Interview

Janis Gebhardt: ‚Bis Ende 2009 gab es das Geisterhaus in der Nähe der Hohensyburg wirklich‘

von

Founder und CEO des Produktion- und Kreativstudios Jot, Gebhardt, hat eine neue Audio-Serie entwickelt, die sogar in 3D-Sound produziert wurde.

Herr Gebhardt, was hat Sie und Ihr Team dazu inspiriert, sich der Legende von Hohensyburg anzunehmen?
Unser Slogan ist: “Gute Geschichten.” Genau nach solchen suchen wir – überall, zu jeder Zeit. Auch Geschichten, die über so lange Zeiträume hinweg überliefert werden, dass sie zu Mythen werden. Mit stark verdichteten Dramaturgien und einem faszinierenden Kern. In unserem Fall das Übernatürliche.

Mystery-Hörspiele gibt es viele – was macht «Hohensyburg» einzigartig?
Zum einen der wahre Kern, denn bis Ende 2009 gab es das besagte Geisterhaus in der Nähe der Hohensyburg wirklich, als real besuchbaren Ort. Über die Jahrhunderte hinweg wurden zusätzliche Legenden mit diesem Ort verflochten. Zum anderen ermöglicht 3D Audio es uns, enorm detailverliebt zu arbeiten. Wir konnten in Stimmungen, Räumen und Effekten denken, ohne den Anspruch, das Unheimliche irgendwann sichtbar machen zu müssen, wie beispielsweise beim Film.

3D-Audio-Technologie spielt eine große Rolle in Ihrer Produktion. Wie verbessert sie das Hörerlebnis?
3D-Audio schafft eine räumliche Tiefe, die das Erlebnis um ein Vielfaches realistischer macht. Gleichzeitig erlaubt es uns, Dinge geschehen zu lassen, die in der Realität unmöglich wären. Das ist eine großartige Möglichkeit, um neue Arten des Erzählens zu erforschen. Bisherige 3D-Audio-Produktionen wollen entweder zu viel auf einmal von dieser Technologie oder versuchen zu viel Bewegung darzustellen, bis die Hörenden orientierungslos sind. Bei «Hohensyburg» haben wir einen anderen Ansatz gewählt: Die hörende Person sitzt gewissermaßen im Zentrum der Geschichte, während sich das Unheimliche langsam um sie herum entfaltet.

Sie arbeiten mit bekannten Synchronstimmen von Hollywood-Stars wie Keanu Reeves und Willem Dafoe. Wie kam es dazu?
Das Unheimliche ist einem gleichzeitig vertraut und fremd. Damit spielen wir: Wir lassen die Geschichte in einem Auto beginnen. Ein akustisch so vertrauter Raum, dass einem der 3D Effekt zunächst kaum auffällt. Ebenso gehört für uns die deutsche Synchronstimme von Keanu Reeves, die auch David Duchovny aus «Akte X» spricht, fest zum vertrauten Repertoir des Übernatürlichen. Wir wollen mit der SprecherInnen- Auswahl ein Bild bei den Zuhörenden erzeugen, dass ihm vertraut ist und an große Hollywood-Produktionen erinnert.

Welche Rolle spielen Musik und Soundeffekte, etwa der Nonnenchor oder die Orgelklänge, für die Atmosphäre des Hörspiels?
Wir erzählen mit innovativer Technik etwas sehr Altes neu: In einer Szene spielen wir auf der Orgel die Teufelsmühle, einen klassischen Grusel-Tonkreis aus dem 18. Jahrhundert, in einer anderen Szene haben wir Radiohead neu eingespielt. Wenn man die Möglichkeit hat, Grenzen zu sprengen, dann will man natürlich einen Dämon auferstehen lassen und nicht die Nachrichten vorlesen. Dieses Geisterhaus akustisch zu rekonstruieren, dann gedanklich einzurichten und zum Leben zu erwecken, hat sehr großen Spaß gemacht. Mit dieser Produktion setzen wir bewusst einen Gegenentwurf zu Fast-Media: Ein Hörspiel, das beim zweiten oder dritten Hören noch neue Details enthüllt – etwas, das sich nicht beiläufig konsumieren lässt.

