Interview

Mit sozialen Medien können ‚Parteien im Wahlkampf Botschaften viel direkter und zielgenauer platzieren‘

von

Shakuntala Banerjee, die Leiterin der ZDF-Hauptredaktion Politik weiß allerdings, dass YouTube & Instagram auch nicht alles ist.

Wie schätzen Sie die Stimmung in Deutschland kurz vor der Wahl ein? Gibt es ein Thema, das besonders polarisiert?
Seit dem 29. Januar gibt es eines, das sogar auf der Straße sichtbar wird: die Frage, ob im Bundestag Mehrheiten in Ordnung sind, die nur durch Zustimmung der AfD zustande kommen. Dagegen gingen bei Großdemonstrationen in mehreren deutschen Städten mehr als Hunderttausend Menschen auf die Straße. Zugleich gibt es viele Menschen, die finden, Migrationsprobleme gehörten so dringend geregelt, dass die Frage, wer Lösungsvorschlägen zustimmt, zweitrangig ist. Schwer zu sagen, was sich am Ende mehr auf das Wahlergebnis auswirkt: die Grundsatzfrage oder das Migrationsthema.

Welche Rolle spielen soziale Medien im aktuellen Wahlkampf? Haben sie die Dynamik verändert?
Soziale Medien haben im Wahlkampf deutlich an Bedeutung gewonnen, sowohl bei Parteien, als auch in der Wahlkampfberichterstattung. Gerade bei Jüngeren sind sie erste Anlaufstelle für Nachrichten und Informationen. So können Parteien im Wahlkampf Botschaften viel direkter und zielgenauer platzieren als früher. Aber auch Themen gewinnen eine größere Aufmerksamkeit, wenn sie den Regeln des Algorithmus entsprechen, also emotionalisieren oder polarisieren. Letzteres hat in der Vergangenheit auch auf klassischen Wahlplakaten funktioniert. Mit sozialen Medien geht das allerdings schneller.

Die Wahlbeteiligung war bei vergangenen Wahlen ein wichtiges Thema. Was könnte diesmal die Bürgerinnen und Bürger motivieren, ihre Stimme abzugeben?
Die Dringlichkeit der Themen dürfte auch diesmal für eine hohe Wahlbeteiligung sorgen. Egal ob Wirtschaft, Migration, Klimapolitik, Gesundheitswesen, Bildung, Infrastruktur oder Fragen von Krieg und Frieden: Auf allen Feldern empfinden viele Menschen dringenden Handlungsbedarf. Und die Meinungen darüber, wie die Probleme anzupacken seien, gehen teils weit auseinander. Das gehandelt werden muss, liegt für Viele aber auf der Hand. Das dürfte eine starke Wahl-Motivation sein.

Wie wird die Klimapolitik im aktuellen Wahlkampf diskutiert, und glauben Sie, dass sie für die Wähler eine entscheidende Rolle spielt? Oder ist die Wirtschaft derzeit wichtig?
Seit dem 29. Januar und den hitzigen Diskussionen im Bundestag hat das Thema Migration in der Umfrage des ZDF-Politbarometers die Wirtschaft von Platz eins der wichtigsten Themen verdrängt. Dennoch gehören die Wirtschaftslage und damit verbundene Themen wie Preise und Löhne weiter zu dem, was die Menschen am meisten bewegt. Energie und Klima liegen aktuell auf Platz 3 der Probleme, die von den Befragten als wichtig genannt werden. Das spiegelt sich im Wahlkampf so nicht wieder. Da spielt das Thema Klima in den Diskussionen eine untergeordnete Rolle.

Wie stehen die Chancen, dass es nach der Wahl zu schwierigen Koalitionsverhandlungen kommt? Gibt es ein realistisches Szenario für eine stabile Regierung?
Der Wahlausgang bei dieser vorgezogenen Bundestagswahl steht vor mehreren Fragezeichen. Gleich drei Parteien, FDP, Linke und BSW, sind zu nah an der 5-Prozent-Hürde um zu wissen, ob der Sprung in den Bundestag allen dreien gelingt. Zugleich würde ein Wahlerfolg der „Kleinen“ die Koalitionsoptionen der anderen Parteien beeinflussen. Und mit der aufgeheizten Debatte über Friedrich Merz‘ Abstimmungs-Manöver unter Inkaufnahme der AfD-Zustimmung stellt sich tatsächlich auch die Frage, wer nach der Wahl mit wem wie gut verhandeln kann. In der Politik müssen sich nicht alle mögen, die kooperieren wollen, aber unterschätzen sollte man die Stimmungsfrage bei Koalitionsverhandlungen auch nicht – das haben die gescheiterten Jamaika-Sondierungsgespräche 2017 gezeigt.

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