Person häufig unreine Haut hat oder mehr wiegt, während Text oder Ton erklären, dass sie wegen dieser Merkmale hässlich waren und deshalb von niemandem gemocht wurden. Anschließend wird die Person nach dem stereotypen Schönheitsideal gezeigt und es wird betont, wie viel besser sie jetzt aussieht. Solche Videos sind oft feindselig gegenüber übergewichtigen Menschen oder diskriminierend gegenüber Menschen mit anderen nicht stereotypen Merkmalen und verletzen so die Zuschauer, die nicht den „perfekten“ Körper haben. So versuchen manche auch, diese „beste Version“ von sich selbst zu erreichen. Anfangs klingt es nicht schlecht an sich zu arbeiten, aber nicht jeder hat viel Zeit dafür und am Ende dauert alles viel länger als in den TikToks gezeigt, denn die Unreinheiten im Gesicht verschwinden nicht sofort, wenn man diese eine bestimmte Creme benutzt und man sieht nicht sofort nach dem ersten Besuch im Fitnessstudio die Erfolge. Das wirft manche zurück und zerstört ihr Selbstvertrauen.

@johnnycool_01 All it takes is a few months to transform your life #weightlossmotivation #weightlosscheck #weightlosstransformation #GymTok #gymmotivation #foryoupage #foryou #weightloss #fyp ♬ original sound - Trends


Es wird so dargestellt, als sei oberflächliches Aussehen der direkte Weg zu einem besseren Leben, dass man nach einem „Glow up“ sofort begehrenswert ist und nur so Erfolg im Leben haben kann. Zwar geht es beim heutigen „Glow up“ im Vergleich zum ähnlichen „Vorher/Nachher“-Trend der 2000er Jahre nicht mehr primär darum, Männern zu gefallen, dennoch ist dieser Trend für viele Menschen diskriminierend und eher ein Rückschritt in Sachen Diversity.

Inhalte hinterfragen!


Obwohl TikTok-Trends oft als harmloser Spaß wahrgenommen werden, zeigen die Beispiele „We listen but we don’t judge“, „What I eat in a day“ und „Glow up“, dass sie auch Schattenseiten haben können. Sie offenbaren die Macht sozialer Medien, sowohl positiv als auch negativ auf das Leben ihrer Nutzer einzuwirken. Es liegt an jedem Einzelnen, Inhalte kritisch zu hinterfragen und deren Einfluss nicht blind zu akzeptieren. Denn nicht alles, was im Netz glänzt, bringt wirklich gute Vibes.

Kurz-URL: qmde.de/157854
Finde ich...
super
schade
Teile ich auf...
Kontakt
vorheriger ArtikelBuchclub: ‚Gute Idee! In sieben Schritten kreativ denken lernen‘nächster ArtikelMDR-Podcast «Buch-Lounge» geht in die nächste Runde
Schreibe den ersten Kommentar zum Artikel

Optionen

Drucken Merken Leserbrief




E-Mail:

Quotenletter   Mo-Fr, 10 Uhr

Abendausgabe   Mo-Fr, 16 Uhr

Datenschutz-Info

Letzte Meldungen

Werbung

Mehr aus diesem Ressort


Jobs » Vollzeit, Teilzeit, Praktika


Surftipp


Surftipps


Werbung