Die Kritiker

«Lillys Verschwinden»

von

Kalkulierte Betroffenheitsästhetik mit Heino Ferch und Jessica Schwarz im Fall eines vermissten Kindes im Badeurlaub.

Stab

Darsteller: Heino Ferch, Jessica Schwarz, Natalia Wörner, Petra Schmidt-Schaller, Felix Klare, Mohamed Achour
Drehbuch und Regie: Thomas Berger
Bildgestaltung: Hannes Hubach
Musik: Christoph Zirngibl
Urlaub, Mittelmeer, Tapas – und dann: Der Albtraum, den jede Boulevardzeitung liebt. Ein verschwundenes Kind, verzweifelte Eltern, eine überforderte Polizei. «Lillys Verschwinden» versucht, aus dieser klassischen Ausgangslage einen fesselnden Thriller zu stricken – und stolpert dabei über genau das, was die Geschichte eigentlich so packend machen könnte: ihre besonders starke Emotionalität.

Das Drehbuch von Thomas Berger bleibt den gesamten Zweiteiler über erschreckend vorhersehbar. Die Zutaten sind bekannt, die Dramaturgie auch: Anfangs noch zaghaftes Entsetzen, dann die Eskalation, mit Presseauflauf, Verdächtigungen und der großen Frage nach Schuld. Doch während in der Realität solcher Fälle jedes Detail monatelang zerpflückt wird, hetzt «Lillys Verschwinden» durch seine zwei mal neunzig Minuten, als hätte man Angst, dass das Publikum sonst abschaltet. Dabei tut man ihm Unrecht – man hätte es durchaus mit einer komplexeren, psychologisch tiefergehenden Erzählweise fordern dürfen.

Es wird gejagt, geweint, geschrien, dann der unvermeidliche Twist: Die Eltern selbst – wenig hintergründig gespielt von Heino Ferch und Jessica Schwarz, geraten ins Visier. Ein Moment, der eigentlich eine Wucht haben müsste, aber hier eher wirkt wie ein müder Eintrag auf einer Checkliste. Man spürt die Absicht, aber es fehlt das Gefühl. Alles bleibt an der Oberfläche, ein Krimi in der Ästhetik eines Werbespots für Mittelmeer-Idylle.

Das größte Problem des Films ist seine Unentschlossenheit. Will «Lillys Verschwinden» ein klassischer Thriller sein? Oder doch eher eine Charakterstudie über Eltern in Extremsituationen? Statt sich klar für eine Richtung zu entscheiden, versucht der Zweiteiler alles gleichzeitig – und bleibt damit überall halbgar. Die Nebenfiguren sind bestenfalls Stichwortgeber, schlimmstenfalls Karikaturen. Besonders ärgerlich: Die beiden Ermittler, Isabell Navarro und Antonio Gomez, sind blass und so austauschbar, dass sie jeder x-beliebige «Tatort»-Kommissar sein könnten. Ermittlungsarbeit als Füllmaterial zwischen den emotionalen Ausbrüchen der Hauptfiguren.

Heino Ferch wirkt als verzweifelter Vater so erschreckend solide wie routiniert. Jessica Schwarz darf als trauernde Mutter dramatische Monologe halten – aber wer ihre Rolle mit der der Mutter in «The Missing» (einer der wohl besten Serien zum Thema Kinderverschwinden) vergleicht, merkt schnell, was hier fehlt: Tiefe, Nuancen, wirkliche Verzweiflung.

Besonders bemüht wirkt zudem das Element der Medienkritik, das das Drehbuch in die Geschichte hineinzwingen will, primär in Form der Boulevardjournalistin Bo Eilers, die die Eltern überredet, sich auf ein eiskaltes Spiel mit der Presse einzulassen, um die Polizei am Ermitteln zu halten. Doch anstatt wirkliche Ambivalenz oder gar moralische Fragen aufzuwerfen, wird der hintergründige Aspekt des Themas nur oberflächlich angerissen. Am Ende ist die Journalistin eine weitere funktionale Figur, die das Narrativ vorantreiben soll, aber nichts wirklich Substanzielles beizutragen hat.

Man hätte viel aus dieser Geschichte machen können – ein kammerspielartiges Psychodrama über eine Familie im Ausnahmezustand, ein knallhartes hintergründiges Dramenstück oder einen düsteren Thriller über Schuld und Verdacht. Doch «Lillys Verschwinden» bleibt eine Hochglanz-Inszenierung mit kalkulierter Betroffenheitsästhetik.

Der Zweiteiler «Lillys Verschwinden» wird vom ZDF am Montag, den 17. Februar, und Mittwoch, den 19. Februar, jeweils um 20.15 Uhr ausgestrahlt.

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