Interview

Armin Rohde: ‚Bei einem guten Krimi kommt es immer etwas anders‘

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Beim Deutschen FernsehKrimi-Festival erhielt der Schauspieler den Ehrenpreis. Bei Quotenmeter spricht Rohde über gute Kriminalfilme.

Herr Rohde, herzlichen Glückwunsch zum Ehrenpreis! Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung für Ihr Lebenswerk im Fernsehkrimi-Genre?
Ich freue mich jedes Mal, wenn ich einen Preis bekomme. Und über diesen freue ich mich ganz besonders, weil damit eine jahrzehntelange Arbeit ausgezeichnet wird – nicht nur ein einzelner Film, sondern die Arbeit an ganz vielen Filmen. «Nachtschichten» sind dabei, bei den Krimis, die ich gedreht habe, viermal «Guter Bulle». Das sind Dreharbeiten, die viel Freude machen, aber auch viel verlangen vom Schauspieler. «Nachtschicht» heißt ja nicht nur so, wir drehen tatsächlich viel nachts. Ich nehme den Preis also dankend entgegen – auch stellvertretend für alle, die sich die Nächte mit mir gemeinsam um die Ohren schlagen.

Das Deutsche FernsehKrimi-Festival zeichnet jedes Jahr die besten Krimiproduktionen aus. Was macht für Sie einen herausragenden Krimi aus?
Überraschende Wendungen, glaubhafte Handlungszüge und Figuren, die diese Handlungszüge tragen. Das heißt, ich muss den Figuren glauben. Ich muss denken, dass Dinge nicht nur passieren, weil ein Drehbuchautor sie so erfunden hat oder weil der Regisseur das so wollte. Alles muss in einer Abfolge passieren, bei der ich mir vorstellen kann, dass Dinge wirklich auf diese Art und Weise geschehen.

Bei einem guten Krimi kommt es immer etwas anders, als man gedacht hätte, denn jeder Mensch ist eine Wundertüte. Man weiß nicht, was als Nächstes passiert – selbst dann, wenn man glaubt, jemanden zu durchschauen, kommt dann noch etwas raus, das man so nicht erwartet. Aber stimmig muss es sein. Stimmigkeit ist also ein großer Aspekt, Überraschungen sind ein großer Aspekt, Glaubwürdigkeit ist ein Aspekt. Und eine Handlung, der man gespannt folgen kann.

Sie haben in zahlreichen Krimiformaten mitgespielt – darunter «Der gute Bulle» und «Nachtschicht», die Sie ja schon erwähnt haben. Haben Sie eine Rolle, die Ihnen besonders am Herzen liegt?
In dem Moment, in dem ich an einer Rolle arbeite, liegt mir jede Rolle am Herzen. Ich habe eher Eltern-Gefühle meinen Rollen gegenüber. Und ob das hinterher ein Erfolg wird oder nicht, und wie sehr das gemocht wird oder nicht, das habe ich nicht in der Hand. Ich versuche immer nur, bei jeder Rolle mein Bestes zu geben, mich so weit wie möglich da reinzuarbeiten und das so zu spielen, dass ein Zuschauer glaubt, dass es den Menschen, den ich da spiele, tatsächlich geben könnte.

Sie sind natürlich nicht nur Figur, sondern auch Beobachter des deutschen Fernsehkrimis. Welche Entwicklung haben Sie im Krimifernsehen über die Jahre beobachtet? Wie hat sich das Genre verändert?
Früher war der Fernsehkrimi definiert durch ein Kammerspiel, fast bühnenartige Inszenierungen, wie «Der Kommissar», zum Beispiel, oder «Derrick». Das waren immer sehr überschaubare Welten, die dargestellt wurden. Meistens in gut situierten Kreisen, oft in Münchner Villen gedreht. Ich glaube, dass Gut und Böse klarer getrennt waren. Und das Böse auch nicht so schrecklich böse war. Das waren dann immer Einzelfälle, immer ein Täter. Heute ist eben nicht mehr so ganz klar, wo die Guten, wo die Bösen stehen, wie sehr jemand noch alle Tassen im Schrank hat oder nicht. Das Personal ist nicht mehr so zuverlässig, wie es früher einmal war, nicht mehr so einteilbar.

Das hat sich, glaube ich, im Laufe der Jahrzehnte am deutlichsten verändert. Und dadurch muss man Geschichten natürlich auch anders erzählen. Dieses „da wird jemand umgebracht, da kommt die Polizei, die klärt das auf, am Schluss stehen drei Verdächtige gemeinsam im Wohnzimmer und dann wird einem nochmal erzählt, was passiert ist“ und dann noch der Schlusssatz: „Deswegen sind wir überzeugt, dass Sie der Täter sind!“ - das kann man heute so nicht mehr machen. Das wäre heute eher witzig, das würden die Leute nicht mehr ernst nehmen.

Sie sind im Ruhrgebiet aufgewachsen. Wie hat Ihr Hintergrund Ihre Herangehensweise an Schauspiel und Ihre Rollenauswahl beeinflusst oder hat er das überhaupt?
Das kann ich nicht sagen, weil ich ja nirgendwo anders aufgewachsen bin und von daher da nicht vergleichen kann. Ich weiß nicht, ob ich anders spielen würde, wenn ich in Hamburg oder in Berlin aufgewachsen wäre oder in München. Das sind alle Städte, in denen ich sehr, sehr gerne bin, mich sehr gerne aufhalte, wo ich in der ganzen Zeit auch Leute kennengelernt habe und Freundeskreise habe.

