Hintergrund

Das Jüngste Quoten-Gericht: Endstation Programmplanung

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Montags blickt Quotenmeter auf die Quoten-Highlights und Marktanteil-Flops der zurückliegenden Woche. Diesmal geht es das fehlende strategische Denken in Unterföhring, wo kurzfristig zahlreiche Programmumstellungen vorgenommen wurden.

Die Geisterstunde hatte noch nicht geschlagen, es war 23:59 Uhr, als Sarah Engels den Sieg bei «Schlag den Star» am Samstagabend perfekt machte. Ihre Gegnerin Evelyn Burdecki musste sich nach drei Stunden und 41 Minuten geschlagen geben, wie ProSieben vorrechnete. Es sei die kürzeste Live-Ausgabe der Spielshow aller Zeiten gewesen, so der Unterföhringer Sender, der tatsächlich eine frische Ausgabe gesendet hatte. Aufmerksame Format-Zuschauer war aufgefallen, dass beide Kandidatinnen schon einmal an «Schlag den Star» teilgenommen hatten.

Burdecki trat im August 2021 gegen Sophia Thomalla an und verlor. Sarah Engels hieß bei ihrem ersten «SdS»-Auftritt noch Lombardi und verlor im Dezember 2018 gegen Eko Fresh. Vor sieben Jahren schalteten 1,66 Millionen Zuschauer ein und verhalfen der Show, die bis kurz vor 1:00 Uhr dauerte, zu einem Zielgruppen-Marktanteil von 14,4 Prozent. Burdeckis erste Niederlage kam im August 2021 auf ähnliche Werte. Es standen 1,57 Millionen Zuschauer und 14,7 Prozent Marktanteil in der Zielgruppe zu Buche. Jene Show dauerte bis 1:34 Uhr. Am vergangenen Samstag wurden trotz der deutlich kürzeren Sendezeit nur 1,19 Millionen Zuschauer registriert, der Marktanteil auf 11,6 Prozent beziffert. Damit lief «Schlag den Star» einmal mehr seinen Glanzzeiten hinterher.

Der ausbleibende Erfolg hatte am Samstagabend mehrere Gründe, schließlich lief bei RTL «Schlag den Raab»-Erfinder Stefan Raab zur Höchstform auf. Bei «Chefsache ESC 2025» ging es schließlich um nichts weniger als die Frage, wer Deutschland beim Eurovision Song Contest in Basel vertreten werde und dort den Sieg holen soll. Die zweite Vorentscheids-Show an diesem Wochenende verzeichnete 17,4 Prozent in der Zielgruppe. Trotz aller Format-Schwächen von «Chefsache ESC 2025», wie beispielsweise eine maximal undurchsichtige Entscheidung darüber, wer weiterkommt und wer nicht, war ProSieben an jenem Abend nur eine kleine Konkurrenz für den Kölner Sender und sein neues Sendergesicht.

Mit Stefan Raab wähnt sich RTL ohnehin ein heißes Eisen im Feuer zu haben. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass RTL mit dem ehemaligen ProSieben-Gesicht dessen Formate aufwärmt und (wenn überhaupt) einmal umrührt. Viel mehr als ein Format-Mix aus «TV total» und «Schlag den Raab» ist «Du gewinnst hier nicht die Million bei Stefan Raab» nicht, das neuerdings auch im Free-TV ausgestrahlt wird. ProSieben hat sich in der vergangenen Woche dennoch offensichtlich ins Hemd gemacht und ist der direkten Konkurrenz-Situation zwischen «TV total» mit Sebastian Pufpaff und «DGHNDMBSR» aus dem Weg gegangen. Wenige Stunden vor der Ausstrahlung hat man «TV total» in den späten Abend geschoben, stattdessen um 20:15 Uhr lieber die für Sonntag geplante Free-TV-Premieren von «Mission: Impossible – Dead Reckoning (1)» programmiert, die mit 7,9 Prozent in der Zielgruppe prompt unterging. Wie der Tom-Cruise-Film am Sonntag abgeschnitten hätte, lässt sich nur spekulieren, schließlich hatte RTL mit «Das Quadrell» das nächste dicke Brett in petto. Der Kampf ums Kanzleramt sicherte sich 44,7 Prozent, sodass «Mission: Impossible – Fallout» mit 4,8 Prozent gänzlich auf der Strecke blieb. Dass am vergangenen Mittwoch Sebastian Pufpaff um 23:01 Uhr ebenfalls auf der Strecke bleiben würde, war angesichts der Sendezeit klar. Allerdings waren die eingefahrenen 4,5 Prozent Marktanteil eine herbe Enttäuschung.

