Die Kritiker

«The Electric State»: Dreht dem Quatsch den Saft ab!

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Netflix schickt einen der teuersten Filme aller Zeiten auf den Schirm - und geht damit gnadenlos baden.

«The Electric State» – das klingt verheißungsvoll energiegeladen und futuristisch, als würde uns dieser Film auf direktem Wege in eine elektrisierende Zukunft katapultieren. Doch stattdessen geht es zunächst zurück in die 90er Jahre, als Roboter einen Krieg gegen die Menschheit begannen, bis Bill Clinton schließlich einen Friedenvertrag mit Mr. Peanut unterschrieb. Und schon dieser eine Satz macht deutlich, woran dieser Film schließlich kolossal scheitern soll – nämlich an seiner grenzenlosen Absurdität, die er allenfalls mit einem ausgesprochen aufgesetzten Augenzwinkern einzufangen weiß.

Mit einem Budget von 320 Millionen Dollar – einem der teuersten Filme aller Zeiten – und renommierten Schöpfern wie den Russo-Brüdern von der großen Marvel-Schule hätte man ein wahres Feuerwerk der Kreativität erwartet. Doch was von diesem Film bleibt, ist nichts als ein mühsam zusammengeschustertes Flickwerk aus Versatzstücken bekannter Sci-Fi-Erzählungen, ohne eigenen Puls, ohne eigene Seele.

Millie Bobby Brown, die als Michelle durch eine postapokalyptische Welt irrt, wirkt verloren in einer Rolle, die ihr kaum Raum zur Entfaltung bietet. Ihre Suche nach dem verschollenen Bruder verkommt zur bloßen Staffage, ein Vorwand, um durch eine leere, uninspirierte Landschaft zu wandern. Chris Pratt als zwielichtiger Schmuggler Keats bleibt derweil genauso blass, eine blutleere Kopie seiner bekannteren früheren Charaktere, nur hier völlig ohne Tiefe, ohne Entwicklung.

Die Roboter, einst von Walt Disney erschaffen und auf den ersten Blick eher drollig als gefährlich anmutend, wurden nach der Niederlage in ihrem angezettelten 90er-Jahre-Krieg in den amerikanischen Südwesten verbracht und fristen dort nun ein seltsam undefiniertes Dasein. Ruhe geben sie in der Welt von «The Electric State» trotzdem nicht, und trotz des stattlichen Budgets wirken ihre Designs eher wie einem verstaubten Ideenbuch der 90er Jahre entsprungen. Auch hier fehlt es an Witz und Originalität, an dem Funken, der sie – dieses Wortspiel sei erlaubt – lebendig machen könnte.

Während sich die Handlung ohne Höhepunkte, ohne wesentliche Überraschungen dahinschleppt und sich die austauschbaren Charaktere in weitgehend hölzernen Dialogen das Leben erklären, wird zunehmend offensichtlich, dass die Macher schlicht vergessen zu haben scheinen, dass auch ein actiongeladener Film eben deutlich mehr braucht als nur ein großes Budget und namhafte Schauspieler. Ohne Herzblut und Vision bleibt das Ergebnis blutleer – gerade bei Roboterfilmen eine eiskalte Diagnose.

Denn die visuellen Effekte, so teuer sie auch gewesen sein mögen, können nicht über die inhaltlichen Schwächen hinwegtäuschen. Sie wirken in ihrer Opulenz vielmehr wie glänzende Verpackungen ohne Inhalt, wie leere Versprechungen, die nicht eingelöst werden. Die Welt, die hier erschaffen wurde, bleibt flach, ohne Tiefe, ohne Atmosphäre. Enttäuschend, wie viel Potenzial hier verschenkt wurde – dabei hätte die Vorlage von Simon Stålenhag durchaus Möglichkeiten geboten, auf dieser Basis eine tiefgründige, emotionale Geschichte zu erzählen.

«The Electric State» dürfte als Paradebeispiel dafür, dass Geld allein keinen guten Film macht, in die jüngere Filmgeschichte eingehen. In seinem Scheitern ist er ein Plädoyer für künstlerische Leidenschaft, Kreativität und den Mut, neue Wege zu gehen. Denn all das fehlt hier von der ersten Minute an schmerzlich. Da lieber Strom sparen – und abschalten!

Der Film «The Electric State» ist bei Netflix zu sehen.

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