Was erwartet uns in dem neuen «Marie Brand»-Spielfilm?
Alice, eine junge Britin wird tot unter einer Brücke gefunden. Offenbar ist sie mit ihrem Motorroller verunglückt. Während Jürgen Simmel das Ganze für einen Unfall hält, zweifelt Marie Brand an der Unfalltheorie. Alice arbeitete als Au-pair bei einer wohlhabenden Kölner Familie und nahm Fahrstunden beim Vater ihres Freundes. Je tiefer Marie Brand und Jürgen Simmel in das Umfeld der jungen Frau eintauchen, desto dichter wird das Netz aus Lügen und Intrigen, das sich beiden offenbart.
Der Film beginnt mit dem Fund des toten Au-pairs unter einer einsamen Brücke. Wie haben Sie die Stimmung dieser Szene inszeniert, um den Ton für den gesamten Krimi zu setzen?
Die latente Spannung einer alltäglichen Situation und das Unvermittelte waren zentrale Elemente für den Einstieg in die Geschichte. Der Film beginnt mit dem Taxifahrer Enriquo Seifert, der seinen Hund unter einer Brücke Gassi führt. In der gestalterischen Umsetzung ging es vor allem darum, das Unheilvolle, Unerwartete, das im nächsten Moment passieren wird, über Bilder und die Tonebene vorzubereiten und die Zuschauer auf die Geschichte und eine rätselhafte Tat neugierig zu machen.
Welche besonderen Herausforderungen gab es, die komplexen Beziehungen zwischen den Figuren – insbesondere innerhalb der Familie Keuber – auf der Leinwand nachvollziehbar und spannend zu gestalten?
Der Film behandelt komplexe Themen wie Abhängigkeit in Beziehungen und sexuellen Machtmissbrauch. In meiner Regiearbeit geht es u.a. darum, die Figuren präzise zu besetzen, zu überlegen, welcher Schauspieler, welche Schauspielerin, die Figur spielt und diese dann möglichst nah an die Filmfiguren zu geleiten. Da in einem Krimi stets Handlungsstränge miteinander verwoben sind und Verdächtige auftauchen, sind diese im Drehbuch eher skizzenhaft angelegt. Die optimale Besetzung und Ausgestaltung kann einer Figur Dreidimensionalität und Tiefe verleihen. Ich hatte großes Glück, Andreas Lust und Alexandra Schalaudek für das Fahrlehrerpaar gewinnen zu können, sie verkörpern diese Figuren differenziert, glaubwürdig und zugleich abgründig.
Der Film berührt sensible Themen wie Machtmissbrauch und toxische Familienstrukturen. Wie haben Sie sich diesen Themen genähert, um sie sowohl realistisch als auch respektvoll darzustellen?
Mir war wichtig, keinen Voyeurismus zu bedienen und die zwischenmenschlichen Beziehungen in den Fokus zu stellen. Beispielsweise in der Szene, in der der Fahrlehrer gegenüber Alice sexuell übergriffig wird, war mir wichtig, die dünne Trennlinie von situativer Nähe und beruflicher Distanz aufzuzeigen. Der Fahrlehrer gibt sich Alice gegenüber freundschaftlich und gönnerhaft, bis die Situation irgendwann kippt. Diese psychologische Ebene macht den Übergriff auch so perfid. Gleiches gilt für die toxische Familienstruktur, auch da hat mich in erster Linie die Psychologie der Figuren interessiert. Die Kameraarbeit von Timo Moritz gab mir und den Schauspielern Raum und ermöglichte einen behutsamen Blick auf die Zerrissenheit der Figuren.
Szenen wie Simmels Fahrprüfung bringen eine humorvolle Leichtigkeit in die düstere Geschichte. Wie wichtig ist Ihnen als Regisseurin dieser Balanceakt?
Bei einem Format wie Marie Brand ist mir dieser Balanceakt sehr wichtig, da die Reihe auch wegen ihrer Leichtigkeit beliebt ist. Die Schauspieler Mariele und Hinnerk tragen viel zu dieser Grundstimmung bei, da sie die komödiantische Komponente ihrer Figuren verinnerlicht haben und jeden Tag mit vielen neuen schönen Ideen ans Set kommen, und ihre Szenen pointiert, lebendig und humorvoll darstellen.
