
Die Erwartungen waren hoch, die Skepsis ebenso, doch was uns hier präsentiert wird, ist zumindest über weite Strecken eine spannende und düstere Symphonie aus moralischen Dilemmata und astreinen Action-Szenen. Ein einnehmender One-Take-Kampf, roh und ungeschönt, der die Intensität der Netflix-Ära sogar noch übertrifft, lässt da nicht lange auf sich warten. Und schon bei diesen ersten beeindruckenden Sequenzen zeigt sich eine Kameraarbeit, die so intim ist, dass man den Schweiß und das Blut förmlich riechen kann.
Ein besonderes Glück: Der Brite Charlie Cox schlüpft erneut in die Rolle von Matt Murdock, als hätte er nie eine Pause eingelegt. Sein Spiel ist nuanciert, die innere Zerrissenheit zwischen Pflichtgefühl, moralischen Überzeugungen und persönlichen Bedürfnissen auch dramaturgisch schnell wieder so präsent wie damals. Vincent D'Onofrio als Wilson Fisk, alias Kingpin, liefert daneben eine Performance ab, die gleichzeitig einschüchternd und faszinierend wirkt. Sein Bestreben, Bürgermeister von New York zu werden, verleiht der Serie eine politische Tiefe, die angesichts der Präsenz eines verurteilten Verbrechers im Weißen Haus mit zwielichtiger New Yorker Baulöwengeschichte aktueller nicht sein könnte.

Visuell bleibt die Serie indes ihrem bekannt düsteren Stil treu. Die Beleuchtung gerät sparsam, die Schatten sind tief, was die Atmosphäre von Hell's Kitchen perfekt einfängt. Die Musikuntermalung ist subtil, aber effektiv, und verstärkt die emotionale Wucht jeder Szene. Damit zeigt das Format durchweg, wie Superheldenfernsehen aussehen sollte: roh, emotional und packend.
Die Serie «Daredevil – Born Again» ist bei Disney+ erhältlich.
Schreibe den ersten Kommentar zum Artikel