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Die 75. Berlinale – Ein Jubiläum voller Filmkunst und gesellschaftlicher Relevanz

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Richard Linklater, bekannt durch «Boyhood», wird ebenso wie Rebecca Lenkiewicz mit einem neuen Spielfilm vertreten sein. «A Traveler’s Needs»-Mastermind Hong Sang-soo möchte benfalls einen weiteren Preis gewinnen.

Vom 13. bis 23. Februar 2025 wird Berlin erneut zum Zentrum der internationalen Filmwelt, wenn die 75. Internationalen Filmfestspiele Berlin gefeiert werden. Unter der Leitung von Festivaldirektorin Tricia Tuttle präsentiert die Berlinale ein reichhaltiges Programm, das die Vielfalt des Kinos in seiner ganzen Bandbreite abbildet. Mit einem Rückblick auf die bewegte Geschichte des Festivals und einem optimistischen Blick in die Zukunft zeigt die Berlinale, warum sie zu den wichtigsten kulturellen Veranstaltungen der Welt gehört.

Die Berlinale versteht sich seit ihrer Gründung im Jahr 1951 als ein Ort des kulturellen Austauschs. „Das Kino hilft uns, die Welt mit den Augen anderer zu sehen“, sagt Tricia Tuttle. Diesem Anspruch wird das Festival auch 2025 gerecht: Mit Beiträgen aus über 150 Ländern, einer neuen Sektion für junge Talente und einem hochkarätigen Wettbewerb verspricht die Berlinale, den Dialog über gesellschaftliche, politische und kulturelle Themen zu fördern.

Die diesjährige Ausgabe hebt dabei die historische Bedeutung des Festivals hervor und hinterfragt, welche Rolle das Kino in einer Zeit globaler Herausforderungen spielt. Das Jubiläumsjahr bringt zudem viele bekannte Gesichter zurück, darunter die Schauspielerin Tilda Swinton, die den Goldenen Ehrenbären für ihr Lebenswerk erhält, und den Regisseur Todd Haynes, der als Jurypräsident agiert. Die Mitglieder der Internationalen Jury sind Nabil Ayouch (Marokko / Frankreich), Bina Daigeler (Deutschland), Fan Bingbing (Volksrepublik China), Rodrigo Moreno (Argentinien), Amy Nicholson (USA) und Maria Schrader (Deutschland).

Die Berlinale 2025 bringt eine Vielzahl hochkarätiger Werke auf die Leinwand, die sowohl durch ihre thematische Tiefe als auch ihre cineastische Brillanz überzeugen. Einige Filme aus dem Wettbewerb stechen dabei besonders hervor:

Das amerikanische Musical-Biopic «Blue Moon», inszeniert von Richard Linklater, erzählt die bewegende Geschichte des Songwriters Lorenz Hart, der mit Komponist Richard Rodgers einige der bekanntesten Broadway-Hits der 1920er- und 1930er-Jahre schrieb. Linklater, der 2014 mit «Boyhood» den Silbernen Bären gewann, verbindet in «Blue Moon» große Emotionen mit musikalischer Eleganz.

Die Besetzung ist ebenso beeindruckend wie das Thema: Ethan Hawke verkörpert Rodgers, während Andrew Scott die vielschichtige Figur des Lorenz Hart spielt, dessen kreatives Genie oft von seinem inneren Kampf mit seiner Homosexualität und seinen Depressionen überschattet wurde. Margaret Qualley ergänzt das Ensemble als Harts Muse und Vertraute. Der Film verspricht ein berührendes Porträt eines komplexen Künstlers zu werden und zugleich die Welt des Broadways in ihren goldenen Jahren zum Leben zu erwecken.

Das Debüt der Drehbuchautorin Rebecca Lenkiewicz, die mit «She Said» (2022) bekannt wurde, ist der Film «Hot Milk» – ein ebenso intimes wie visuell beeindruckendes Roadmovie. Im Zentrum stehen die Figuren von Vicky Krieps und Emma Mackey, die als Mutter und Tochter eine Reise an die spanische Küste unternehmen, um Heilung für eine mysteriöse Krankheit der Mutter zu finden.

Der Film spielt mit den Kontrasten zwischen der malerischen Umgebung und den inneren Konflikten der Figuren, während die beiden Frauen nicht nur physische, sondern auch emotionale Distanz überwinden müssen. Lenkiewicz kombiniert dabei einen poetischen Erzählstil mit einer tiefgehenden Charakterstudie, die sich um Themen wie familiäre Bindungen, Abhängigkeit und Selbstfindung dreht.

Der südkoreanische Regisseur Hong Sang-soo, der 2024 mit «A Traveler’s Needs» den Großen Preis der Jury gewann, kehrt mit «What Does that Nature Say to You» auf die Berlinale zurück. Wie gewohnt bleibt Hong seiner minimalistischen Ästhetik und seinen introspektiven Themen treu. Der Film, der in einer ruhigen Küstenstadt spielt, folgt einem Schriftsteller (gespielt von Ha Seongguk), der sich aus der Großstadt zurückzieht, um Inspiration zu finden. Doch statt Frieden zu entdecken, wird er mit den Erinnerungen an seine gescheiterte Ehe und seine Ängste vor der Zukunft konfrontiert. Mit langen Einstellungen und sparsamen Dialogen entfaltet Hong eine subtile, fast meditative Erzählung, die tief unter die Oberfläche des menschlichen Daseins blickt.