Wie haben Mariele Millowitsch und Hinnerk Schönemann als Ermittlerduo Marie Brand und Jürgen Simmel Ihre Vision des Films umgesetzt?
Sie waren brav, ich musste sie nicht auswechseln. Nein Spaß, sie kennen ihre Filmfiguren über eine so lange Zeit und brennen jedes Mal aufs Neue dafür, das war für mich als Regisseurin ein Geschenk. Da sind einfach sehr viel Wissen, Erfahrung und Spiellust vorhanden. Es war mir eine Ehre und große Freude, mit den Beiden zu drehen. Unsere Zusammenarbeit war geprägt durch gegenseitigen Respekt, letztlich geht es ja darum, gemeinsam das Drehbuch bestmöglich umzusetzen.
Mit Schauspielern wie Luke Matt Röntgen und Saron Degineh haben Sie auch junge Talente in zentrale Rollen integriert. Was hat Sie an ihrer Leistung besonders beeindruckt?
Saron und Luke haben ein ausgesprochen gutes Gefühl für Timing, wie ich es noch nicht oft erlebt habe bei jungen Schauspielern. Es ist ihnen gelungen, das Liebespaar nuanciert, schwebend zwischen jugendlicher Leichtigkeit und der Tragik der Geschichte zu verkörpern.
Was macht Ihre Regiearbeit bei «Marie Brand und das tote Au-pair» besonders, und wie haben Sie die Geschichte durch Ihre Perspektive geprägt?
Die Beantwortung dieser Frage überlasse ich den Zuschauern und den Kritikern.
Was reizt Sie als Regisseurin daran, Krimis wie «Marie Brand» zu inszenieren, und was unterscheidet diese Arbeit von Ihren anderen Projekten?
Speziell bei diesem Fall waren es vor allem die psychologischen Aspekte des Stoffs, die mich gereizt haben, aber auch die Herausforderung, eine stimmige Balance zu finden, zwischen den Abgründen des Stoffs, und der Leichtigkeit, die das Format auszeichnet. Und es ist natürlich reizvoll für eine Reihe inszenieren zu dürfen, die so beliebt ist bei den Zuschauern.
Die Schauplätze – von der Brücke bis zur Fahrschule – sind atmosphärisch dicht gestaltet. Wie haben Sie die Drehorte ausgewählt und in Szene gesetzt?
Zusammen mit meinem Kameramann Timo Moritz und dem Szenenbildner Roland Wimmer habe ich viele Motive angeschaut. Der Look und die spezifische Atmosphäre entstanden dann in gemeinsamem Austausch und Brainstorming. Bei TV-Formaten muss ein Motiv viel mitbringen, da man mit dem begrenzten Budget nicht die Möglichkeit hat, ein Motiv komplett umzugestalten, oftmals reicht das Geld nicht mal, um Wände neu zu streichen. Roland Wimmer und sein Team haben aus jedem Motiv das Maximum herausgeholt und es so gestaltet, dass meine filmische Vision eingelöst wurde und man glaubt, dass die Figuren in dem jeweiligen Motiv leben und arbeiten. Beim Dreh selbst hat Timo Moritz mit der Lichtgestaltung und sensiblen Kameraarbeit dem Geschehen viel Atmosphäre eingehaucht.
Die Musik von Hansjörg Kohli trägt zur Spannung und Atmosphäre bei. Wie eng haben Sie bei der musikalischen Gestaltung des Films zusammengearbeitet?
Hansjörg hat schon mehrmals für Marie Brand komponiert, trotzdem ist es ihm gelungen, eine ganz individuelle Musik für diese Folge zu komponieren. Wir standen in regem Austausch, auch meine Cutterin Friederike Dörffler habe ich in diesen Austausch miteinbezogen, sie hat ein sehr gutes Gespür für Musik und wertvollen Input geliefert.
Vielen Dank für Ihre Zeit!
«Marie Brand und das tote Au-pair» ist am Mittwoch, den 15. Januar, um 20.15 Uhr im ZDF zu sehen.
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