Interview

Thomas Mraz: ‚Nicht mit dem moralischen Zeigefinger wedeln‘

von

Der Schauspieler Mraz hat auch das Drehbuch von «Eigentlich sollten wir» mitverfasst. Im Gespräch erzählte er von der Komödie, die Umweltbewusstsein mit lustigen Elementen verbindet.

Wie beginnt die Geschichte von «Eigentlich sollten wir», und was treibt Ihre Figur Stefan an, sich der Aktionsgruppe anzuschließen?
Alles beginnt mit einem falschen Schritt, als unsere Hauptfigur in der Nacht auf ein Spielzeug steigt und sich beim Sturz seinen Rücken verreißt. Da erkennt er die schiere Menge Spielzeug, die sich in seiner Familie angesammelt hat und er erinnert sich an die verschütteten Ideale seiner Jugend. Als es ihm noch darum ging, die Welt zu einem besseren Platz zu machen. Schließlich findet er im Repair-Cafe eine Gruppe Gleichgesinnter…

Sie haben nicht nur die Hauptrolle übernommen, sondern auch das Drehbuch mitverfasst. Wie hat sich dieser kreative Prozess gestaltet?
Obwohl es freilich immer der heimliche Hintergedanke war, selbst den Stefan zu spielen, war es sehr lange keine beschlossene Sache. Klaus Eckel und ich haben uns auf die Entwicklung des Drehbuchs konzentriert, was ohnehin ein sehr langer Prozess war. Erst als Harald Sicheritz an Bord gekommen ist, gab es konkrete Besetzungsphantasien. Und für Harald stand es außer Frage, dass ich die Hauptfigur spielen soll. Dafür bin ich ihm sehr dankbar.

Der Film behandelt ernste Themen wie Konsumkritik und Umweltbewusstsein, verpackt sie aber in eine Komödie. Wie haben Sie diesen Balanceakt zwischen Humor und Botschaft gefunden?
Wir wollten immer eine Komödie für die ganze Familie machen - zu einem akuten Thema.
Die Grundidee für diese Geschichte stammt von Klaus Eckel, der meiner Meinung nach einer der besten deutschsprachigen Kabarettisten und Satiriker ist. Er hat ein ganz feines Sensorium für gesellschaftlich relevante Themen und ein einzigartiges Talent sie komödiantisch aufzuladen.

Wir waren uns einig, dass man „ernste“ Themen am besten mit Humor vermitteln kann. Wie wenn du die Medizin dem Grießbrei untermischst. Spielzeug schien uns dafür am besten geeignet. Denn vordergründig sind das ja alles niedliche Gegenstände, die aber viele Aspekte der Nachhaltigkeit spiegeln. Angefangen bei Plastikspielzeug, Weichmachern, problematischen Farben, über die abnehmende Begeisterungsspanne bei neuem Spielzeug, bis zur schieren Menge.

In der Entwicklung war uns immer besonders wichtig, nicht mit dem moralischen Zeigefinger zu wedeln. Es ist ja ein Thema, bei dem man sehr schnell in eine Besserwisser-Rolle verfallen könnte und wir sind uns bewusst, dass wir da um nichts besser sind. Wir waren sehr darauf bedacht, unserer Hauptfigur einen möglichst hohen Wiedererkennungseffekt zu verleihen. Im Sinne von… der ist ja wie mein Arbeitskollege, mein Nachbar, oder optimalerweise: Der ist ja wie ich.

Wie würden Sie Stefan als Charakter beschreiben? Was macht ihn aus, und wie verändert er sich im Laufe der Geschichte?
In Stefan gärt eine Unzufriedenheit – mit sich und der Welt. Flapsig würde man es wohl als eine Art Midlife-Krise bezeichnen, wenn jemand mit Mitte Vierzig draufkommt, dass er etwas gravierend ändern muss. Uns hat aber der Gedanke sehr gefallen, dass wir einen Mann sehen, der ein Leben lebt, das eigentlich passt. Mit dem er auch glücklich ist und das sich so über die Jahre entwickelt hat – aus einer gewachsenen Notwendigkeit. Er liebt seine Frau, seine Kinder – dennoch erinnert er sich an verschüttete Jugendideale, denen nach wie vor eine Wahrheit innewohnt.

Ihn reizt der Gedanke, mit dieser Gruppe etwas zu bewegen und auch ein wenig diese anarchische Gefährlichkeit des Protests. Schlussendlich sieht er aber ein, dass das doch nicht sein Weg ist.

Die Dynamik zwischen Stefan und Marion ist ein wichtiger Teil der Handlung. Wie war die Zusammenarbeit mit Marleen Lohse, um diese Beziehung authentisch darzustellen?
Marleen Lohse ist eine ganz wunderbare Kollegin! Ich bin ein großer Fan.
Es ist ja immer eine Herausforderung, wenn man einander gar nicht kennt und auf Anhieb ohne viel Vorlaufzeit eine langjährige Beziehung und eine innige Vertrautheit behaupten soll. Aber mit Marleen war es sehr einfach. Sie ist so offen zu uns nach Wien gekommen, hat eigentlich niemanden gekannt und war so herzlich. Es war wirklich eine Freude mit ihr die Familie Steindl zu zeigen. An dieser Stelle möchte ich auch „unsere“ wunderbaren Kinder erwähnen, die ebenfalls ganz offen und neugierig in dieses Projekt gegangen sind.


