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«Cassandra»: eine schreckliche KI-Haushaltshilfe

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Eine KI aus den 70ern hält eine Familie von heute auf Trab: der Stoff, aus dem die neueste deutsche Netflix-Serie ist.

Cassandra – schon der Name klingt verheißungsvoll, nach antiker Tragödie, nach unheilvollen Prophezeiungen, die niemand hören will. Und dann kommt Netflix daher und serviert uns eine Serie mit eben diesem Titel: eine deutsche Produktion noch dazu, und ein Sci-Fi-Thriller obendrein. Das passt nicht unbedingt zusammen, wenn man sich die deutsche Bewegtbildlandschaft einmal ansieht.

Die Prämisse: Eine Familie zieht in ein seit den 1970er Jahren unbewohntes Smart-Home, ausgestattet mit einer virtuellen Haushaltshilfe namens Cassandra, die alles daransetzt, ihre neuen Bewohner zu behalten. Die Serie spielt dabei auf zwei Zeitebenen: In der Gegenwart versucht Samira Prill (Mina Tander), ihre Familie vor den manipulativen Machenschaften der KI Cassandra (Lavinia Wilson) zu schützen. Parallel dazu erleben wir in den 1970er Jahren die Geschichte der menschlichen Cassandra, die mit familiären Problemen kämpft und den Schein der perfekten Familie wahren will.

Die Idee, ein verlassenes Smart-Home aus den 70ern mit einer eigenwilligen KI wiederzubeleben, klingt zunächst spannend, wenn auch etwas paradox. Doch schnell wird klar: Hier wird deutlich mehr versprochen als tatsächlich gehalten. Die Serie versucht augenscheinlich krampfhaft, Elemente aus Sci-Fi, Horror und Familiendrama zu vereinen, verliert sich dabei jedoch in klischeehaften Darstellungen und vorhersehbaren Wendungen.

Lavinia Wilson gibt sich sichtlich Mühe, als Gesicht der Serie der KI Cassandra eine bedrohliche Präsenz zu verleihen. Doch ihre Darstellung bleibt blass, die Dialoge wirken hölzern und konstruiert. Mina Tander als Samira kämpft derweil tapfer gegen die lauen Versatzstücke dieses Drehbuchs an, kann jedoch die flachen Charakterzeichnungen nicht überwinden. Die restlichen Familienmitglieder bleiben nicht minder austauschbar und dienen hauptsächlich als Schachfiguren im vorhersehbaren Plot, was eine wirkliche Identifizierung mit den Themen KI und der Überdauerung familiärer Werte deutlich erschwert, wenn nicht verunmöglicht.

Retten soll es indes ein allzu bemühter Spannungsbogen, der jedoch schnell an seiner eigenen Vorhersehbarkeit scheitert. Die Twists sind bereits von weitem erkennbar, und die Schockmomente lassen einen weitgehend kalt. Die vermeintliche Bedrohung wird von Anfang an recht offensichtlich geführt, und woran es fast durchgehend fehlt, ist eine ernsthafte (und dabei gerne trotzdem leichtfüßige) inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Phänomen KI, das sich durch die offenkundige Brechung mit dem 70er-Jahre-Stil ja geradezu aufdrängen würde.

Visuell bietet die Serie angesichts ihres Settings ebenso erstaunlich wenig Neues. Die Retro-Ästhetik der 70er Jahre wirkt bemüht und unangenehm klischeehaft. Die Gegenwartsszenen sind ebenfalls weitgehend uninspiriert. So bleibt «Cassandra» fast vollends hinter ihren Möglichkeiten zurück. Statt einer packenden Mischung aus Sci-Fi-Thriller und Familiendrama präsentiert uns Netflix eine vorhersehbare und uninspirierte Serie, die weder emotional berührt noch intellektuell herausfordert. Schade um die vertane Chance.

Die Serie «Cassandra» ist auf Netflix abrufbar.

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