Wie haben Sie die historische Dimension der Hohensyburg-Legende recherchiert und in die Story integriert?
Seit dem Jahr 775 wird eine Burg an dieser Stelle des Ruhrgebiets erwähnt. Auch für die Schlacht zwischen Karl dem Großen und den Sachsen, die durch ein übernatürliches Lichtphänomen entschieden wurde, gibt es historische Quellen. Wir haben uns mit verschiedenen Archiven in Verbindung gesetzt und so auch die historische Aufnahme des Kaiser-Wilhelm-Denkmals gefunden, die nun auch im Cover Verwendung gefunden hat. Viele Geschichten wurden jedoch auch mündlich überliefert oder so stark verfremdet, dass ihr ehemals wahrer Kern nur noch zu erahnen ist.

Ihr Studio Jot ist für hochwertige Audio- und Bewegtbildproduktionen bekannt. Welche Herausforderungen gab es bei der Umsetzung dieses Projekts?
Journalismus hat sich die Suche nach Wahrheiten zum Ziel gesetzt, in der Medienlandschaft buhlt man um Aufmerksamkeit und auf Social Media geben sich Influencer authentisch. Hohensyburg bewegt sich außerhalb dieser Kategorien. Natürlich haben wir darüber diskutiert, wie ein Dämon “richtig” lacht oder uns gegenseitig an die historische Quellenlage erinnert, aber in erster Linie ging es darum, einen neuen Erzählraum zu erforschen.

Gibt es besondere Momente oder Szenen im Hörspiel, auf die Sie besonders stolz sind?
Mir gefällt die Dachboden-Szene im letzten Drittel besonders gut.

Für welche Zielgruppe ist «Hohensyburg» gedacht, und was erhoffen Sie sich von der Reaktion der Hörerinnen und Hörer?
Wir hoffen auf eine Hörerschaft, die bereit ist, sich mit uns wegzuräumen und so in sehr kurzer Zeit etwas Außergewöhnliches und für jeden Einzigartiges zu erleben. Ebenso wollen wir einer junge Zielgruppe, deren Medienkonsum permanent, beiläufig und von Langeweile getrieben ist, zeigen, dass spannende Hollywood-Geschichten auch vor der eigenen Haustür zu finden sind.

Nach «Hohensyburg» – gibt es schon Pläne für weitere fiktionale Hörspielproduktionen in diesem Stil?
Gerade arbeiten wir mit dem Museum Reinhard Ernst und Salwa Houmsi an einer teilfiktionalisierten Biopic-Serie über die Künstlerin Helen Frankenthaler. Das nächste Mal gruseln kann man sich mit uns bestimmt an Halloween!

Das hört sich spannend an! Danke für das Gespräch!

«Hohensyburg» ist ab 1. April bei allen gängigen Plattformen verfügbar.

Mehr zum Thema... Akte X Hohensyburg
Kurz-URL: qmde.de/159958
Finde ich...
super
schade
Teile ich auf...
Kontakt
vorheriger ArtikelBuchclub: ‚Survival of the Richest‘nächster ArtikelKiKA dreht Comedy-Format mit Bernd das Brot
Schreibe den ersten Kommentar zum Artikel
Weitere Neuigkeiten

Optionen

Drucken Merken Leserbrief



Heute für Sie im Dienst: Fabian Riedner

E-Mail:

Quotenletter   Mo-Fr, 10 Uhr

Abendausgabe   Mo-Fr, 16 Uhr

Datenschutz-Info

Letzte Meldungen

Werbung

Mehr aus diesem Ressort


Jobs » Vollzeit, Teilzeit, Praktika


Surftipp


Surftipps


Werbung