Lucile Hadžihalilović, bekannt für ihre visuell beeindruckenden und symbolträchtigen Filme wie «Evolution» (2015), bringt mit «The Ice Tower» ein Fantasydrama zur Berlinale, das Elemente von Hans Christian Andersens Märchen „Die Eiskönigin“ in die reale Welt des Theaters integriert. In den Hauptrollen brillieren Marion Cotillard als ehrgeizige Theaterregisseurin und Gaspar Noé, der in einer seltenen Schauspielrolle zu sehen ist. Der Film folgt einer Theatertruppe, die ein modernes Stück über die „Eiskönigin“ inszeniert, während sich die Grenzen zwischen der Bühnenwelt und der Realität zunehmend auflösen. Die verschneiten Landschaften und die opulente Ausstattung des Films schaffen eine magische Atmosphäre, während Hadžihalilović Themen wie künstlerische Besessenheit und die Macht von Geschichten erkundet.

Der rumänische Regisseur Radu Jude, der 2021 mit «Bad Luck Banging or Loony Porn» den Goldenen Bären gewann, legt mit «Kontinental ’25» ein weiteres Werk vor, das aktuelle gesellschaftliche Probleme mit scharfem Humor und bissiger Kritik beleuchtet. Der Film ist eine vielschichtige Auseinandersetzung mit der Wohnungskrise und dem aufkommenden Nationalismus in Europa. Die Handlung dreht sich um eine Gruppe von Bewohner eines maroden Wohnblocks, die sich gegen die Abrisspläne einer korrupten Immobilienfirma wehren. Gleichzeitig entfalten sich persönliche Geschichten, die das zunehmende Misstrauen und die sozialen Spannungen in der Gemeinschaft widerspiegeln. Jude setzt dabei auf eine Mischung aus satirischem Realismus und dokumentarischen Elementen, um die politischen und sozialen Realitäten Europas eindringlich darzustellen.

Neben diesen herausragenden Werken gibt es viele weitere Filme, die im Wettbewerb Aufmerksamkeit erregen:
«Dreams» (Michel Franco): Ein emotional aufgeladener Film aus Mexiko, der die zerbrechlichen Beziehungen einer Familie in einer Krisensituation erforscht.
«Timestamp» (Kateryna Gornostai): Ein dokumentarischer Blick auf die Ukraine, der die persönlichen Geschichten von Menschen inmitten eines politischen Umbruchs einfängt.
«The Blue Trail» (Gabriel Mascaro): Eine poetische Reise durch die brasilianische Landschaft, die sich mit Themen wie Umweltzerstörung und persönlichem Verlust auseinandersetzt.

Das Berlinale Special präsentiert 21 Filme, darunter die Weltpremiere von «Das Licht» (Tom Tykwer), der das Festival eröffnet. Die Geschichte handelt von einem Fotografen, der in einer futuristischen, von Dunkelheit umgebenen Welt nach Schönheit sucht. Ebenfalls hochkarätig besetzt ist «Mickey 17» (Bong Joon Ho), ein Sci-Fi-Abenteuer mit Robert Pattinson, das erstmals in Deutschland gezeigt wird. Die Sektion bietet auch eine Retrospektive für Tilda Swinton mit Filmen wie «Friendship’s Death» (1987).

Die neue Sektion „Perspectives“ ist der Nachwuchsarbeit gewidmet und umfasst 14 Spielfilmdebüts, die thematisch und stilistisch vielfältig sind. Herausragend ist der ägyptisch-französische Film «The Settlement» (Mohamed Rashad), der die Kämpfe einer Gemeinschaft in einer vom Klimawandel bedrohten Region beleuchtet. «Shadowbox» (Tanushree Das, Saumyananda Sahi) ist eine poetische Geschichte über familiäre Beziehungen und alte Traditionen aus Indien. Außerdem erscheint «The Devil Smokes» von Ernesto Martinez Bucio. Es handelt sich um ein mexikanisches Werk, das die Grenzen zwischen Mythos und Realität auslotet.

Das Panorama-Programm umfasst 34 Beiträge, darunter 27 Weltpremieren. Die Sektion hebt sich durch ihre thematische Tiefe hervor: Sie beleuchtet gesellschaftliche Bruchstellen, fragile Gesundheitssysteme und persönliche Schicksale. Zu den Highlights gehören:
«Hysteria» (Mehmet Akif Büyükatalay): Ein intensives Drama aus Deutschland, das psychische Belastungen und gesellschaftliche Erwartungen untersucht.
«The Good Sister» (Sarah Miro Fischer): Ein deutscher Debütfilm, der sich mit familiären Traumata auseinandersetzt.
«Magic Farm» (Amalia Ulman): Eine internationale Produktion, die die Absurditäten des modernen Landlebens humorvoll darstellt.

Die Sektion „Generation“ ist mit 39 Werken ein wichtiger Teil des Festivals. Die Beiträge reichen von animierten Filmen wie «Space Cadet» (Eric San) bis zu sozialkritischen Dramen wie «The Nature of Invisible Things» (Rafaela Camelo). Besonders bewegend ist der Film «Circusboy» (Julia Lemke, Anna Koch)**, der das Leben eines jungen Zirkusartisten in Deutschland dokumentiert.

Das Festival legt besonderen Wert auf ökologische Nachhaltigkeit und Inklusion. Neue Maßnahmen, wie barrierefreie Kinosäle und nachhaltige Materialien, unterstreichen das Engagement der Berlinale, ein Festival für alle zu sein. „Als filmbegeisterte Menschen wollen wir die Filmkunst und ihren Ideenreichtum, aber auch die Vielfalt unserer Gemeinschaft feiern“, sagte Intendantin Tricia Tuttle. „Beim Sichten der Filme für die 75. Berlinale wurde uns einmal mehr bewusst, dass Filmschaffende eine kostbare magische Kraft besitzen. Dieser Kraft und ihrer Entfaltung gilt unsere Bewunderung. Dass wir die Filme nun gemeinsam mit Berlin und mit unseren internationalen Gästen erleben können, ist eine ganz große Freude.“

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