Stefans Doppelleben sorgt für turbulente Situationen. Welche Szenen oder Momente haben Ihnen beim Dreh besonders Spaß gemacht?
Besonders liegt mir die Szene mit der Familie am Herzen. Mit Kindern zu arbeiten finde ich immer spannend, ihre Spontanität, Neugier und pure Herzlichkeit ist hochansteckend. Abgesehen von den schon erwähnten tollen KollegInnen der Familienbande, liegt für mich da ja auch der Kern der Geschichte und des Themas. Denn es ist ja die Elterngeneration, die – zum großen Teil – die Verantwortung für den Zustand des Planeten trägt, den sie an ihre eigenen Kinder weitergibt.

Harald Sicheritz ist für seine pointierten Komödien bekannt. Wie war es, mit ihm zusammenzuarbeiten?
Harald Sicheritz ist ein sehr erfahrener Regisseur, den ich schon seit vielen Jahren kenne und sehr schätze. Wir haben auch schon oft zusammengearbeitet. Ich war glücklich, dass er bereit war sich auf unsere Geschichte einzulassen. Harald ist ein Komödien-Fuchs und hat noch einige Ideen in das Buch eingebracht, wodurch es zu unserer gemeinsamen Geschichte wurde, die er dann in seiner erfahrenen, bewährten Manier in einen Film übersetzt hat.

Haben Sie für Ihre Rolle oder das Drehbuch eigene Erfahrungen oder Beobachtungen aus dem echten Leben einfließen lassen?
Absolut. Auch wenn Klaus Eckel der Familienvater von uns beiden ist – ich selbst habe ja keine Kinder – haben wir beide aus vielen eigenen Erfahrungen geschöpft. Angefangen damit, dass jeder schon einmal in der Nacht auf einen Lego-Stein gestiegen ist, über die Sehnsucht mal ein bisschen anarchistisch zu sein bis zu dem Gedanken, wie lebe ich „richtig“.
Oder auch das Phänomen der Spielzeugflut, das ich selbst bei Kindergeburtstagen erleben durfte. Befeuert von immer weiteren Anlässen etwas zu verschenken. Also, neben den Klassikern Weihnachten und Geburtstag wird ja mittlerweile sehr oft auch zur Einschulung, Erstkommunion und dem ausgefallenen Milchzahn Spielzeug verschenkt. Daraus ergibt sich ein riesiger Spielzeugberg. Bis hin zu der Absurdität, dass eine Familie mit drei Kindern jedes Spielzeug dreimal braucht. Z.B. drei Frisbee-Scheiben – ein Spielzeug, mit dem man eigentlich gar nicht allein spielen kann.


Der Film stellt die Frage, wie wir leben und unsere Zukunft gestalten wollen. Hat das Projekt auch Ihre persönliche Sicht auf Konsum oder Umweltbewusstsein beeinflusst?
Auf jeden Fall. Vor allem was die Mobilität angeht. Mittlerweile wäge ich viel mehr ab, wieviel fliegt man, was kann man mit dem Zug fahren statt mit dem Auto. Oder gar mit dem Fahrrad – also vor allem innerstädtisch.

Oder auch beim Einkauf – nehme ich lieber ein Glasgebinde statt der Plastikflasche? Seit wenigen Jahren bin ich ja stolzer Kleingärtner und da ist es immer wieder erschreckend, wie oft man in der Erde über kleine Plastikstücke stolpert.

Und was das „Kaufen“ angeht, versuche ich viel bewusster zu sein. „Brauche“ ich das jetzt wirklich? Oder auch die Möglichkeit Second Hand zu kaufen. Zum Beispiel kaufe ich seit Jahren meine Smartphones nur refurbished, also aus zweiter Hand, runderneuert.
In letzter Zeit bin ich auch reingekippt, Dinge zu reparieren. Also einen Akku oder auch mal ein gebrochenes Display zu tauschen. Mittlerweile gibt es tolle Online-Communities und Video-Tutorials von Menschen, die Dinge gern selbst reparieren.

Was wünschen Sie sich, dass das Publikum aus «Eigentlich sollten wir» mitnimmt? Soll der Film eher zum Nachdenken anregen oder einfach unterhalten?
Optimalerweise würde der Film beides schaffen, das haben wir zumindest beim Schreiben angestrebt. Man muss wissen, dass Klaus Eckel und ich ja bereits 2016 mit der Arbeit daran begonnen haben. Zu einer Zeit als es „Fridays for Future“ noch gar nicht gab. Die Dreharbeiten begannen auch noch vor den Aktionen der „Klimakleber“. Uns schwebte eine Komödie zu einem akuten gesellschaftlichen Thema vor… Nun hat es etwas länger gedauert, bis der Film ausgestrahlt wird.

Auch wenn das Thema Nachhaltigkeit an Brisanz nichts eingebüßt hat, so spüre ich doch einen gewissen gesellschaftlichen und vor allem auf politischer Ebene ermüdeten Umgang damit. Besonders vor dem Hintergrund anderer, akuter Probleme und Krisen. Aber ich bin überzeugt, dass der Klimawandel die größte Herausforderung der Gegenwart ist.

Danke für Ihre Zeit!

«Eigentlich sollten wir» ist am Mittwoch, den 26. März, im Ersten zu sehen.

Mehr zum Thema... Eigentlich sollten wir
Kurz-URL: qmde.de/159766
Finde ich...
super
schade
Teile ich auf...
Kontakt
vorheriger ArtikelQuotencheck: «37° Leben»nächster ArtikelSechste «Ex on the Beach»-Staffel startet Ende April
Schreibe den ersten Kommentar zum Artikel

Optionen

Drucken Merken Leserbrief




E-Mail:

Quotenletter   Mo-Fr, 10 Uhr

Abendausgabe   Mo-Fr, 16 Uhr

Datenschutz-Info

Letzte Meldungen

Werbung

Mehr aus diesem Ressort


Jobs » Vollzeit, Teilzeit, Praktika


Surftipp


Surftipps


Werbung