Hochglanz-Serien von AppleTV+ enttäuschen selten, fallen sie doch oftmals ebenso smart aus wie die revolutionären Heimelektronikprodukte des kalifornischen Weltkonzerns. «Prime Target» hätte prinzipiell das Zeug dazu, zu einer solchen Hochglanz-Serie der Superlative zu avancieren – schon der Titel klingt schließlich nach einer globalen Bedrohung, nach tickenden digitalen Zeitbomben, für Eingeweihte auch nach einem fiebrig-verstörten Mathematik-Wunderkind, das kurz davor ist, mithilfe der Primzahlen die Weltformel zu knacken, nur um dann von Geheimdiensten, Tech-Milliardären und Verschwörungszirkeln durch Glasfassadenbüros und unterirdische Rechenzentren gejagt zu werden.
Klingt nach Tempo, nach Substanz, nach einem durchgetakteten Thriller mit Gänsehautmomenten und Tiefgang. Und dann fängt die Serie an. Guten Gewissens will man sich auf sie einlassen. Und dann wartet man. Und wartet. Und irgendwann wird klar: Hier passiert zwar eine Menge, aber das Gefühl, dass irgendetwas davon wichtig wäre, bleibt nahezu völlig aus.
Leo Woodall als Edward Brooks, ein mathematisches Ausnahmetalent, dessen Hirn Zahlen nicht einfach rechnet, sondern sie sieht, wie in einem dieser verkopften Christopher-Nolan-Filme, der «Prime Target» aber leider nicht ist. Sein Problem: Die ominösen Primzahlen verraten ihm mehr als gut für ihn ist. Er hat ein Muster entdeckt, das aus ihm den ultimativen Code-Knacker machen könnte. Und das muss er nun selbstverständlich unter dramatischer Beschallung gegen böse Mächte verteidigen. Was wie ein Mix aus «A Beautiful Mind» und «Jason Bourne» riecht, ist in Wahrheit leider eher wie ein Escape Room mit niedriger Deckenhöhe: Man erkennt das Konzept, kann es aber nie so richtig fühlen.
Und dann Quintessa Swindell als Regierungsagentin Taylah Sanders, die natürlich erst hinter ihm her ist, dann an seiner Seite kämpft, dann vielleicht noch ein bisschen flirtet, aber immer auf diese „Hey, ich bin eigentlich viel komplexer als du denkst“-Art. Natürlich gibt es Verfolgungsjagden, natürlich gibt es dramatische Enthüllungen, natürlich sitzt irgendwann ein Bösewicht versteinert und abgebrüht ins nichts starrend da, spricht langsam und säuselt etwas von einer Wahrheit, die gefährlicher ist, als man geahnt hat. Aber es zündet nicht. Weil es alles schon mal da war, und zwar besser.
Denn «Prime Target» will sogar noch weit mehr als ein Hochgeschwindigkeits-Thriller sein, mit existenziellen Fragen über Sicherheit, Privatsphäre, Technologie und die Macht der Mathematik. Aber da ist nichts, was wirklich hängen bleibt. Zu viele bekannte Versatzstücke, zu viele abgegriffene Verschwörungselemente, zu viele Dialogzeilen, die in jeder anderen Spionage-Serie der letzten zehn Jahre exakt so auch hätten fallen können. Man merkt, dass die Macher hoffen, dass ihr Plot so clever ist, dass er sich über Stil und Atmosphäre hinweg trägt. Aber an dieser Stelle schon einmal ein mächtiger Spoiler: Das tut er nicht. Denn auch wenn schließlich die Action-Sequenzen einsetzen, ist das zwar laut, aber nicht spannend. Die Serie setzt von ihrer ersten Minute an auf eine große Dringlichkeit – aber sie behauptet sie, ohne sie spürbar zu machen. So entsteht jedoch keine emotionale Bindung an diesen Stoff – was gerade bei dieser hochabstrakten Materie unabdingbar für eine funktionierende Serie gewesen wäre.
Die Serie «Prime Target» läuft bei AppleTV+.
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