Man sagt den Ruhrgebietsmenschen immer nach, dass sie eine raue Schale und ein gutes Herz haben, sehr direkt und humorvoll sind. Stimmt bestimmt bei Vielen. Gibt es aber auch in Bayern. Habe ich auch in Hamburg und Berlin schon angetroffen, sehr trockenen, guten Humor. Das sind so ein bisschen folkloristische Zuschreibungen, mit denen ich selbst wenig anfangen kann. Man ist halt der, der man ist, man hat die Geschichte, die man hat.

Sie haben mehr als 150 Filme gedreht. Gab es einen Moment oder erinnern Sie sich an einen Moment, in dem Sie wussten: „Ja, jetzt bin ich angekommen, jetzt habe ich es geschafft“?
Da kommen ja noch 60 Theaterrollen dazu. Dieses Angekommen-Gefühl, das hatte ich damals, als ich auf der Schauspielschule aufgenommen wurde. Da habe ich wirklich das Gefühl gehabt, die Himmelstore öffnen sich und alle Englein singen, willkommen, willkommen, du bist jetzt da, wo du hingehörst. Das ist ein Gefühl, das mich eigentlich meine ganzen Berufsjahre durch mit mehr oder weniger großer Intensität begleitet hat. Natürlich habe ich auch Tage erlebt, die jeder in seinem Beruf hat, wo man denkt: „Lasst mich doch alle mal in Ruhe, wirklich.“ Wo man überhaupt keine Lust hat. Das ist normal. Aber insgesamt fühle ich mich, seit ich aufgenommen wurde, damals auf der Schauspielschule, vom Leben und vom Schicksal erkannt, sagen wir es mal so.

Viele Zuschauer kennen Sie aus ernsten und humorvollen Rollen gleichermaßen. Wie schaffen Sie es, diese Balance zu halten?
Die muss ich gar nicht halten, weil die Problematik sich für mich gar nicht stellt. Jede Rolle ist eine andere Herausforderung, sie verlangt einen anderen Einsatz an Reaktivierung von Erinnerungen, von Gefühlen, von Gedanken. Das ist wie die Arbeit eines Uhrmachers, der an jeder Uhr seine spezielle Herausforderung findet und seine spezielle Freude hat. Eine Puzzle-Arbeit, eine Detektiv-Arbeit, auch eine Psychologie-Arbeit, alles gleichzeitig. Eine Forschungsreise regelrecht, so würde ich das am ehesten beschreiben.

Wenn man an dieser Art von Forschungsreise keine Freude hat, dann ist man im Beruf eigentlich auch schon falsch aufgehoben. Ein Beispiel: Wenn jemand sagt: „Wie viel Uhr haben wir?“, dann kann man das auf tausend verschiedene Arten sagen. Man kann das so fragen, dass man damit meint: „Hast du noch ein bisschen Zeit für mich?“ Es kann aber auch heißen: „Willst du nicht gehen?“ Und dazwischen noch alle möglichen Färbungen. Das Drehbuch ist ja immer nur die Spitze des Eisbergs. Wenn ein Schauspieler, der über mich sonst nichts kennt, außer diesen Text, unser Gespräch spielen müsste, würde er sich überlegen: „Wie sage ich das? Wie sage ich es hier?“ Der müsste sich überlegen, wie wohl das Leben des Menschen ausgesehen hat, der so redet. So ist das für mich, wenn ich ein Drehbuch bekomme, das ist die Reise, auf die ich mich mache – bei jeder neuen Rolle.

Gibt es eine Rolle oder einen Film, den Sie unbedingt noch spielen oder machen möchten?
Ich habe so viele Rollen gespielt, auf die ich selbst gar nicht gekommen wäre. Wie «Hotzenplotz» zum Beispiel oder damals, als es anfing mit meiner Filmkarriere mit dem Bierchen in «Kleine Haie». Ich fand es immer schon spannender, zu erleben, was Leuten zu mir einfällt, was sich jemand anderes von mir wünscht. Wenn jemand kommt du sagt: „Den Rohde, den würde ich echt mal gerne als Hotzenplotz sehen“, dann denke ich erst, wer oder was ist ein Hotzenplotz? Dann lese ich das Kinderbuch und denke: Warum bitte soll ich das jetzt sein? Was hat das mit mir zu tun?

Aber eine Rolle muss auch nicht zwingend etwas mit mir zu tun haben. Da muss irgendwas drin sein, das mich anfasst, das mich anspringt, wo ich sage: Das habe ich Lust zu spielen. Manchmal ist es nur ein halber Satz, und in diesem halben Satz offenbart sich für mich der Mensch.

Sie setzen sich auch gesellschaftlich ein. Welche Themen liegen Ihnen besonders am Herzen, und wie verbinden Sie Ihr Engagement mit Ihrer Arbeit als Schauspieler?
Das zu verbinden ist eigentlich überhaupt kein Problem. Ich kann meine Meinung zu Vielem kundtun, ohne jedes Mal einen Interviewtermin anberaumen zu müssen dafür. Für Tierschutz, für den Schutz von Kindern setze ich mich ein, für krebskranke Kinder, für Naturschutz, gegen rechts setze ich mich ein. Und mache gern Shows, bei denen man Geld gewinnen kann für gute Zwecke. Da darf ich dann überlegen, an welche Organisation ich Beträge von 3.000 Euro oder sogar 10.000 Euro vergeben darf.

Herr Rohde, vielen Dank für Ihre Zeit!

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