Vertrauen in Pufpaff schwindet
«TV total» wird in den kommenden Wochen immer montags und dienstags auf Sendung gehen. Ob diese Doppelprogrammierung aufgeht, wird sich zeigen. Die Zeichen stehen derzeit aber nicht zwangsläufig auf Erfolg, denn die Montagsfolgen konnten zuletzt gar nicht überzeugen. Seit Ende November zählte man im Schnitt nur 0,62 Millionen Zuschauer und einen allenfalls durchschnittlichen Zielgruppen-Marktanteil von 7,5 Prozent. Ende Januar, als «TV total – Aber mit Gast» zum bislang letzten Mal lief, kam man gar nur auf 4,8 Prozent. Auch auf dem Mittwochs-Sendeplatz tat sich «TV total» zuletzt sehr schwer. Betrachtet man den Zeitraum seit November 2024 sank die durchschnittliche Reichweite auf weniger als eine Million Zuschauer. Mit einem Marktanteil von 10,7 Prozent gehört die Comedy-Sendung zwar weiterhin zu den quoten-stärksten Formaten, die der Sender zu bieten hat. Die bislang letzte zweistellige Quote liegt aber über einen Monat zurück. Der Sendeplatzwechsel kommt so gesehen zur rechten Zeit, um dem Format einen neuen Impuls zu geben, schließlich ist die Konkurrenz am Dienstag überschaubar groß.

Allzu viel vertrauen in die eigene Stärke drückte der Move vom vergangenen Mittwoch allerdings nicht aus, schließlich hatte ProSieben-Chef Hannes Hiller noch wenige Tage zuvor Sebastian Pufpaff im Kampf gegen Stefan Raab das Vertrauen ausgesprochen, nur um wenig später zurückzuziehen. Aller Plakatwerbungen und Formattrailer zum Trotz wird nun «Germany’s Next Topmodel» ins Rennen gegen «Du gewinnst hier nicht die Million» geschickt. Sechs Wochen lang sucht Heidi Klum die besten Männer-Models am Mittwochabend.

Die neue Staffel begann am Donnerstag mit nicht allzu vielversprechenden Werten. Interessierten sich im vergangenen Jahr knapp über zwei Millionen Zuschauer für die erste Frauen-Männer-Staffel, lag das Interesse diesmal nur bei 1,62 Millionen Zuschauern (jeweils vorläufig gewichtete Daten). Der Marktanteil wurde auf 16,4 Prozent beziffert, womit man dem ZDF und der Politsendung «Klartext» unterlag, die 20,1 Prozent einfuhr. Zwar war die Staffel im vergangenen Jahr ein großer Erfolg, jedoch besteht die Gefahr, dass die Doppelausstrahlung schnell für eine Übersättigung des Publikums sorgt – über sechs Stunden Model-Content an nur zwei Abenden.

Mut nur in einem Bereich
Freilich setzt man in Unterföhring auch auf die Verwertung bei Joyn, nicht umsonst lautet das Konzern-Motto dieser Tage: „Alles auf Joyn!“. Doch auch auf der Streamingplattform traut man seinen Inhalten offenbar nicht mehr den ganz großen Wurf zu. Stattdessen integriert man – dem Vernehmen nach ohne Absprache mit ARD und ZDF – die Inhalte der öffentlich-rechtlichen Mediatheken per Embedding-Methode. Bei ProSiebenSat.1 sieht man sich im Recht, dennoch bereiten ARD und ZDF rechtliche Schritte vor, um diese Art der vermeintlichen (einseitigen) Kooperation zu unterbinden. Den Mut und das Risiko, den ProSiebenSat.1-Vorstand Markus Breitenecker an dieser Stelle fährt, ist groß. Es wirkt aber, als hätte sich das Unternehmen allen Mut für diese Strategie aufgespart und lässt es an nahezu allen anderen Stellen vermissen.

Seit Jahren liegt das Nachmittagsprogramm von ProSieben brach. Vier von sieben Primetime-Abenden werden von zwei Programmen bespielt, zudem laufen an zwei Abenden Filme. Wagt man doch mal etwas, legt man die Verantwortung in die Hände von Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf, die Ende März ihren Show-Neustart «Ein sehr gutes Quiz (mit hoher Gewinnsumme)» an den Start bringen.

Wie hoch der Relevanz-Verlust der Sendergruppe ist, machen die Quoten dieser Tage klar. Sat.1 und ProSieben sind knapp zwei Wochen vor der Bundestagswahl in die Wahlberichterstattung außerhalb der «:newstime» eingestiegen. Die Zeche mussten «Ronzheimer» (4,2%) und «Kannste (nochmal) Kanzler?» (5,5%) zahlen. Einzig ein neuer «Jenke. Report.» zum Thema „Baustelle Deutschland – Wer repariert unser Land?“ funktionierte mit 10,6 Prozent. Der allem Anschein nach wohl kommende Bundeskanzler Friedrich Merz sagte seinen Auftritt bei «Wahl-Countdown: Die Kandidaten im Bürger-Speed-Dating» schon ab. Am Abend vor der Wahl sieht er keinen Nutzen darin bei der gemeinsamen Sendung von Sat.1 und ProSieben stattzufinden. Der verkürzte Wahlkampf erschwerte freilich die Planungen für die Sender, aber die Konkurrenz beweist eindrucksvoll, wie viel man auf die Beine stellen kann. Den Verantwortlichen von ProSieben scheint aber jede Weitsicht zu fehlen. Stattdessen flüchtet man sich in kurzfristige vermeintliche Lösungen. Man darf gespannt sein, ob der Plan aufgeht, denn es gilt einiges aufzuholen. Im Januar lag ProSieben (Monatsmarktanteil in der Zielgruppe: 7,0%) noch nicht mal in Schlagdistanz zu RTL (11,4%). Sat.1 kam nur auf 5,8 Prozent.

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